Bibelarbeit über Matthäus 12


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A: Verse 1-14: Jesus und der Sabbath

B: Verse 15-21: Der Gottesknecht

C: Verse 22-30: Jesu Macht über die bösen Geister

D: Verse 31-32: Die Sünde gegen den Heiligen Geist

E: Verse 33-37: Vom Baum und seinen Früchten

F: Verse 38-42: Die Zeichenforderung der Pharisäer G: Verse 43-45: Von der Rückkehr des bösen Geistes

E: Verse 46-50: Jesu wahre Verwandte

Ein Wort zuvor:

Jesus hat geweint, gelobt, gemahnt und eingeladen. Zielgruppe war das Volk. Die Menschen, die sich selbst für fromm und gerecht hielten, die womöglich sich haben taufen lassen und ein besseres Leben wollten. Diese Menschenmenge wußte nun nicht mehr, warum sie eigentlich zu Johannes gegangen war. Jesus hat sich in Kapitel 10 an die Jünger gerichtet. Danach an das Volk. Nun geht Jesus noch einen Schritt weiter. Er richtet sich an die, die das tonnenschwere Joch berufsmäßig den Menschen auferlegen. Er wendet sich an die, die sich berufsmäßig mit Gottes Wort beschäftigten, sich weise dünkten und dabei alles taten, um die Tür zum Heiland zu verbarrikadieren. Jesus, der Herr, lehrt nun seine Jünger ganz praktisch, worin der Unterschied zwischen diesen und ihm liegt.

Zu A: Verse 1-14: Jesus und der Sabbath

A.1. Die Verse 1-7:

Der Mensch steht nicht unter dem Gesetz. Das wird deutlich, daß der Herr den Jüngern erlaubt, einem natürlichen Empfinden, nämlich Hunger, auch am Sabbath nach zu gehen. Im Kornfeld eines anderen Ähren auszuraufen, war nach altt. Gesetz völlig legitim (5Mo 23,26). Doch die Pharisäer legten auf diese Tätigkeit ihren "Bann!"Am Sabbath durfte man keine Ernte einfahren noch eine Mahlzeit zubereiten. Daß Gott erlaubt, im Weinberg Trauben zu essen oder Körner zu raufen und solange zu essen, bis man satt sei, hat der Pharisäer eigenhändig verschärft und das Gebot "unmenschlich" gemacht.

Im übrigen erleben wir, daß die Jünger "Hunger" hatten und menschlich gesehen dem Abhilfe leisteten. Jesus mutet seinen Jüngern also durchaus zu, daß es Zeiten gab, wo die Verpflegung auf sich warten ließ. Aber er schützt seine Jünger definitiv, wenn es darum geht, daß ihnen ein pharisäisches Joch auferlegt werden solle. Und doch, die Jünger durften Ähren raufen. Aber lt. 2Mose 20,10 - je nach Auffassung - nicht am Sabbath. Da sollte man gar keine Arbeit tun. Ein Bruch des Gesetzes, den Jesus hier sogar verteidigt? Haben die Pharisäer ihn in flagranti erwischt? Es kommt noch härter. Jesus zitiert den großen König Israels David (vgl 1Samuel 21, 1-6). Er führt ihn als einen Mann auf, der im Zuge des Hungers sogar die Schaubrote gegessen hat. Das ist nach Auffassung des Gesetzes Sünde. Mag man es drehen und wenden, wie man will. Auch die Not berechtigt nicht zum Sündigen. Dieser Auffassung ist Jesus auch. Er, der seine Jünger "bis zum Tode" in den Dienst Gottes stellt und sendet. Die Frage ist nicht, ob der Christ in Notsituationen zur Sünde greifen kann, sondern die Frage ist, was Sünde denn hier an diesem Beispiel eigentlich sei? Welches Licht wird hier auf Gott geworfen? Ist Gott jemand, der statisch und punktgenau auf die Befolgung seiner Satzungen achtet? Oder ist Gott nicht vielmehr jemand, der auf "das Herz" achtet. David nahm das Brot nicht aus Leichtsinn oder sonstiger Leichtigkeit. Seine Männer hatten großen Hunger. Er versorgte sie und sich selbst. Er brach das äußerliche Gesetz und lebte doch vor Gott im Wohlgefallen.

Der Herr führt einen weiteren Vergleich an: die Priester arbeiten am "Sonntag!" Ist das nicht ein Gesetzesbruch? Nein. Denn der Dienst, den besonders diese Gruppe am Sabbath tut, ist ein geistlicher Dienst, der zum Wohl des Volkes dient. Der Priester steht mit seinem Herzen allein vor Gott. Sein priesterliches Handeln wird in diesem Fall von ihm separat gesehen.

Wohlgemerkt, es geht nicht um einen Freibrief, die Gebote nach Gutdünken zu brechen. Jesu Jünger hatten Hunger, so wie David und seine Männer Hunger hatten. Sie konnten in bestimmten Fällen "priesterlich" handeln. Ihr Dienst war in diesem Moment im Sinne des Willens Gottes. Woher sollten sie aber wissen, daß Gott das zuließe? Denn Gott steht über dem Gesetz und kann darüber entscheiden. Indem Gott sprichwörtlich in ihrer Mitte ist! Mit den Worten: hier ist mehr als der Tempel, also hier ist mehr als Gottes symbolische Gegenwart unter seinem Volk, hier ist Gott leibhaftig unter ihnen. Wo die Pharisäer nur Übertretung des Gesetzes riechen, da ist in Wirklichkeit die Gnade Gottes am Werk. Hier handeln Menschen, die nicht nach dem Buchstaben leben, sondern aus der Beziehung zu Christus heraus.

Lt. Römer 12,1.2 ist der Christ ein Priester. Seine Opfer sind sein Leben in der Beziehung zu Gott. Er steht im Einklang mit dem Willen Gottes. Und im Falle des Hungers erlaubt es die Güte Gottes, daß der Mensch essen darf. Die Pharisäer haben hier nicht punktuell entschieden und nach dem Willen Gottes gefragt, sondern haben stets einen Rundumschlag vollzogen und alle verdammt, die nicht nach ihrem Regelwerk handelten. Nun aber macht Jesus seiner Aussage noch größeren Nachdruck, indem er sagt, daß es "Menschensohn" über den Sabbath stünde. Jesus macht deutlich, daß der Sabbath einen Sinn hat. Er soll dem Menschen dienen! Er soll ihm die nötige Ruhe verschaffen. Gott hat sich was dabei gedacht und nicht zulätzlich einen weiteren Baum der Versuchung in den Garten gestellt. Das Gebot soll dem Menschen dienen, ihn nicht erschlagen. Jesus macht damit auch unmißverständlich deutlich, daß es zuerst darum geht, Jesu Gebote zu gehorchen.

A.2. Die Verse 8-14

Daß die Barmherzigkeit über dem formalen Einhalten von Regeln steht, wird am nächsten Beispiel deutlich. Wichtig ist, daß wir hier keine allgemein gültigen Regeln schaffen können nach dem Motto, die Liebe läßt alles zu. Es muß von Fall zu Fall vor Gott und im Hören auf Gottes Wort entschieden werden. Wichtig ist auch, daß Jesus nicht wild drauf los alles aufhob. Im Gegenteil, er machte deutlich, daß das Gesetz des Sabbaths für den Menschen gut und heilsam ist. Aber der Sabbath kann dann gebrochen werden, wenn er Gottes Wille im Weg steht. Und das tut er, wenn die Barmherzigkeit untersagt bleibt. Wenn ein Tier in eine gefährliche Lage kommt, so ist es klar der Wille Gottes, dem armen Geschöpf zu helfen. Das sind punktuelle Erkenntnisse, die je nach Situation einmalig entschieden werden. Es werden keine Regeln gemacht. Das Schützen von Eigentum, in diesem Fall eines Tieres, war für den Juden keine Frage. Der Herr macht deutlich, wie der Bruch des Sabbaths bei Eigentum keine Probleme für den Juden darstellt, aber beim Mitmenschen versagt dieses Prinzip. Der fromme Jude stellt somit die gewinnbringende Sachlichkeit - wie so oft im Leben - über die Not des Menschen. Dem Herrn geht es aber vielmehr um das Wohl des Menschen. Mit dieser Beweisführung hebelt der Herr die Argumente der Pharisäer gekonnnt aus. Nun hätte man doch auch den nächsten Tag abwarten können? Der Kranke befand sich nicht in einer akuten Not. Ja, aber der Herr will deutlich machen, daß es prinzipiell um ein gutes Werk sich handelt, daß auch am Sabbath erlaubt sei. So kann der Jünger das Gesetz brechen und trotzdem Gottes Willen tun. B: Verse 15-21: Der Gottesknecht

Die Spannung zwischen ihnen und Jesus wird immer größer. Vielleicht ahnen und begreifen sie, daß die Frömmigkeit, die der Herr fordert engstens gekoppelt ist an den, den sie so hassen. Wenn aber alles so eng an ihn gekoppelt ist, dann kann das Problem nur auf eine Weise gelöst werden: der Meister muß fort, sterben, vernichtet werden. Fällt der Kopf, so fällt der übrige Leib gleich mit. Die Jünger erleben, wie den Meister ereilt, was er in Kapitel 10 so eindringlich gesagt hat. Auch handelt er gemäß seinen Worten. Er greift nicht zu Macht und Schwert. Seine Macht ist das gepredigte Worte und seine Taten der Liebe. Er wirft sich seinen Feinden nicht in die Arme, sondern ist klug genug, ihnen auszuweichen.

Jesus handelt nun verstärkt nach seinen neuen Geboten, Gutes zu tun, dem Menschen zu dienen, ihnen das Leben zu erleichtern. Dabei handelt Jesus wieder im völligen Einklang mit dem Willen Gottes. Seine Taten, sein Leben der Barmherzigkeit sprechen die Sprache Gottes und bezeugen seine Messianität. Er streitet nicht mit den Pharisäern, bis die Fetzen fliegen. Er versucht nicht, sie zu überzeugen. Er schreit nicht marktschreierisch und mißbraucht seine momentane Popularität nicht. Er will den Vater ehren, dem Menschen dienen, still und ohne großen Aufruhr Glauben wecken. Die Erwähnung des jesaja-Zitats ist sehr wichtig. Hier wird bezeugt, daß Jesus der wahre Messias ist. Und gerade darin führt sein Leben, nach menschlichen Maßstäben gescheitert, zum globalen Sieg. Wer auf Gott vertraut und ihm gehorcht, den führt Gott zum Sieg.

C: Verse 22-30: Jesu Macht über die bösen Geister

Wie wirkt ein Mensch, der vollkommen ist? Der keine Fehler hat und keine tut? Der vollkommene Antworten gibt und vollkommen handelt? In dessen Gegenwart man nicht feucht fröhlich bleiben kann, weil sein Leben und Reden, selbst seine Dienste der Barmherzigkeit irgendwie zu einer Entscheidung führen. Für die einen ist seine Nähe höchstes Glück, für andere bares Grauen. Wie ist es, wenn jemand ohne Worte mein ganzes Leben, meine Anerkennung, meinen guten Namen, meinen Einfluss, meine Lehre und mein Handeln durch sein perfektes Leben in Frage stellt? In dem Moment, wo die Pharisäer theologisch nicht mehr zu argumentieren wußten, blieb für sie nur der Moment, sich zu fragen, ob Jesus womöglich recht haben könnte! Oder Jesus war ein überaus charismatisch begabter Mensch, der alle in seinen Bann ziehen konnte. Die Pharisäer kamen zu der Einstellung, Jesus beziehe seine Macht vom Satan, womöglich sei er es selbst. Vielleicht empfand der Schriftgelehrte jene spirituelle Mission, wie sie einst die canes Domini - die Hunde Gottes (Dominikanerorden) bei der Jagd nach den vermeintlichen Hexen empfanden. Aber so ist es auch in der Geschichte der Christen oft gelaufen. Sie haben Traditionen aufgebaut, viel menschliches. Und als Gottes Geist anders sich offenbarte, nach der Schrift, aber ungewohnt nach der menschlichen Tradition, dann hat man schnell es als Teufelswerk abgetan.

Schlatter verweist für mich einleuchtend auf folgenden Umstand hin: Die Pharisäer behaupten, Jesus habe die Macht, weil sie ihm Satan verliehe. Wir wissen, daß der Jude davon ausging, daß auch Satan Wunder vollbringen könne. Dem stellt Jesus die fehlende Logik entgegen, indem er sagt: Ein Reich, in dem Bürgerkrieg herrscht, kann keinen Krieg führen. Satan hat kein Interesse daran, seinem ureigenstem Verlangen, den Menschen zu quälen, nicht nach zugehen. Er tut es und läßt es tun. Und verhindert es nicht.

Aber vielleicht appellierte Jesus nicht an die fehlende Logik. Vielmehr will Jesus sagen: selbst wenn es so wäre, selbst wenn Satan seine eigenen Dämonen vertriebe, dann wäre das ja ein Grund zur Freude. Wenn in der Stadt des Feindes Bürgerkrieg herrsche, dann wäre das für die Belagerten doch ein Grund zum Jubel! Ob Gott den Menschen vom Dämon befreit, ob Satan es tut: das Ergebnis ist ein Grund der Freude. Ein Mensch ist von dämonischer Macht befreit. Jesus hat große Freude daran, wenn ein Mensch von dämonischer Macht befreit wird, warum die Pharisäer nicht? Weil es nun ein Grund der Freude ist, wird Satan schon darum nicht einen Menschen befreien. Er will quälen, zerstören, töten, nicht Gottes Willen tun.

Ein zweites Bild fegt nun aber jeden Zweifel hinweg. Es ist bar jeglicher geschichtlichen Erfahrung, daß man in das Haus eines starken Mannes einbricht und der seelenruhig zuschaut, wie man alles aus seinen Haus trägt. Natürlich muß er überwunden werden, so wie seinerzeit Samson mit viel List überwunden wurde. Er muß gefesselt werden. Das kann aber nur einer, der noch stärker ist als der "Herr des Hauses" selbst. Wer ist nun stärker als der Herr der Dämonen? Es ist Christus, der Herr. Er hat den Bösen gefesselt und kann nun befreien, was er in seinem Haus gefangen hält. Nun wird deutlich, daß Jesus aus der Kraft des Heiligen Geistes wirkt. Hier geschieht also messianische Befreiung aus den unterschiedlichsten Gefängnissen. Hier geschieht Reich Gottes in der Person Jesu Christi. Wehe nun aber, wer mit diesem Herrn uneins ist. Wehe der Kirche, die einen Bürgerkrieg gegen ihren eigenen Herrn führt. Diese Kirche kann nicht bestehen.

D: Verse 31-32: Die Sünde gegen den Heiligen Geist

Jesus hat gepredigt, gelehrt und gelebt. Er lebte im völligen Einklang mit dem Willen Gottes. Gerade die Pharisäer hätten das erkennen müssen und haben es erkannt. Ihnen wird dieses bewußte Widerstreben wider bessere Erkenntnis vergeben, weil sie in Jesus auch ganz den Menschen sehen. Aber durch Jesu Menschsein dringt immer wieder das für die Pharisäer unheimlich anmutende Göttliche hindurch. Der Geist Gottes handelt vollmächtig in dem Gottessohn. Er bewirkt übernatürliche Wunder, die die Menschen dazu bringen, daß sie "den Vater im Himmel preisen!" Durch die vollmächtigen Taten geschieht ein wichtiger Einschnitt. Gott handelt durch seinen Geist in das Leben der Menschen auf übernatürliche Weise. Das, was in der Versuchung Jesu in der Wüste dem Herrn versagt blieb - die Benutzung seiner real vorhandenen Kräfte zum eigenen Nutzen - wird legitim am Nächsten. Der Geist aber bewirkt diese Taten, damit Glaube entstehe, Glaube an den Sohn. Diese Taten sind stets Taten der Barmherzigkeit, an dem der Mensch, wie immer er zu Jesus steht, sich freuen kann.

Wer nun aber erkennt und erahnt, daß Gottes Geist durch Jesus handelt und dennoch wider bessere Erkenntnis diesem Herrn widerstrebt, widerspricht und damit besonders kraft seines Einflusses auch andere hindert - den Christus zu erkennen, der bewegt sich auf gefährliches Terrain. Denn durch die Krafttat des Geistes durch Jesus handelt nicht der Mensch, sondern der Gott Jesus Christus. Wer wagt es nun, diesem Herrn sich zu widersetzen? Es wäre vergleichbar damit, als wenn Paulus bei seiner Christuserscheinung dem Herrn ins Angesicht den Gehorsam verweigert hat. Aber in dem Moment, wo er Jesus erfuhr in seiner Gottheit, indem Moment handelte er ganz gegen seine bisherigen Überzeugungen.

Wird nun Gott den Pharisäern diese Sünde ihnen nie vergeben? Sind sie lebendig verloren?

Jesus sagt nicht, daß die Pharisäer die Sünde schon getan hätten. Er sagt nur, daß die Gefahr bestünde. Das Urteil aber spricht der Mensch zusehens mehr über sich selbst. Es ist vergleichbar mit Pharao bei Moses. Er hat auf großartige Weise das Handeln Gottes verfolgen können. Und dennoch hat er sich ein seiner grenzenlosen Hybris gewehrt, Gottes Willen zu tun. Er hat somit sein Gewissen Stück um Stück gemordet, zum Schweigen gebracht. Seine Antenne bewußt und freiwillig trotz aller Anstrengungen Gottes abgeknickt und die Ohren auf Durchzug geschalten. Für solche Menschen ist das Wirken des Geistes Ärgernis, er kann sich nicht daran freuen, vielmehr ärgert er sich daran und trachtet danach, das Werk Gottes zu behindern. Dabei geht es ins Besondere um die Anerkennung der Sohnschaft Jesu Christi. Wer diese beständig leugnet, wider bessere Erkenntnis, schwebt in der Gefahr, zusehens weniger von Gottes Stimme vernehmen zu können. Aber der Herr hat nicht gesagt, daß die Pharisäer diese Sünde verbrochen hätten. Vielmehr ringt er auch um ihre Seelen.



E: Verse 33-37: Vom Baum und seinen Früchten

Vielleicht wird diese Frage am Bild des Baumes deutlich. Hier spricht kein Bauer über den Baum ein Urteil, sondern Jesus stellt schlicht einen Zustand fest. Der eine Baum bringt gute Früchte, der andere beständig schlechte. Ein gesunder Baum kann übrigens keine schlechten Früchte bringen, sondern ein Baum, der in sich verdorben ist, bringt demzufolge faule Früchte empor oder überhaupt keine.

Wer beständig sich dem Sohn Gottes widersetzt, ihm nicht glauben will, obwohl alles in ihm sagt, daß er glauben soll und kann, der wird verglichen mit einem Baum, der innerlich erkrankt, zunehmend fault und abstirbt. Es ist, als würde eine Pflanze beständig sich weigern, sich dem Licht auszusetzen. Sie spricht über sich selbst das Todesurteil. Eine Weile kann die Pflanze im Schatten stehen, ohne Wasser auskommen. Wenn man aber ständig ihr das Wasser versagt oder das Licht, trocknet sie aus.

Jesus vergleicht die Pharisäer mit Schlangen. Die Schlange im Paradies hat gewußt, daß sie die ersten Menschen ins Verderben reißt, aber sie hatte Freude daran. Die Pharisäer werden mit der listigen Schlange verglichen, die intellektuell den Willen Gottes kennt, ihn aber im Grunde haßt und nicht tun will. Sie vergiftet sich zusehends selber. Ein Ausdruck dieser innerlichen Vergiftung sind die Worte. Sie führen lt. Bergpredigt darauf zurück, daß die Vergiftung von innen nach außen geschieht. Das Herz, das sich beständig gegen die Erkenntnis wehrt. Das Herz, der Wille, der Verstand, das Gefühl, das Gewissen - alles sagt, daß Jesus der Messias sein muß. Aber der menschliche Wille tötet diese Erkenntnis. So klingen die Worte ihrer theologischen Lehre hohl, leer und unbarmherzig.

Das Bild des Baumes macht auch deutlich, daß der Mensch nicht aus sich heraus gut wird. Einen faulen, abgestorbenen Baum haucht man kein neues Leben ein. Auch durch die Gesetzeswerke werden die Pharisäer nicht heiliger. Nur Gott kann durch den Menschensohn völlig Neues schaffen, ohne dabei die Identität des Menschen zu löschen. Er kann aus einen kaputten Baum einen neuen machen, der zwangsläufig gute Früchte bringt. Nämlich wenn er als Rebe an Christi Stamm wächst. Es geht also wiederum um die Beziehung zu Christus.

Weil aber die Worte nur die äußere, letzte Emission ist, was zuvor im Motor verbrannt wurde, weil die Worte beredter Ausdruck des Inneren sind, so stehen die Worte unter dem Gericht Gottes.

F: Verse 38-42: Die Zeichenforderung der Pharisäer

Die Forderung der Pharisäer wirkt konträr, widersinnig und widersprüchlich. Noch eben verbannen sie Jesu Wunder ins Reich Satans, weil sie dieses Wunder nicht forderten. Jedes wollen sie ein Zeichen. Auch Jesus handelt wider ihre Erwartungen. Wo er das Zeichen tat, da wollte er demonstrieren, daß Gottes Liebe Mensch geworden ist. Als Zeichen für Jesu Messianität werden Menschen befreit von Krankheit und Dämonie. Diese Befreiung geschieht, damit der Mensch glaube, daß Jesus der Christus sei. Bei der Forderung der Pharisäer nach dem Zeichen folgt Jesu grundsätzliches Nein! Es gliche einem Taschenspielertrick, einer Zauberei auf Abruf - es hätte ihm die Ehre gegeben, nicht aber dem Vater. Das Zeichen, daß die Pharisäer fordern, dient nicht dazu, daß der Mensch zum Glauben an Christus komme. Das aber lehnt Jesus kategorisch ab.

Aber warum fordern die Pharisäer ein Zeichen, wo sie doch die Wunder fürchten, weil sie Jesu Popularität fördern? Vermutlich geht es auf 5Mose 13,1 ff zurück. Dort ist davon die Rede, daß ein Prophet sich legitimiert durch ein Zeichen und durch die Worte, die zu Gott führen. Sie verlangen also ein Zeichen, daß auch eintreten muß.

Jesus bezeichnet die Pharisäer als boshaft und abtrünnig. Letzterem liegt das bekannte Bild von der abtrünnigen Frau, die ihren Mann wissentlich betrügt und von ihm abfällt. Jesus bezeichnet sie also als Ehebrecher im geistlichen Sinne. Sie sind geistlich verwildert, verdrehen alles zu ihrem Nutzen und sind nicht fähig, Gottes Worten Glauben zu schenken. Dieses Geschlecht fordert von Gott Wunder. Durch das Wunder, nicht durch das Wort soll der Prophet legitimiert sein. Lt. 5Mose 13 ist der "Träumer", der das Zeichen bringt, aber dessen Worte falsch sind und von Gott wegführen. Wie falsch und irrig ihre theologische Auffassung ist, wird hier deutlich. Jesus verweigert ihnen diesen Beweis. Es erinnert an den reichen Mann, der nach dem Tod Abraham bittet, Zeichen zu wirken, damit die Lebenden glauben würden. Auch Abraham sagt: sie haben die Schrift.

Aber es wird ein Zeichen geschehen. Aber dieses Zeichen trägt die Züge der Demut und Sanftmut, trägt die Züge waffenlosen Kriegers, der predigend und liebend dem Feind entgegengeht. Jesus spricht von dem Zeichen des Jona. Gott forderte seinerzeit Jonas Auslieferung aus dem Schiff, damit der Zorn besänftigt werde. Die Seeleute gerieten darüber in Anbetung, als der Zorn Gottes sich legte. Einer wurde geopfert, viele lebten. So wird Jesus "von Bord geworfen". Nur mit dem Unterschied, daß er nicht die Schuld trägt, sondern die Bootsleute. Dennoch nimmt er die Schuld auf sich, als hätte er sie begangen. Dennoch nimmt Jesus den Ungehorsam und den Unglauben der Welt auf sich. Dennoch nimmt Jesus die Flucht der Menschen vor Gott auf sich und wirft die Schuld mit sich selbst in die Tiefen des Meeres. Dies ist kein rühmliches Zeichen, nicht ein Machttat, die die Pharisäer beeindruckt hätte. Wenn Jesus am Kreuz hängen wird, dann sehen sie in ihm nichts anderes als die ruhige See. Endlich ist er weg, und wir haben wieder Ruhe im Boot. Doch die Ruhe trügt. Denn der Herr wird auferstehen. Und so wie der Fisch den Jona ausspuckte, so muß der Tod Jesu freigeben. Und so wie die Heiden zur Buße kamen durch die Predigt des Jona, so werden die vielen zum Glauben kommen durch das gepredigte Wort aus den Mündern der Jünger Jesu. Und so wie Jona vor dem Gericht warnte, so warnt auch Jesus dieses "ehebrecherische Geschlecht" vor dem Gericht. Eine Heidin - die Königin von Saba - hat keine Mühe gescheut, um zu Salomo zu gelangen und die Weisheit zu erfahren, die ihm geschenkt worden ist. Damit schließt sich der Kreis. Denn die Weisheit, von der Salomo sprach, trägt die Züge Christi. Die Weisheit ist nichts anderes als die Erkenntnis Gottes und seines Willens. Diese Weisheit wollen die Hörer nicht annehmen. Sie sehen nur sich selbst. Dieses erwählte Volk, daß so eine reiche Geschichte mit Gott hat, soviel weiß, soviel Erkenntnis besitzt, dieses Geschlecht sucht nach irdischer Ehre und billiger Erkenntnis. Dagegen werden Heiden die Perlen Gottes zu schätzen wissen.





G: Verse 43-45: Von der Rückkehr des bösen Geistes

Dieser Abschnitt schließt an das bisher Gesagte an. Es klingen die vielen bangen Beispiele Jesu an: unnützes Salz, verstecktes Licht, zerstörte Haus, die erstickte Saat, die Gäste ohne Hochzeitskleider und ohne Öl in den Lampen, die Talente, die statt gewinnbringend angelegt, nur "bewahrt" wurden.

Dem Volk Israels ist durch die lange Geschichte Gottes mit diesem Volk unvergleichlich Großes geschenkt worden. Doch mehr als Salomos Weisheit und der Königin Bewunderung ist das Kommen des Messias. Das Volk Gottes - übersättigt und selbstgerecht - lehnt alles ab. Somit wird ihre Zukunft dämonisch gedeutet. Jesus kam als der Retter zu seinem Volk. Er hat - und das gerade eben und praktisch - einen Menschen aus der Herrschaft des Teufels befreit. In Jesus bricht die Gottesherrschaft an. Die Dunkelheit der Teufels muß diesem Lichte weichen. Aber das Volk, daß im Finstern wandelt und das große Licht sieht, auch kurz in diesem Licht verweilt, dieses Volk winkt am Ende ab und kehrt in die alte Dunkelheit zurück. Kaum ahnend, daß die Dunkelheit um einiges düsterer geworden ist als zu Beginn. Mit dem Bild der zurückkehrenden Dämonen spricht Jesus wohl die "Zeit der Gnade" an. Heute, wenn wir seine Stimme hören, sollen wir ihm nachfolgen. Es ist gefährlich, Jesu Anspruch auf unser Leben beständig zu verweigern. Jede Weigerung, in Gottes Licht zu leben, führt uns umso tiefer in die dunklen Krallen Satans. Ein neutrale Zone gibt es nicht.

E: Verse 46-50: Jesu wahre Verwandte

Hier, in der abschließenden Rede Jesu, kommt er zum zusammenfassenden Höhepunkt. Wieder wiederholen sich die Worte Jesu aus seiner Missionsrede. Das Schwert, daß Kinder von Eltern trennt, kann auch ihm gelten. Er sagt nicht, daß es sich in seinem Fall so verhält. Wie im Bild des Weinstocks oder durch Paulus im Bild des Leibes, so entsteht zwischen dem Jünger und dem Herrn Jesus eine enge Gemeinschaft und Verbindung. Inniger als Blutsbande und Elternbeziehung - so ist die Verbindung zwischen dem Jünger und dem Herrn Jesu. Diese Verbindung findet ihren sichtbaren Ausdruck darin, daß die Jünger nach dem Willen Gottes leben. Sie leben im Willen Gottes nicht durch das äußerliche Halten von Gesetzen und Regeln, sondern aus der lebendigen Beziehung heraus, die in Gebet, Wort Gottes und dem Umsetzen des Erkannten Form gewinnt. Eingebettet in einem Leben aus der Vergebung jeden Tag neu.

Jesus stellt diese Wahrheit exemplarisch, ja geradezu provokativ vor die Zuhörer. Gottes Willen zu tun, kann in diesem Fall sogar über das Gebot gehen, Vater und Mutter zu ehren. Denn sie zu ehren hätte bedeutet, daß der Sohn gleich aufgestanden wäre und zu den Eltern gekommen wäre. Jesus macht aber deutlich, daß nicht der Wille von Menschen sein Tun bestimmen, sondern der Wille Gottes. Und der Herr wußte um diesen Willen in diesem Moment.

Der Gedanke vom wahren Glauben findet hier erneut seinen Höhepunkt. Am Schluß von Kapitel 12 steht Jesus im Zentrum. Umgeben von den, die ihn lieben und an ihn glauben: seinen Jüngern. Außerhalb dieses Kreises steht das Volk, die Pharisäer, ja sogar die eigenen Verwandten. Ihnen gilt die befreiende Einladung Jesu: kommet her zu mir (denn das ist Glaube). Nehmt von mir die wahre Lehre an und setzt sie um (denn die Lehre Jesu ist befreiend und muß nicht identisch sein mit dem, was ich bisher als richtig empfunden habe). Jesus ruft zu einem persönlichen Umgang mit ihm. Wie kann ich aber mit jemanden umgehen, den ich nicht sehe? Dazu brauche ich keine Wunder und Zeichen, es reicht das Wort Gottes. Hier habe ich den Willen Gottes geoffenbart und es gilt, aus diesem Wort und mit diesem Wort zu leben und Gott zu bitten, mit zu zeigen, wie ich sein Wort auf mein Leben anwenden kann. Somit ist das Gebet das zweite Standbein. Wort, Gebet und Gehorsam, eingebetet um das tägliche Wissen des Versagens und der Bitte um Vergebung. Was immer aber auch meine Vorstellung sein möge, was der Wille Gottes denn sei, er führt mciht ganz bestimmt an meinem Nächsten vorbei. Keine religiöse Tätigkeit, Verpflichtung oder Regel darf mich abhalten, den Dienst der Liebe und Barmherzigkeit zu üben. Denn diese Sprache verstehen viele Menschen.




1. Chorazin lag 5km nördlich von Kapernaum, Bethsaida westlich der Jordanmündung

2. Ebenda, Schlatter: Kommentar zu Matthäus, S. 377/78

3. Ebenda: Schlatter, S. 384

4. Ebenda; Schlatter. S. 386