Biblische
Voraussetzungen eines verbindlichen Lebens:
Sehnsucht nach Bruderschaft
(Wilhelm Faix)
Röm 1,8-13
Paulus spricht hier von vier
Grundpfeilern bruderschaftlichen Lebens:
1. Der Dank für den Glauben der Geschwister (V. 8)
Paulus
dankt für den Glauben der Gemeinde in Rom, obwohl er sie nicht kennt.
Nicht
Misstrauen und Skepsis, ob die in Rom wohl richtig stehen, steht im
Vordergrund, sondern der Dank für den ausstrahlenden Glauben.
Diese
positive Einstellung den Glaubensgeschwistern gegenüber ist sehr entscheidend
für das Miteinanderleben. An erster Stelle steht der Dank, nicht die Klage um
den Mangel.
Danken
verbindet und baut Brücken zueinander, überwindet Vorurteile und erleichtert
die gegenseitige Annahme.
Im Danken
segnen wir den, für dessen Glauben wir danken; denn segnen heißt Gutes über den
anderen im Namen Gottes reden.
Will ich
für das Leben des anderen danken, muss ich zuvor über die Wirkung seines
Glaubens nachdenken (Phil 4,8.9).
Auch wir
haben viel Grund, füreinander zu danken und Gott über dem Leben und dem Dienst
des Bruders und der Schwester zu loben.
2. Das Gebet füreinander (V. 9.10a.13)
Es ist
bewegend zu sehen, wie Paulus für eine Gemeinde einsteht, die er gar nicht
kennt.
Es ist
keine gedankenlose Redensart ("Ich bete für dich", und dann vergessen
wir es doch), sondern es ist ihm ernst, wenn er, wie bei einem Schwur,
feierlich betont:
"Gott ist mein Zeuge ...
wie ich unablässig euer gedenke
allezeit bei meinen Gebeten."
Wie oft beten wir füreinander?
Ist es nicht eines der wichtigsten
Kennzeichen bruderschaftlichen Lebens, dass wir
füreinander beten?
"Unablässig, alle Zeit", also nicht ab und zu mal, wenn es
mir einfällt, sondern immer, ständig.
Das ist
verbindliches Leben: Miteinander so verbunden sein, dass man unablässig
füreinander beim Herrn eintritt. Liegt hier nicht der Dienst aller Dienste im bruderschaftlichen Miteinander? Die Entfernung spielt dabei
keine Rolle (Korinth - Rom).
Es gehört
zum Großartigsten im bruderschaftlichen Leben zu
wissen, dass die anderen unablässig für mich beten.
3. Die Sehnsucht
zueinander (V. 10b.11a)
Paulus
ist von einer tiefen Sehnsucht nach persönlicher Gemeinschaft mit der Gemeinde
in Rom ergriffen.
"Denn ich sehne mich danach,
euch zu sehen."
Welch
eine Aussage!
Diese
Sehnsucht ist kein seelisches Verlangen, sondern Ausdruck des Willens Gottes
(wörtlich: "in dem Willen Gottes
komme ...").
Gemeinsames
Leben trägt stets die Gefahr des seelischen Miteinanders und der menschlichen
Wünsche in sich. Daraus erwachen dann Enttäuschungen oder Abhängigkeiten.
Echte
Bruderschaft wird vom Willen Gottes getragen und bestimmt. Der Wille Gottes
weckt die Sehnsucht zueinander. Die Sehnsucht ist der Pulsschlag des Miteinanders.
Die
Entfernung, der Weg, die Strapazen, der Umstand, die Mühe, die Opfer und vieles
andere mehr spielen keine wesentliche Rolle mehr; denn der Weg zueinander ist
ein guter Weg (LÜ "zutragen"
ist sehr schwach übersetzt, wörtlich heißt es:
"einen guten Weg geführt
werden"), den
man gerne geht.
Die
Sehnsucht zueinander ist ein Grundzug neutestamentlicher
Gesinnung (Lk 22,15; 2.Kor 7,7; 9,14; Phil 1,8;
1.Thess 3,6; 2.Tim 1,4).
Wo diese
Sehnsucht fehlt, wird alles Gemeinsame zur Pflicht und zur Last.
Dieses
vom Geist Gottes gewirkte Sehnen bewahrt vor Lauheit und Trägheit, vor
Gleichgültigkeit und eigennützigem Denken, hilft über alle Schwachheit und
Unvollkommenheit im bruderschaftlichen Miteinander
hinweg, bewahrt vor falscher Zufriedenheit, trägt über Anfechtungen und Nöte
hinaus und treibt stets neu zueinander.
Es ist
diese Sehnsucht nach Bruderschaft, die uns zusammenführt und zusammenhält.
4. Bruderschaft wird vom gegenseitigen Geben und Empfangen getragen (V. 11b.12)
Diese
Verse gehören zu den schönsten, in denen Paulus das Wesen verbindlichen Lebens
beschreibt. Paulus führt uns ins Zentrum des geistlichen Miteinanders, wenn er
schreibt:
"...
um euch geistgewirkte Gaben (charisma pneumatikon)
mitzuteilen (metadidomi
= Anteil geben an, mitgeben; nur hier und in Röm
12,8; 1.Thess 2,8; Lk 3,11 und Eph
4,28; 1.Thess 2,8 ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig)
zu
eurer Festigung (stärichthänai aor. inf. pass. von
stärizo = stärken, stützen, festigen, fest
aufgestellt werden, aufrecht unverrückbar stehen)
oder
besser ist: ich mit euch in eurer Mitte getröstet/gestärkt/gemahnt werde (symparaklästänai;
aor. inf. pass. von symparakaleo
= mittrösten, -stärken, -wohnen)
durch
den gegenseitigen/gemeinsamen (allälois = einander, einer den anderen) Glauben,
euren und meinen."
Bruderschaft
ist von Gegenseitigkeit und vom Miteinander geprägt. Frommer Individualismus
ist fehl am Platz. Paulus versteht sich nicht als großer Apostel, dem niemand
das Wasser reichen kann, der so unmittelbar aus Gott lebt, daß
er Bruderschaft nicht mehr braucht. Aus diesen Versen spricht nicht
Bescheidenheit, sondern Wegweisung für gemeinsames Leben.
Ein Dreifaches wird uns gesagt:
Bruderschaft lebt
1. von den geistgewirkten Gaben, die
Gott jedem einzelnen gegeben hat.
Die Gaben
sollen so eingebracht werden, dass die Gemeinschaft dadurch gefestigt, gestärkt
und aufgebaut wird. Das, was Gott mir gegeben hat, gebe ich an die anderen
weiter. Dabei geht es nicht nur um geistliche Dinge, sondern um das alltägliche
Leben (vgl. 1.Thess 2,8).
Im bruderschaftlichen Leben gibt es darum keine Mitläufer, die
nichts zu geben haben. Jeder ist aktiv am Bau der Bruderschaft beteiligt.
Wenn
Paulus von geistgewirkten Gaben spricht, dann will er hervorheben, dass der
Heilige Geist die Bruderschaft baut und nicht die Fähigkeiten und Begabungen
einzelner Leute. Paulus macht uns deutlich: Wir brauchen einander zur Festigung
und Stärkung.
2. vom gegenseitigen
Trösten, Stärken, Mahnen, Helfen, Beistehen, Zurechtweisen, Durchhelfen, Hören
...
kurz:
indem man sich miteinander in seelsorgerlicher Weise dient.
Seelsorge
(symparakaleo, das vorgesetzte sym
= mit zeigt den verbindlich-bruderschaftlichen Aspekt
der Seelsorge gegenüber der allgemeinen Einzelseelsorge = parakaleo)
ist hier
die Art und Weise, wie man miteinander umgeht, füreinander einsteht und
aufeinander hört und eingeht.
Es ist
eine durch und durch positive Aussage für normales und gesundes Christenleben.
Eine verbindliche Gemeinschaft lebt von diesem seelsorgerlichen Miteinander!
Kommt die
Seelsorge zu kurz oder wird sie vernachlässigt, wird das gemeinsame Leben kühl
und kraftlos.
Solches
Miteinander braucht natürlich Zeit, ja im gewissen Sinne Muße; es lässt sich
nicht befehlen und schon gar nicht fordern; es muss wachsen und ist eine Frucht
einer geistgewirkten Bruderschaft.
Der Tod
alles bruderschaftlichen Lebens ist darum der Stress,
die Terminhetze und die vielen Dienste, die keinen Raum für dieses Miteinander
lassen.
Bruderschaft,
die nur aus Absprachen von Terminen, dienstlichen Begegnungen und formalen
Zusammenkünften besteht, verliert ihre geistliche Vollmacht.
3. vom gegenseitigen Glauben der
Geschwister
So sehr
der rettende Glaube eine persönliche Angelegenheit ist und niemand
stellvertretend für den anderen glauben kann, so sehr sollten wir beachten,
dass es einen gemeinsamen Glauben gibt:
- im
Stehen am gemeinsamen Auftrag
- im
gegenseitigen Sich-Durchglauben bei Diensten, in
Anfechtungen und Krisen
- im bruderschaftlichen Dienst füreinander
Dieses "Wir" des Glaubens gilt es
neu zu erkennen.
Dietrich Bonhoeffer sagt:
"Meine
Last tragen die anderen, ihre Kraft ist meine Kraft,
meinem
Zittern und Zagen kommt der Glaube der Kirche zu Hilfe."
(Sanctorum Communio)
Wir haben
den Blick für das gemeinsame neutestamentliche Leben
und Glauben weithin verloren und verstehen den Plural neutestamentlicher
Aussagen gewöhnlich singularisch.
Bruderschaft
kann nur im Glauben gewagt und gelebt werden, aber im gemeinsamen Glauben
gewinnt sie ihre Vollmacht und Strahlkraft.
Bruderschaft
ist ein Geschenk Gottes in Jesus Christus an seine Jüngergemeinde. Sie ist das
sichtbare Zeichen wahrer Jüngerschaft.
Bruderschaft
zeigt, dass geistliches Leben nicht nur vertikal (Gott - Mensch) ausgerichtet
ist, sondern auch horizontal (Mensch - Mensch).
Fragen
wir nach der Gestaltwerdung geistlichen Lebens, dann fragen wir nach bruderschaftlichem Leben; denn Gottes Wort und Gottes Geist
suchen die Verleiblichung und nicht die
Vergeistigung.
Der
heutige Gläubige will die biblische Wahrheit unverbindlich, individualistisch,
allgemein bekenntnishaft leben.
Paulus
aber zeigt uns hier, dass es um Gestaltwerdung und nicht um Vergeistigung des
Evangeliums geht.
Der bruderschaftlich gesinnte Mensch fragt darum nach dem
gelebten Glauben aus dem Wort Gottes:
Wie gestalten wir
- unser Miteinander in der Gemeinde
- unseren missionarischen Auftrag an der Welt
- unser Gebetsleben
- unseren Dienst
- unser Ehe- und Familienleben
- unseren Alltag
- unsere Freizeit
- usw., usw.
So
wollen wir unseren Herrn um diese Gesinnung bitten und mutig, treu und
konsequent den uns gewiesenen Weg des bruderschaftlichen
Lebens gehen.
5. Das Ziel des bruderschaftlichen
Leben (V. 13 - 15)
„damit ich unter
euch wie unter den übrigen Völkern
ein wenig Frucht
ernte. (Demut des Paulus)
Griechen und
Barbaren
Weisen und Toren (Gebildeten und
ungebildeten)
bin ich Schuldner (verpflichtet, das heilige Muss Gottes steht dahinter, Paulus hat keine andere Wahl),
so bin ich
bereit, auch euch in Rom
das Evangelium zu
verkündigen“.
Paulus hat
eine Missionsstrategie.
Verfolgen auch wir missionarische Ziele?
Entnommen aus: http://www.lza.de/materialhilfen/bibel/verbindliches_miteinander.html