Bibelarbeit über Matthäus 8, 1 - 13, gehalten in Steinach und
Kottweil am 22.10.2000
A. Die Heilung des Aussätzigen
A.1: Text:
Als er aber vom Berge herabging, folgte ihm eine große Menge. Und siehe, ein Aussätziger kam heran und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen.
Und Jesus streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will`s tun, sei rein. Und sogleich wurde er von seinem Aussatz rein.
Und Jesus sprach zu ihm.: Sieh zu, sage es niemandem, sondern geh hin und zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Mose befohlen hat, ihnen zum Zeugnis.
A.2. Ersterfassung (POZEK-Schlüssel)
Personen: Jesus, die Menge und die Jünger, ein Aussätziger.
Ort: Jesus hat die Bergpredigt beendet in Galiläa. Vielleicht stieg er vom Berg der Seligpreisungen herab.
Zeit: Beginn des Wirkens Jesu
Ereignisse:
Jesus steigt vom Berg herunter, gefolgt von einer großen Menge (Bergpredigt)
Plötzlich fällt ein Aussätziger vor Jesus und bittet um Heilung
Jesus heilt ihn und gibt ihm den Auftrag, nach dem mosaischen Gesetz sich den Priester zu zeigen.
Kernaussage: Für mich noch nicht ganz ersichtlich
A3. Vergleich mit Parallelstellen:
Markus 1,40ff: Hier wird betont, daß Jesus dem Gesundgewordenen droht, er solle seine Heilung nicht veröffentlichen, sondern sich den Priestern zeigen, ihnen zum Zeugnis!" Er aber posaunte es überall herum, so daß Jesus in keine Stadt mehr gehen konnte. Er verbrachte seine Zeit an einsamen Orten, aber selbst da kamen die Menschen in Scharen.
Lukas 5, 12-16: Hier wird zusätzlich erwähnt, daß Jesus sich in die Wüste zurückzog, um zu beten!
Zweiter Versuch einer Kernaussage: Mir wird gewahr, daß Jesus es jammerte, er hat großes Mitleid mit den kranken Menschen. Aber er wußte um die Gefahr, daß sie nur zu ihm kamen um der Gesundung willen und dies dann im Vordergrund stünde. Auch er wollte sich nicht als Wunderheiler in den Mittelpunkt stellen, sondern den rettenden Glauben an ihn und sein bevorstehendes Werk verkünden. Er wollte den Priester zeigen, daß er ganz im Willen Gottes handelt und zog sich evtl. zur Beratung mit seinem Vater zurück.
B. eines Kommentars: Adolf Schlatter: Der Evangelist Matthäus, Calwer Verlag S.266 ff. Titel: Der gebende Christus
Jesus hat in seiner Bergpredigt unbedingt deutlich gemacht, daß wir aus dem Zentrum der Gegenwart Gottes leben sollen. Reich und bebildert hat Jesus geschildert, daß ein vollkommenes Leben mit Gott Freiheit und wirkliches Leben bedeutet. Christus in uns und wir in Christus - das sind die entscheidenden Leitlinien.
Der Herr Jesus Christus erweist sich in der Bergpredigt als der Prophet, der zum entschlossenen Gehorsam gegenüber Gottes Gebote aufruft. Nun erweist sich der Herr anschließend als der Heiland, der unsere Grenzen, Nöte und Schwächen kennt. In den folgenden Kapiteln schützt er die Seinen vor tödlichen Stürmen, er beendet die Einsamkeit der aus der Gesellschaft Ausgeschlossenen, auch dem Tod stellt er sich mächtig in den Weg, er verweist dämonische Kräfte und Mächte in ihre Schranken, keine Krankheit kann vor seinen Worten bestehen. Jesus bewirkt Wunder. Die Wunder bewirken Glauben, aber manchmal wie bei den Hirten von Gerar, genau das Gegenteil. Sie meinen, Jesus handle in der Vollmacht der Finsternis.
Jesus möchte durch die Wunder nur eines: Glauben wecken! Darum ist es ihm wichtig, daß die Priester sehen und beurteilen. Denn heilen kann nur Gott. Und geheilt werden von einer Krankheit heißt im Glauben des Volkes für den Erkrankten, wieder von Gott angenommen zu sein.
Matthäus möchte anhand seiner Beispiele zeigen, was Glauben heißt. Sei es am Aussätzigen, am Hauptmann von Kapernauum, an der blutflüssigen Frau, an den Trägern des Gelähmten etc., überall wird gezeigt, daß der Glaube die Wurzel allen göttlichen Empfangens ist.
Nocheinmal muß erwähnt werden, daß die Krankheit Ausdruck davon ist, daß Gott den Notleidenden zürnt. Weil er eine Sünde begangen hat oder daran festhält, vergebe Gott nicht und sucht den Menschen mit Krankheit und Tod auf. Jesus durchbricht dieses Denken und Schmähen. Der Kranke scheint in der Liebe und Vollmacht Jesu zu ahnen: diesen Rabbiner darf er bitten, fragen, glauben.
Inwiefern wird jetzt aber Glaube in diesem Ereignis demonstriert? Der Glaube erscheint hier nicht als eine gar eigene Kraft, die wie ein Zauberer und Scharlatan etwas vom Geber abringen könnte. Der Wille, etwas zu tun, bleibt bei Jesus. Jesus steht über dem Bittenden und über jeden Willen. Von seiten des Glaubenden ist aber der Glaube trotzdem eine Art Gewißheit. Eine Gewißheit, ohne schwankenden Zweifel, obwohl der Leidende noch nichts empfangen hat. Was heißt nun Glaube?
Glaube heißt hier, daß der Leidtragende zu Jesus geht!
Glaube heißt hier, daß der Leidtragende alle Hoffnungen auf Jesus setzt allein!
Glaube heißt hier, daß der Leidtragende Jesus bittet und die Erhörung ihm überläßt!
Der Glaube ist untrennbar in jeder Beziehung mit der Person Jesu verbunden.
Jesus Christus spricht ein Wort: thelo! Ich will! Das ist das göttliche, schaffende Urwort, indem all unsere Erlösung verborgen liegt. Wir müssen den Herrn Jesus loben, immer wieder, weil er aus freien Stücken gesagt hat: thelo. Ich will.
In dem griechischen Ausdruck für Heilung, das hier gebraucht wird, steckt das Wort khatarsis. Reinigung, rein sein/werden. Es klingt in diesen Worten immer das große Reinwerden an von Schuld und Sünde.
Im ersten der drei Momente in dieser Erzählung steht die Begegnung Jesu mit
dem Leidtragenden, der an ihn glaubt. Im zweiten Moment steht die Befreiung
durch Jesus im Vordergrund. Im dritten Moment das Ringen Jesu um die geistlichen
Führer Israels. Jesus will nicht, daß der Geheilte für ihn spräche. Die Tat soll
Zeugnis geben von Jesu Person und Vollmacht. Nocheinmal: niemand kann den Zorn
Gottes aufheben, so der Volksglaube, der über einen Kranken ausgebrochen ist.
Wenn nun der Kranke durch die Hand Jesu gesund geworden ist, dann ist die
Konsequenz ungeheuerlich. Dann wirkt Gott selbst durch diesen Jesus aus Nazareth
und schenkt dem Leidenden seine Vergebung. Dieses konnten die Priester nicht so
schnell schlucken. Eine ganze Denkstruktur mußte reformiert werden. Darum will
Jesus, daß die Tat/Zeugnis für ihn spräche.
C. Der Hauptmann von Kapernaum ( 5-13)
C.1. Text siehe Luthertext
C.2. Ersterfassung (Pozek-Schlüssel)
Personen:
Jesus; Hauptmann von Kapernaum und sein Knecht, die Umstehenden
Ort:
Kapernaum
Zeit:
Siehe die Verse zuvor
Ereignisse:
Jesus kommt nach Kapernaum. Ein römischer Hauptmann kommt ihm entgegen und bittet stellvertretend und bittet um seinen Knecht. Jesus erklärt sich bereit, mit dem Hauptmann zu gehen und seinen Knecht zu heilen. Der Hauptmann wehrt ab mit der Begründung seiner Niedrigkeit gegenüber Jesus. Der Hauptmann glaubt an Jesus Christus. Jesus lobt seinen Glauben als einzigartig in Israel. Jesus stößt auch eine Warnung aus, daß viele berufen waren, aber wenige dabei sein werden im ewigen Reich Gottes. Jesus gibt dem Hauptmann Anweisung, nach Hause zu kehren. Sein Knecht wurde in dem Moment sofort gesund.
Kernaussage:
Darstellung dessen, was Glaube bedeutet.
Die Parallelen zum ersten Geschehen sind eindeutig. In beiden Fällen tritt Jesus in ein Geschehen hinein:
Als er aber vom Berge herabging / als aber Jesus nach Kapernaum hineinging.
In beiden Fällen tritt ihm ein Mensch mit Glauben und Bitte entgegen:
Ein Aussätziger kam heran und fiel vor ihm nieder / ein Hauptmann trat vor ihn
In beiden Fällen war es ein Mann aus der Randgesellschaft
Ein Aussätziger / ein römischer Soldat
In beiden Fällen wird eine Bitte geäußert:
Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen / sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.
In beiden Fällen sagt Jesus: ich will!
Ich will`s tun / ich will kommen und ihn gesund machen.
In beiden Fällen wird Jesus die Macht zugesprochen, heilen zu können:
Kannst du mich reinigen / geht hin, so geht er.
Jesus kann der Krankheit wie einem Untergebenen befehlen. Und sie muß weichen.
In beiden Fällen wird der Betroffene gesund:
Und sogleich wurde er rein / sein Knecht wurde gesund zur selben Stunde.
Beim Hauptmann wird aber eine Steigerung sichtbar:
Der Hauptmann bittet nicht für sich, sondern für seinen Untergebenen! Glaube, der mitleidet und Fürbitte tut. Wie werden das noch an den vier Trägern beim Gichtbrichigen erleben.
D. Zuhilfenahme eines Kommentars: Adolf Schlatter: Der Evangelist Matthäus, Calwer Verlag S.274 ff. Titel: Der gebende Christus
Ein Jude ist in der Regel nicht in das Haus eines Heiden eingekehrt. Umso verwunderlicher, daß Jesus in aller Öffentlichkeit dazu bereit ist. Vermutlich dachte der Offizier, daß Jesus an diese jüdische Sitte gebunden sei und er will ihn nicht verführen. Aber Jesus wäre bereit gewesen. Vielmehr aber spürt der Offizier, der Schlachten geschlagen und körperlich gestählt in Jesus, diesen Mann ohne Waffen, den Stärkeren. Der Cäsar geht nicht ins Zelt des gemeinen Soldaten. Befiehl, und es wird geschehen. Eine Situation zwischen dem Offizier und Jesus, der den Kaiser in Rom Kopf stehen lassen würde.
Wir müssen uns diesen Glauben noch einmal näher anschauen. Schlatter sagt zurecht, daß der Glaube auch mit meinem thelo, ich will, sehr viel zu tun hat. Wenn der Glaube ein rein intellektueller Akt, dann würde man den Glauben rational unterscheiden zwischen richtig und falsch. Hier wird aber nicht in dieser Weise unterschieden. Jesus spricht vom großen und kleinen Glauben. Der Glaube ist umso größer, je mehr Hindernisse er überwindet, um zu Jesus vorzudringen. Der Hauptmann überwindet die Differenz zwischen Rom und Israel, Heide und Jude, Hoheit und Niedrigkeit. Er will zu Jesus und gibt seine Ehre, sein Ansehen - alles preis - um zu Jesus vorzudringen. Und das, obwohl er selbst nichts zu verlieren hat. Ihn treibt das Mitleid und die Liebe zu seinem Knecht.
Glaube heißt, ich will zu Jesus und gebe dafür alles her.
Die Israeliten dachten, daß über die Grenze der Söhne Abrahams, Jakobs und
Isaaks das zukünftige Heil Gottes nicht gehen würde. Hier macht Jesus deutlich,
daß diese Grenzen gesprengt werden und es ein Volk Gottes geben wird, Heiden-
und Judenchristen, die allesamt Gott zum Vater haben. Auch
verweist Jesus deutlich darauf, daß der Glaube an ihn retten wird. Der Glaube
allein. Glaube aber heißt, ihn als Herrn anerkennen und mit ihm leben. Amen.