Eine
junge Frau wird schwanger - unehelich
Auf der Missionsstation drängten sich alle um das Team, das soeben von einem Einsatz auf den Straßen und an den Stränden Hawaiis zurückgekommen war. "Tolle Sache!", ,Absolute Spitze!', Und was passierte dann?" Man konnte die Begeisterung förmlich in der Luft spüren. Ich stand, wie gewohnt, am Rand und kämpfte gegen ein Gefühl von Panik an. Was mache ich eigentlich hier?", dachte ich, Ich passe nicht in die Gruppe. Bei denen ist alles in Ordnung, bei mir nicht." Ich zupfte an meinem weiten Sommerkleid, das den dicken Bauch einer im 8. Monat Schwangeren nur notdürftig verhüllte. Ich hatte Mist gebaut, und jeder konnte es sehen. Ich floh in mein Zimmer, um die fröhliche Gruppe nicht mehr sehen zu müssen. Ich wollte unbedingt alleine sein. Neben dem Etagenbett fiel ich auf meine Knie. ,Gott, du sagst, dass du mir vergeben hast, aber ich spüre nichts davon. Ich fühle mich so dreckig, so hässlich." Meine Hand tastete nach den Papiertaschentüchern. 0 Gott, ich komme mir so nutzlos vor."
Als ich vor, etlichen Monaten die schriftliche Zusage von Jugend mit einer Mission" erhalten hatte, wäre ich beinahe ausgeflippt. Nach meinem Schulabschluss hatte ich ein Jahr lang gearbeitet, um das nötige Geld zusammenzubekommen. Einige Wochen bevor ich nach Hawaii fliegen sollte, ging ich zum Arzt, um mich untersuchen zu lassen. Ich hatte mich in letzter Zeit nicht richtig wohl gefühlt und wollte mir etwas gegen die Übelkeit verschreiben lassen. Anstatt jedoch ein Rezept auszustellen, unterzog er mich einem Schwangerschaftstest. Eine Woche später sollte ich mir das Ergebnis abholen. ,Der Test war positiv, klärte mich der Arzt auf Ich brach in Tränen aus. Das verdirbt alles." Er hörte mir verständnisvoll zu. Sie könnten eine Abtreibung vornehmen lassen", sagte er. "Ich werde einen Termin für Sie arrangieren." ,Das ist doch keine Lösung", schniefte ich nur. Wie betäubt verließ ich die Praxis. Ein eiskalter Februartag empfing mich. Vor ein paar Minuten hatte noch die Sonne geschienen. Der Tag hatte freundlich und verheißungsvoll begonnen - doch nun war alles anders!
Damals in der Schule war ich mir immer wie ein Niemand vorgekommen. Ich hatte keine besonderen Talente. In einigen Fächern hatte ich nicht einmal die Prüfungen bestanden und musste sie wiederholen. Im Gegensatz zu manchen meiner Klassenkameraden gab es in meinem Leben keine großen Träume für die Zukunft. Das Einzige, was mir vorschwebte, war ein längerer Missionseinsatz im Ausland, und irgendwann wollte ich auch heiraten. Dass ich schwanger geworden war, hatte alles kaputtgemacht. Ich musste unbedingt mit jemandem reden. Ida, eine Frau aus unserer Kirchengemeinde, hatte mich schon früher einmal seelsorgerlich beraten. Ich ging schnurstracks zu ihr nach Hause. ,Warum hat Gott das bloß zugelassen?, stieß ich schluchzend hervor. Ich erzählte Ida, dass ich die Beziehung zu meinem Freund abgebrochen hatte, weil mir, klar geworden war, dass unser Verhalten nicht richtig war. Ich hatte Gott wirklich um Vergebung gebeten. Es war mein Wunsch, ihm mit meinem Leben zu dienen. Aber jetzt ist alles kaputt", schluchzte ich.
Ida reichte mir ein Päckchen Papiertaschentücher. "Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich die Finger", meinte sie in ihrer gewohnt schroffen Art. "Egal, das Leben geht weiter.' Sie angelte nach der Plätzchendose und goss mir eine Tasse Tee ein. Dann nahm sie sich ebenfalls eine Tasse und setzte sich zu mir an den Tisch. ,Hast du es deinen Eltern schon gesagt?", fragte sie. "Noch nicht." ,Das ist das Nächste, Susanne", sagte sie freundlich.
Ich wusste, dass meine Eltern schockiert sein würden - aber nicht nur sie, sondern alle in unserer Gemeinde und unserem kleinen Ort. Sie kannten mich als Susanne, das nette, saubere christliche Mädchen, das sich nichts zu Schulden kommen ließ. Bis jetzt!
Zu Hause angekommen, sah ich meine Mutter in der Küche werkeln. Mein Vater ,war zur Arbeit gegangen. .Ich muss dir etwas ganz Wichtiges sagen, Mama", begann ich. Komm, wir setzen uns ins Wohnzimmer." Mama machte die angefangene Arbeit zu Ende und nahm dann neben mir auf dem Sofa Platz. "Ich bekomme ein Kind , platzte ich heraus. Sie sah mich an, als hätte ich Chinesisch gesprochen. Mach keine Witze", sagte sie. ,Nein, Mama, es ist mein Ernst Ich fing an zu weinen. Es dauerte nicht lange, und Mama weinte ebenfalls.
Am nächsten Morgen rief mein Vater mich in meiner Wohnung an. Mama hat mir erzählt, dass du Schwierigkeiten hast, Susanne", sagte er. Ich wollte nur eben schnell anrufen und dir sagen, dass ich dich lieb habe."
Liebe und Annahme
Meine Eltern waren beide ausgesprochen lieb und fürsorglich. Sie hatten mich von klein auf gelehrt, dass man, wenn man etwas falsch gemacht hat es zugeben und die Verantwortung dafür übernehmen muss. Dann können Gottes Vergebung und Heilung einsetzen. Nun drängte mich meine Mutter, es den Verantwortlichen der Gemeinde zu sagen. Alle Welt soll erfahren, dass Susanne gesündigt hat", dachte ich wütend.
Und doch redete ich mit dem Pastor und den Ältesten, die mir ebenfalls freundlich begegneten und die Gemeinde dringend darum baten, mich nicht zu verurteilen. Die Leute nahmen mich daraufhin wirklich so an, wie ich war.
Am erstaunlichsten aber war für mich die Reaktion der Missionsgesellschaft. Ich hatte in einem Brief geschrieben, ich könne verstehen, dass sie mich unter den gegebenen Umständen nicht nehmen könnten, und sie sollten meinen Platz doch bitte jemand anderem geben. Stattdessen schrieb man mir zurück: Wir möchten, dass du kommst." Ich wollte meinen Augen nicht trauen., ,Kann ich denn nicht mehr richtig lesen?", dachte ich. Aber einige Tage später kam ein Anruf aus Hawaii, und die Missionsgesellschaft bat mich nochmals zu kommen.
Also flog ich im Frühjahr nach Hawaii, um, mit dein siebenmonatigen Missionseinsatz zu beginnen. Obwohl die Leiter und meine Teamkollegen ihr Bestes taten, mir ein Gefühl des Angenommenseins zu vermitteln, empfand ich etwas ganz anderes: Sie sind sicher bloß nett zu mir, weil sie dazu verpflichtet sind. Im Grunde wäre es ihnen bestimmt lieber gewesen, ich wäre nicht gekommen. Ich blamiere sie ja bloß."
Meine Kolleginnen veranstalteten eine Party zu Gunsten meines Babys, bei der alle ein Geschenk mitbrachten. In jedem Päckchen fand ich einen handgeschriebenen Bibelvers, der mich an die Liebe Gottes erinnerte. Das hätte mich eigentlich ermutigen müssen, tat es aber nicht. ,Gott liebt mich, weil er mess", ging es in meinem Kopf herum. Schließlich liebt er die ganze Weit. Aber mögen tut er mich nicht. Wie könnte er auch?"
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A1s
ich nun im Schlafzimmer auf dem Boden kniete, betete ich nun zu Gott: Es war
eine verrückte Idee, überhaupt nach Hawaii zu kommen. Ich kann mit
keinem Menschen über den Glauben reden. Niemand wird mir zuhören
wollen. Die Leute werden nur einen Blick auf meinen dicken Bauch werfen und
sagen: Wieso bilden Sie sich ein, uns etwas von Gott erzählen zu sollen?
,Susanne, ich mag dich wirklich." Wo war diese Stimme hergekommen? Hatte Gott tatsächlich mit mir gesprochen? Ich hielt den Atem an und wartete. Die sanfte Stimme fuhr fort- Ich werde es dir zeigen - morgen." Am nächsten Morgen hatte ich während meiner Gebetszeit das starke Gefühl, dass Gott einen speziellen Menschen ausgesucht hatte, mit dem ich heute über den Glauben sprechen sollte. Als ich zusammen mit einem anderen Mädchen das Hotel verließ, war ich richtig aufgeregt. Während wir am Strand entlanggingen, sah ich einen knapp 45-jährigen Mann auf einer Bank, der die Zeitung las, Mir war plötzlich klar: Das ist er." Abrupt blieb ich stehen. Still betete ich: Gott, willst du wirklich, dass ich mit ihm rede?" Das gleiche starke Gefühl, das ich am Morgen gehabt hatte, war wieder da. Schüchtern nahm ich am anderen Ende der Bank Platz und sah den Mann, dessen Gesicht in der Zeitung vergraben war, verstohlen von der Seite an. ,Darf ich Ihnen etwas sagen?", brachte ich schließlich stockend heraus. Er las weiter seine Zeitung, als hätte er nichts gehört. Mein Herz klopfte wie wild. Mein Gesicht war vor Verlegenheit ganz rot. Meine Hände waren schweißnass. ,Ich, möchte gerne mit Ihnen sprechen", wiederholte ich. Der Mann tat keinen Mucks. Offensichtlich wollte er in Ruhe gelassen werden. Ich stand auf, um zu gehen. Sofort waren die Zweifel wieder da: Was habe ich mir eigentlich eingebildet? Gottes Stimme gehört zu haben? Es war doch klar, dass kein Mann mir zuhören würde!"
Doch während ich wegging, verspürte ich wieder dieses eigenartige Gefühl. Es schien, als würde Gott sagen: "Ich möchte, dass du mit dem Mann redest." ,Okay, Gott", lenkte ich ein, ich versuche es noch einmal. Ich setzte mich wieder hin. ,Entschuldigen Sie bitte, aber Gott hat mir gesagt, dass ich mit Ihnen reden soll", platzte ich heraus. Der Mann ließ die Zeitung sinken. Seine stahlgrauen Augen wanderten prüfend über mein hochrotes Gesicht, dann huschte sein Blick über meinen dicken Bauch unter dem weiten Kleid.
Ich konnte seinen Ärger förmlich spüren. ,Was bilden Sie sich eigentlich ein?", fragte er verächtlich. Gott hat Ihnen gesagt, Sie sollen mit mir reden?“ Er räusperte sich energisch. Ich wette, Sie sind nicht einmal verheiratet!" Ich wurde immer nervöser. Was sollte ich sagen? Die Wahrheit! ,Sie haben Recht, ich bin nicht verheiratet", erwiderte ich. "Ich weiß, dass ich verkehrt gehandelt habe, aber Gott hat mir vergeben."
"Ich kann mir selbst nicht vergeben!" der Mann starrte mich mit fest zusammengepressten Lippen an. Plötzlich fingen seine Mundwinkel an zu zittern, die Augen wurden feucht. Und dann begann er zu weinen. Sein Körper wurde förmlich vom Schluchzen geschuttelt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, deshalb blieb ich einfach nur sitzen. Schließlich zog der Mann ein kariertes Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich geräuschvoll die Nase. Mit belegter Stimme sagte er: "Ich habe eine Tochter, ungefähr in Ihrem Alter. Auch sie dient Gott, so wie Sie - sie singt in einem christlichen Chor mit." ,Bestimmt sind Sie sehr stolz auf sie", erwiderte ich leise. Tiefer Schmerz trat in seine Augen. Meine Tochter wurde schwanger - während der Schulzeit. Ich habe sie dazu gedrängt, das Kind abtreiben zu lassen." "Sie hat Ihnen ganz bestimmt vergeben." Der Mann wurde starr. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich habe seitdem keine Kirche mehr betreten. Gott hat Ihnen auch vergeben", sagte ich. Aber ich kann mir selber nicht vergeben." Sein Gesicht verzog sich schmerzlich, als wollte er von neuem anfangen zu weinen. ."Sie brauchen sich nicht bis in alle Ewigkeit schuldig zu fühlen", fuhr ich fort. Der Mann sprang auf, die Zeitung rutschte von seinem Schoß in den Sand.~ Er wandte sich abrupt ab und ging rasch in Richtung Hotel davon.
Ich sprang ebenfalls auf und lief hinter ihm her. "Gott hat Ihnen vergeben", rief ich. "Bitte, glauben Sie mir!" Während ich allein am Strand entlangging, dachte ich über das Gespräch nach. Ich hatte nicht gewusst, was ich ihm sagen sollte, aber Gott wusste es. Der Mann hatte genau das, ausgesprochen, was ich befürchtet hatte. Und ich hatte mich der Situation gestellt und ihm die Wahrheit gesagt. Was war die Wahrheit? Dass ich Mist gebaut, aber Gott mir vergeben hatte! Sie brauchen sich nicht bis in alle Ewigkeit schuldig zu fühlen", hatte ich ihn getröstet. "Das gilt auch für mich!" Fast hätte ich die Worte laut hinausgeschrien. In den darauf folgenden Tagen und Wochen drang die Realität der vollkommenen göttlichen Vergebung immer tiefer in mein Herz hinein. Ich wusste, ich bin rein - nicht weil ich nie gesündigt habe, sondern weil Jesus Christus mich reingewaschen hat. "Wenn eure Sünde auch blutrot, ist, soll sie doch schneeweiß werden" (Jesaja 1,18). Zum ersten Mal seit Monaten, fühlte ich mich innerlich sauber.
Von aller Schuld befreit
Als meine Tochter geboren wurde, nannte ich sie Thalea, was auf Griechisch Knospe' heißt. Thalea war die Freude meines Lebens, obwohl ich es als Alleinerziehende oft schwer hatte. Wenn ich sah, wie junge Ehepaare mit ihren Kindern spielten, wollte mir manchmal fast das Herz brechen. Obwohl Gott mir meine Sünde vergeben hatte, fühlte ich mich nicht würdig für eine Ehe. Thalea wird nie die Freude haben, zwei Elternteile zu besitzen", glaubte ich. Aber Gott hatte einen besseren Plan. Er ,führte mich mit einem Mann zusammen, der mein Ehemann und Thaleas Vater werden wollte. Einige Leute waren der Ansicht, ich dürfe wegen meiner Sünde nicht in Weiß vor den Traualtar treten. Das wäre ein schlechtes Vorbild für die jungen Mädchen in der Gemein,de. Früher hätte ich ihnen ohne weiteres beigepflichtet.
Der 10. März 1990 kam, und während die Orgel spielte und meine Familie und Freunde zuschauten, schwebte ich im , langen weißen Brautkleid den Mittelgang der Kirche hinunter. Schließlich war dies kein Tag, an dem ich mich mit den Fehlern meiner Vergangenheit befassen musste, sondern ein Tag, um die Gnade Gottes in meinem Leben zu feiern. Ich war so sauber, so rein wie eine 'Braut, nur sein kann - nicht weil ich nie gesündigt hatte, sondern, weil Jesus Christus mich reingewaschen und mich schneeweiß" gemacht hatte.
Helen Lescheid bat die Geschichte von Susanne nacherzählt.