Bibelarbeit über Matthäus 7, 1 - 14, gedacht für die Brüderstunde als Arbeitsgrundlage
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Berglen, den Samstag, 30. September
2000
Titel: Die Rüstung der Jünger für ihren Kampf (Schlatter) oder
Warnung vor falschem Richten" (G.Maier)
Erster Abschnitt: die Verse 1-6
Vers 1:
Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!
G.Maier fragt zu Beginn seines Kommentars zurecht: Was ist mit diesem Richten (im griech. Chrinai) gemeint?. Es könnte der Gedanke aufkommen, niemand solle sich ein Urteil bilden über andere Personen oder Dinge. Niemand solle irgendwen oder irgendwas beurteilen. Aber: Hat nicht gerade Jesus das immer getan? Hat Jesus nicht immer geurteilt und erinnern wir uns nicht an Aussagen wie hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer!"? Ist in diesem Satz nicht doch ein Gedanke des Urteils mit dabei? Und hat nicht auch Paulus über die Heiden geurteilt, wenn er ihnen allerlei Titel verlieh wie Knabenschänder, Saufbolde etc. Oder denken wir daran, wie Paulus dem Spruch eine Teilwahrheit anerkannte, wenn man die Kreter Lügner und faule Bäuche nannte! Wie, um auf die Frage G.Maiers zurück zu kommen, ist nun das griech. Verb chrinai - richten zu verstehen?
Adolf Schlatter, der berühmte Neutestamentler aus St.Gallen weist darauf hin, daß das Sehen und Denken, und das daraus hervorgehende Beurteilen im Lichte Gottes nicht verboten sei. Im Gegenteil: Wir hören Paulus sprechen in 1Thess 5,19: Prüfet alles, das Gute behaltet. Es geht Jesus also nicht um ein Beurteilen, nicht um ein Benennen von Fakten, wie das auch die Propheten getan haben. Es geht beim Richten um die Tätigkeit, die ein Richter kraft seines Amtes auch wirklich ausübt. Es geht um letztentscheidende Aussagen, es geht um Lohn oder Strafe. Beim Richter geht das Richten über das gesprochene Wort hinaus. Er handelt. Er ist aufgrund seines Berufes und innerhalb seines Rahmens dazu legitimiert. Aber der Christ hat dieses Recht nicht. Diese Form obliegt allein bei Gott. Nur Gott darf richtend reden und zugleich danach handeln.
Denn wenn ein Mensch einen anderen auf welche Art auch immer bestraft, weil er Sünder Gottes Gebote nicht hält, dann setzt das voraus, daß der Richtende selbst frei ist von Schuld (vgl. Joh 8 - die Ehebrecherin). Wenn solch ein Mensch richtet, müßte er - der Gerechtigkeit Genüge tuend - sich selbst bestrafen. Wo nicht, vergreift er sich an der göttlichen Autorität. Das führt aber dazu, daß er von höherer Stelle sein Urteil empfängt.
Dieses Chrinai setzt aber das geistliche Prüfen" zum Beispiel der Geister oder der Irrlehre nicht aus!
Schlatter: Er, der Jünger, selbst steht durch seinen Anschluß an Jesus nicht mehr unter dem Gericht; er bewahrt aber das Empfangene nur dadurch, daß er selbst vergibt!" (Schlatter; Exeg. Kommentar zum Matth.Ev., Calwer Verlag , S. 240u.)
Vers 2:
Denn ihr werdet mit dem Gericht gerichtet werden, mit dem ihr richtet, und euch wird mit dem Maß gemessen werden, mit dem ihr meßt.
Dieser Satz wiegt sehr schwer, ist aber notvoll und wichtig. Es setzt jeglicher Leichtfertigkeit und geistlicher Überheblichkeit einen Riegel vor. Wir bekommen ja schon durch die Kindertaufe zugesagt, daß wir Gerettete sind. Der Pietismus verweist zurecht auf die Entscheidung für Jesus. Aber selbst dann, wenn ich um meine Bekehrung weiß, schleicht sich ein fatales Sicherheitsdenken ein. Ich bin ein freies Kind Gottes, das Gericht ficht mich nicht mehr an, ich lebe aus der Gnade.
Wie schnell und oft nur schwer zu ergründen sprudelt in unseren Seitenkanälen des Lebens eine Quelle der Sünde und Schuld. Wie leichtfertig lebt man nach einigen Pflichtübungen nach seiner eigenen Vorstellung und fragt im Grunde nicht mehr nach Gottes Willen. Wie leichtfertig haben wir für vieles eine erbauliche Erklärung. Und dieses Ruhekissen ist oft die Startrampe der Überheblichkeit. Der Beginn, des Richtens über die Sünde oder den fehlenden Glauben anderer Mitmenschen. Richtet nicht, sprecht nicht letzte Urteile aus - denn gleichermaßen werdet ihr einmal behandelt werden.
Wie gehen wir aber nun damit um? Jesus will mit seinen Worten erreichen, daß wir unseren Blick endgültig auf Gott auf uns selber richten. Auf Gott, weil von ihm alles Gute fließt, auf uns selbst, damit wir erkennen, daß wir Sünder sind. Gottes Geist will uns einen tiefen Einblick in unsere eigene Sündhaftigkeit geben. Nicht, um uns zu deprimieren, sondern um uns die Erlösungstat Christi vor Augen zu führen, die allen Menschen gilt.
Jesus will nicht, daß wir über die Sünde anderer Mitmenschen einen Richtspruch austragen, sondern daß wir das Böse mit Gutem überwinden. Das liebevolle Ermahnen, die ständige Fürbitte, das Begleiten sind die rechten Waffen.
Wichtig: die Sünde eines Christen ist nicht seine Privatsache. Die Mitchristen mögen in freundlicher und liebevoller Weise demjenigen helfen, den Weg Christi wieder gehen zu können. Aber das Urteil auszusprechen, daß dieser Mensch aufgrund seines Vergehens von Gott verworfen ist, ist ein Griff nach Gottes Autorität.
Verse 3 - 6:
Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken aber in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie sagst du zu deinem Bruder: Laß! Ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen - und siehe, in deinem Auge ist der Balken? Heuchler (griech.auch Schauspieler"), zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann sieh zu, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehst!
Gebet das Heilige nicht den Hunden! Und werft eure Perlen nicht vor die Schweine, damit sie sie nicht mit ihren Füßen zertrampeln und kehrtmachen und euch zerreißen.
Der Splitter im Auge des anderen ist ja etwas, was das Auge des Betroffenen verletzt. Hilfeleistung ist doch hier oberste Pflicht! Der Akt des Rausziehens eines kleinen, feinen Splitters ist also ein Akt der Barmherzigkeit. Wie kann aber einer so eine filigrane Arbeit tun, wenn seine eigenen Augen das berühmte Brett vor dem Kopf" haben? Jesus bringt also zum Ausdruck, daß ein Blinder versucht, bei einem halbwegs Sehenden eine Augenoperation durchzuführen. Was passieren wird, kann man sich denken. Was will nun Jesus zum Ausdruck bringen?
Es ist nicht verwerflich, daß ich einem Menschen helfen soll, eine Sünde zu unterlassen. Was Jesus verurteilt, ist die Haltung", man sei selber fehlerlos. Wer von sich denkt - und dabei auch wirklich ehrlich ist - er sei geistlich ja doch ein toller Hecht und meint, er müsse anderen auf den rechten Weg" helfen, spielt ein gefährliches Spiel. Jesus möchte, daß ich mich immer als einen Menschen begreife, der vor Gott schuldig wird und ganz aus der Vergebung heraus lebt. Ein Mensch spürt in der Regel sehr klar, aus welcher Haltung heraus der andere ihm helfen will. Nicht die Überheblichkeit oder Selbstsicherheit, sondern die Liebe zum Nächsten und der Wunsch, ihn ins Licht Gottes zu stellen, sind die Triebfeder des richtigen Helfens im geistlichen Umfeld.
Ich glaube, daß gerade der Pietismus sehr viel Weisheit und Liebe sich von Gott erbitten muß. Denn das kirchliche Umfeld verleitet oft zum Richten. Aussagen wie: Der Pfarrer ist nicht gläubig!" oder Die Kirche ist dem Untergang geweiht!" oder oder oder brauchen wir nicht zu sagen. Es ist Gottes Sache. Unsere Sache ist es, freundlich, klar und sicher auch deutlich zu helfen, daß das Evangelium verkündigt wird. Wo nicht, erbitten wir von Gott Weisheit, was zu tun ist.
Verse 7 - 12 (siehe Luthertext)
Und nun verweist Jesus auf die Art und Weise, wie der himmlische Vater mit uns umzugehen pflegt. Wer tiefen Umgang mit Gott pflegt, weiß, wie freundlich und liebevoll der himmlische Vater ist. Ein Gott, der seinen Kindern gerne gibt, wenn sie ihn bitten. Ein Gott, der gerne vergibt, wenn wir mit unseren Sünden zu ihm kommen. Ein Gott, der richten kann und darf, aber nicht primär richten will, sondern vielmehr das Gute und Schöne bewirken will. Ein Gott, der mich schlichtweg sehr liebt. Diese Liebe Gottes ist Vorbild und Basis für den Umgang auch miteinander. So wie Gott hilft, hört, das Beste sucht - so auch wir bei unseren Mitchristen.
Das Wort Jesu, wir sollen alle so handeln, wie wir es für uns selbst wünschen
würden, ist ein sehr aktiver, mutmachender Vers. Er ist nicht vergleichbar mit
dem Sprichwort: Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg auch keinem andern
zu. Denn letzteres Wort bezieht sich auf Handlungen, die man unterlassen soll.
Jesus aber sagt: umsonst hast du Gottes Vergebung, Errettung, Liebe und Gaben
empfangen. Umsonst gib es weiter an deine Mitmenschen. Das, was ich mir für mich
als Behandlungsweise wünschen würde, das soll der Maßstab sein im Umgang mit
meinem Nächsten. Dabei stets in Erinnerung behaltend, daß ein Christ ein Bettler
vor Gott ist, wenn auch tief geliebt.
Verse 13-14:
Die letzte Verse dieses Abschnittes machen zusammenfassend deutlich, daß es im Christenleben um Konzentration für das Wesentliche und oft genug auch um Kampf geht.
Wir erinnern uns, daß in vielen altertümlichen Städte, daß es ein breites Tor gab, durch das der Hauptverkehr floss und ein kleines Tor oder Törchen, das nur von Wenigen benutzt wurde. Neben der breiten Masse wird nun die kleine Schar der Jünger gestellt. Die Masse ist das Bild für das, was alle tun!" Was üblich ist, die geschlossene Mehrheit", das allgemeine Urteil. Man braucht nicht Christ zu sein, um zu wissen, wie schwer, wie erniedrigend und beschwerlich es sein kann, zu einer Minderheit zu gehören. Im alten Israel kam erschwerend hinzu, daß die Masse eine fromme Menge war. Die meisten hatten das Kommen des Messias als Wunsch vor Augen. Es gab eine mächtige, religiöse Führungsschicht, die ebenfalls durch das breite Tor ging. Das Jesus nun ausgerechnet den frommen Juden vor Augen stellt, daß diese stolze Volk sich in trügerischer Selbstsicherheit wiegt, und daß nur ein kleiner Personenkreis den Messias findet, ist hoch brisant. Jünger Jesu zu sein hieß damals zu Jesu Zeiten eben auch, aus der schützenden Volks-und Glaubensgemeinschaft einen separaten Weg zu gehen. Denn die Mehrheit geht auch mit frommen Wimpeln in den Tod. Aber es geht um das ewige Leben. Dafür darf kein Opfer zu groß sein. Wer Jesus nicht hat, der hat das Leben nicht. Die Tür aber ist Jesus selbst (Joh 10,9!). Die Tür und der schmale Weg sind also keine Fragen, ob ich dieses oder jenes lassen muß, sondern alles entscheidet sich an der Frage: Lebe ich mit Jesus?