Bibelarbeit zu Matthäus 9, 1 - 13 Berglen, Freitag, 27. Oktober 2000
home |
Ausarbeitung mit Hilfe der Evangeliensynopse
A. Aufbau
A.1. Es handelt sich um zwei Darstellungen
Die Heilung eines Gelähmten
Die Berufung des Matthäus
Diese Geschichte kann auch von der Chronologie in dieser Reihenfolge abgelaufen sein, denn beide Darstellungen werden gleichermaßen in Mk 2,1-17 und Lukas 5,17-32 dargestellt. Auffällig auch, daß es in drei Evangelien erzählt wird, also bei den Synoptikern.
A.2. Vergleich mit Markus und Lukas - Unterschiede (Mk 2,1-12, 13-17; Lk 5,17-26)
Vers 1:
Matthäus erwähnt nicht den Ort. Er sagt nur, es war seine Stadt. Vermutlich wohnte Jesus dort bei Verwandten des Petrus. Aus Mk wird deutlich, daß er im Haus war. Erst aus Mk wissen wir, daß es sich hier definitiv um Kapernaum handelt.
Also war Jesus auf der gegenüberliegenden Seite des Sees in Gerar und fuhr dann quer rüber nach Kapernaum. Dort kehrt er in sein Haus", vermutlich das des Petrus. Es wird schnell bekannt, daß er zuhause ist.
Vers 2:
Matthäus berichtet sehr knapp. Er erwähnt zunächst nichts von den Menge, nichts von dem, daß Jesus lehrt, er kommt gleich zum zentralen Punkt. Markus und Lukas erwähnen, daß eine große Menge sich vor dem Haus und auch innen versammelt hat. Lk lenkt das Augenmerk bewußt auf die Pharisäer, die mit Jesu Heilungswundern stets auf Kriegsfuß standen. Lt. Mk und Lk wissen wir, daß Jesus gelehrt hat. Mt und Lk erwähnen nun den Gelähmten, der lt. Lk von Männern getragen wird. Lk erwähnt, daß die Männer wegen der Menge nicht zu Jesus durchdrangen. Mt ist in der Aktion schon mitten drin. Er sieht ihren Glauben.
Mt geht es augenscheinlich nicht um Details im Nebengeschehen. Er geht zielgerichtet auf den Skopus zu. Mk sind hier Einzelheiten wichtig. Er malt ein Bild von der Umgebung. Lk schafft Spannung durch die Hervorhebung der Pharisäer.
Vers 3:
Alle drei sind sich einig, daß die Träger und der Gelähmte Glauben hatten. Jesus konnte diesen Glauben sehen", wohl durch ihren Tatbeweis? Glauben sichtbar durch die Tat der Barmherzigkeit?
Am wärmsten spricht hier nun der eher knappe Mt. Er sagt allein: Sei getrost!" Mk und Mt sagen noch mein Sohn", während Lk nur noch von Mensch" spricht. Die Aussage: deine Sünden sind dir vergeben, sind bei allen dreien gleich.
Dann wird Mt wieder knapp. Spätestens hier erfahren wir bei Mt von den Pharisäern. Lt Mk und Lk wissen wir, daß zuerst die gleichen Gedanken, dann das Reden untereinander folgt. Von Mk und Lk wissen wir, das lt. Mt denn so lästerlich sein soll. Nämlich die Vergebung der Sünden, die nur Gott vorbehalten ist.
Mt geht es weitrhin nicht um bestimmte Details. Die Zahl und das Geschlecht der Träger sind ihm nicht wichtig, die Akteure insgesamt nicht. Er sitzt wie Maria direkt vor Jesus und sieht nur ihn. Ihm legt er die meisten Worte in den Mund. Seine Liebe, sein Handeln und seine Gedanken stehen im Mittelpunkt bei Mt. Seine Souveränität. Er erwähnt noch nicht einmal die genaue Sachlage, warum die Theologen sich so über Jesu Worte aufregen.
Vers 4:
Mt ist der einzige, der hier die Dualität schafft: er sieht den Glauben, er sieht die bösen Gedanken in den Herzen der Theologen. Bei Mk wirkt es wie ein Ringen, zu beschreiben, wie Jesu Reaktion auf Unausgesprochenes zu definieren sei. Lukas spricht von merken", Mk vom erkennen im Geist". Wohlgemerkt ist nicht vom Lesen der Gedanken die Rede. Auch bezieht sich alles auf den ersten Vorgang, als sie bei sich dachten!" Das Getuschel bleibt unerwähnt. Auch hier ist Mt bei der direkten Rede am ausführlichsten: er fügt hinzu Böses"! Im Herzen, im Zentrum des Menschseins. In allen drei Fällen aber macht Jesus eines: Confessio: Bekenne. Sage öffentlich. Oder doch nicht. Hier geschieht die Souveränität Jesu: Er vermag Gedanken zu studieren. Er fühlt, sieht, merkt sie wie gegenständliche Dinge. Die böse Natur dieser Gedanken erweckt seinen Widerstand. Doch in allen drei Fällen will Jesus die Theologen nicht öffentlich blamieren. Er geht in seiner Rede weiter und gibt darin die passende Antwort.
Vers 5:
Mk und Lk sind identisch. Nur Mk sieht die Notwendigkeit, Adressat und das Bett zu erwähnen. Für Mt - so wie wir ihn nun kennen - unwichtig. Wichtig ist das Wortspiel. Denn einen Gelähmten zu heilen untersteht Gottes Souveränität und ist lt. Jesaja ein begleitender Aspekt des Messias. Hinzu kommt, daß ein Geheilter sich den Priestern zeigen soll. Jesus vollzieht alles genau nach dem AT - denn durch die Anwesenheit der Geistlichen ist auch das gegeben. Bei allen Synoptikern scheint die Zuschauermenge zu verschwimmen. Auch die vier Träger, der Gelähmte. Im Blickfeld ist Jesus, der die Theologen nicht zu Wort kommen läßt, sich nicht auf Diskussionen einläßt, sondern der Fakten bringt, die tiefer, theologischer nicht sein können. Denn, so gewinnt man den Eindruck, die Theologen glauben offenbar und untyperscherweise nur das, was sie sehen können. Interessant ist die Diskrepanz zwischen dem Sehen von Jesus.
Nun kommt der entscheidende Punkt. Der Skopus. Es geht um den Beweis der Messianität Jesu. Seine Heilung ist eine theologische Beweisführung.
Vers 6:
Hier sind sich alle Synoptiker einig. Die Befehlstrias ist in ihren Einzelheiten sogar Matthäus wichtig, nur daß er interessanterweise das Wort ich sage dir...", wegläßt. Für Mt untypisch. Vielleicht will er den dreimaligen Imperativ hervorheben: Steh auf (der zuvor gelähmt) - nimm dein Bett (der zuvor getragen wurde)- geh heim (der zuvor gebracht wurde).
Das Wunder geschieht sofort.
Vers 7:
Hier wird Mt wie gewohnt sehr knapp. Mk und Lk ist es wichtig, aufzuzeigen, daß der Gelähmte die Trias der Befehle umsetzt und erwähnen, daß er Gott preist. Das ist Glaube. Er erkennt Gottes Handeln. Mk und Lk erwähnen, daß es vor aller Augen geschah. Lt. altt..Sitte müssen mindestens zwei Zeugen die Sache bestätigen. Hier sind viel mehr. Auch hier bewegt sich Jesus ganz inmitten des Gesetzes. Das Wunder: er löst Gotteslob aus. Wo kann er da Gott lästern?
Nun folgt das dritte sehen"
Vers 8:
Interessant: die Pharisäer werden nicht mehr erwähnt. Ob sie mit Gott gepriesen haben? Es bleiben Fragen offen: sie loben und preisen Gott. Sie preisen ihn, daß ER solche Vollmacht (Mt) einem Menschen" gegeben hat.
Vergessen scheint der Zusammenhang von Sündenvergebung" und Heilung". Was wir
von Kapernaum wissen, kann es sein, daß diese Menschen zwar Gott preisen, aber
in Jesus den Messias nicht sehen. Die einzigen bleiben die vier Träger, die von
Jesus solch große Taten erwarten.
Matthäus 9, 9 - 13
Vers 9:
Hier haben wir sie wieder. Die knappe Konzentriertheit bei Matthäus. Mk und Lk erwähnen mehr Einzelheiten prosaischer Art. Offenbar ist Jesus nach diesem Geschehen ans Ufer und hat dort die Menschen gelehrt. Dann ging er von dort weg und traf am Zoll den Juden Levi. Nur Mt nennt hier seinen zweiten Namen. Die Parallelität sticht ins Auge. In beiden Erzählungen - bei einem Gelähmten und bei einem Gesunden - heißt es: Steh auf. Doch beim ersten: geh heim. Beim zweiten: folge mir nach. Beim ersten: er pries Gott. Beim zweiten: er verließ alles (um Jesu willen).
Vers 10:
Wie gut, daß wir Lukas haben. Spätestens hier wissen wir, daß es sich hier um das Haus des Zöllnerns Levi handelt. Alle berichten nun einhellig über Personen, die Mt nur gestreift hätte.. Hier sind sie ihm wichtig. Jesus ist der Freund der Sünder, aber nicht der Sünde.
Vers 11:
Hier ist wieder die Parallelität. Wieder sind es die Theologen, die murren. Nur diesmal etwas offener. Sie haben allerdings nicht den Mut, ihre Kritik offen an Jesus zu richten. Hier liegt der Skopus: Jesus verkehrt mit den Sündern. Sie bewirten ihn. Sie folgen ihm nach.
Wieder geht es um die Frage der Sünde. Jesus will retten, bewahren. Und die Sünder danken es ihm. Doch bevor die Jünger eine Antwort geben, ist es wieder Jesus, der die Antwort gibt und immer wieder deutlich macht: Glaube, Liebe Hoffnung müssen durch Worte und Taten vollzogen werden.
Vers 12:
Hier ist Matthäus in der direkten Rede wieder ausführlicher. Als Einziger erwähnt er das Hosea Zitat. Das ist wichtig, denn Mission ohne Barmherzigkeit ist keine Mission. Den Sünder zum Glauben zu rufen, hat immer auch etwas damit zu tun, den ganzen Menschen zu sehen, ihn wahrzunehmen in Wort und Tat.
In beiden Darstellungen geht es um das Wecken von Glauben. Und zwar zum
Glauben an den Messias JesusChristus, dessen große Mission es ist, den Menschen
von seiner Sünde zu retten, insbesondere die Kinder aus dem Hause Israel. In
beiden Darstellungen werden Pharisäer und Schriftgelehrte als Antagonisten
dargestellt. Aber sie haben darin ihre berechtigte Position, weil der Leser
vielleicht ähnliche Empfindungen hat und nun durch die Reaktion, die Worte, die
Handlungsweise Jesu tieferen Einblick bekommt in dem, wer Jesus ist, was sein
Mission ist und von mir erwartet wird.