Markus 5, 21 – 34 Predigt,
Bibelarbeit, Andacht
Jesus wird mit der
Krankheit fertig
Dieser Tag ist uns geschenkt! Denn diesen
Tag gibt es eigentlich gar nicht: den 29. Februar. An diesem Tag leben wir,
rein kalendarisch gesehen, ohne älter zu werden. Denn die 24 Stunden dieses
Tages zählen nicht.
Dieser Schalttag wurde eingeführt, um die
Abweichung von der tatsächlichen Jahreslänge nach astronomischen Berechnungen
anzugleichen.
Ein geschenkter Tag!
Nun sind Kalenderberechnungen eine Sache,
aber die Erfahrung, nach einer lebensbedrohenden Krankheit noch einmal das
Leben geschenkt zu bekommen, eine ganz andere Sache und ein viel gewaltigeres
Ereignis.
Einige von uns – und das waren gar nicht so
wenige – haben es buchstäblich erlebt, wie ihnen weitere Lebenszeit geschenkt
wurde.
Auch sie hat das erlebt: Markus 5, 21 – 34 (Hoffnung für alle): Kaum war Jesus ans
andere Ufer zurückgekehrt, als sich am Strand wieder eine große Menschenmenge
um ihn versammelte. Da kam Jairus, ein Vorsteher der jüdischen Gemeinde, und
warf sich vor Jesus nieder. Er bat ihn verzweifelt: «Meine Tochter liegt im
Sterben. Komm und lege ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird!»
Jesus ging mit Jairus, gefolgt
von einer dichten Menschenmenge.
In der Menge war auch eine
Frau, die seit zwölf Jahren an starken Blutungen litt. Sie hatte sich schon von
vielen Ärzten behandeln lassen und dabei ihr ganzes Vermögen ausgegeben. Aber
niemand konnte ihr helfen. Ihr Leiden war eher schlimmer geworden. Dann hatte
sie davon gehört, daß Jesus Kranke heilt. Deshalb
drängte sie sich durch die Menge an Jesus heran und berührte von hinten seinen
Mantel. Dabei dachte sie: «Wenn ich wenigstens seine Kleider berühren kann,
werde ich bestimmt gesund.» Und tatsächlich: Sie merkte sofort, daß sie von ihrem Leiden befreit war. Die Blutung hörte
auf.
Aber auch Jesus spürte, daß heilende Kraft von ihm ausgegangen war. Deshalb drehte
er sich um und fragte: «Wer hat mich angefaßt?» Seine
Jünger antworteten: «Die Leute bedrängen dich von allen Seiten, und da fragst
du, wer dich angefaßt hat?» Aber Jesus sah die Frau
an, die ihn berührt hatte. Die war erschrocken und zitterte am ganzen Leib,
denn sie wußte ja, was an ihr geschehen war. Sie fiel
vor ihm nieder und sagte ihm alles. Jesus sprach zu ihr: «Meine Tochter, weil
du so fest an mich geglaubt hast, bist du gesund geworden. Gehe in Frieden. Du
bist geheilt.»
Es geht Schlag auf Schlag, und alles spielt
sich auf und rund um den See Genezareth ab. Zuerst die stürmische Seefahrt,
anschließend die Befreiung dieses von einer Legion Dämonen besessenen Mannes,
wieder ins Boot und zurück ans andere Ufer, also wieder ans Westufer des Sees
Genezareth.
Da warten sie schon auf diesen Mann, der die
Schlagzeilen anführt, dessen Ruf ihm vorauseilt. Der stadtbekannte Vorsteher
der jüdischen Gemeinde wirft sich vor Jesus nieder und bittet ihn um seine
Hilfe und Heilung für seine sterbenskranke Tochter.
Jesus macht sich mit Jairus auf den Weg. Die
Masse folgt den beiden, sensationshungrig, begeistert oder auch einfach nur
neugierig. Der Mann aus Nazareth, dem Wind und Wellen gehorchen, und vor dem
die ganze Hölle zittert, wird von der Menschenmasse bedrängt, geschoben,
gedrückt. Er ist auf dem Weg, einem Vater sein sterbenskrankes Kind zu heilen,
im Schlepptau die drängende und drückende Masse. Alle wollen dabei sein. Keiner
will ein Wort des Meisters versäumen. Man will das Wunder sehen. Und dann kommt
es auf einmal in dieser Geschichte zu einem ganz anderen Ereignis.
Der um seine todkranke Tochter besorgte
Vater wird warten und sich gedulden müssen. „Mein Kind muss durchhalten“, mehr
bleibt ihm nicht als dieser Strohhalm beim Warten. Dabei zählt doch jede
Minute, wenn das Leben in Gefahr ist, zumal es sich noch um einen Teenager
handelt, ein zwölfjähriges Mädchen, einen Menschen, der das Leben noch vor sich
hat, dem noch viele glückliche Tage geschenkt werden sollen.
Aber mitten in dieser Geschichte ereignet es
sich im Gedränge der Masse, dass eine andere Geschichte passiert, die sich
zuerst abspielt und einem Vater Schweiß, Angst und bittere Tränen kosten wird.
1. Die Kranke
Markus 5, Verse 24b bis 29
(Einheitsübersetzung): Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn.
Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt. Sie war von
vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes
Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr
Zustand war immer schlimmer geworden. Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte
sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn
sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt.
Sofort hörte die Blutung auf, und sie spürte deutlich, daß
sie von ihrem Leiden geheilt war.
12 Jahre hat sie das schon. 12 Jahre leidet
sie schon. 12 Jahre Blutungen. Ein Arztbesuch löst den anderen ab. Bei dieser
Krankheit spielt auch das Schamgefühl eine wichtige Rolle. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei
sehr zu leiden. Körperlich und eben auch als Frau. 12 Jahre
Erniedrigung und Leiden, 12 Jahre Qual und dann noch das Gesetz. Sie wusste es.
Die Ärzte wussten es. Alle wussten es. Eine Frau mit Blutungen ist unrein. Sie
durfte an keinem Gottesdienst teilnehmen. Sie durfte keinen Menschen berühren.
Alles, was sie anfasste, wo sie stand, wo sie saß, alles wurde durch sie
unrein.
Sie war nicht nur krank. Sie war auch noch
unrein, gesellschaftlich völlig isoliert, lebendig begraben. Im Gesetz war es
schwarz auf weiß zu lesen, 3. Mose
15, Verse 25 bis 27 (Gute Nachricht): Hat eine Frau mehrere Tage außerhalb
der Zeit ihrer Regel einen Blutfluß oder hält ihre
Regel länger an, ist sie für die ganze Dauer dieses Ausflusses im gleichen
Zustand der Unreinheit wie während der Zeit ihrer Regel. Jedes Lager, auf das
sie sich während der ganzen Dauer ihres Ausflusses legt, ist so wie ihr Lager,
auf dem sie während ihrer Regel liegt. Jeder Gegenstand, auf den sie sich
setzt, wird unrein wie bei der Unreinheit ihrer Regel. Jeder, der diese
Gegenstände berührt, wird unrein; er muß seine
Kleider waschen, sich in Wasser baden und ist unrein bis zum Abend.
So hoffte sie von einem Arzt zum nächsten.
Mit jedem Arztbesuch wurde sie ärmer, an Geld, an Hoffnung und
Selbstwertgefühl. 12 lange Jahre ging das jetzt schon so, 12 verlorene Jahre,
unendlich teure Jahre und unsagbar einsame Jahre, ohne Gottesdienst und ohne
menschliche Berührung.
Sie hatte auch von ihm gehört, wie viele
andere, dass für diesen Mann aus Nazareth nichts unmöglich ist, dass er Kranke
heilt, dass er Menschen in die Freiheit führt, und dass seine Worte voller
Leben und Kraft sind.
Sie wusste es. Das Gesetz sagte es. Sie
durfte ihn nicht berühren! Es gab aber nur noch ihn oder den Selbstmord. Sie
verstieß gegen das Gesetz. Sie wagte alles. Sie glaubte an ihn, an diesen Jesus
von Nazareth, den manche sogar den Messias nannten. „Nur sein Gewand berühren,
dass müsste schon reichen.“
Und das, was kein Arzt zu Wege brachte,
keine Medizin ermöglichte, für kein Geld der Welt zu kaufen war, was sie 12
unendlich lange Jahre quälte und Tag und Nacht bestimmte, verschwand von einem
Moment zum nächsten. Sie spürte es. Es hörte auf. Es war vorbei. Sie war
geheilt und sie war frei und sie war wieder rein. Sie durfte leben. Endlich
wieder leben, als Mensch und Frau und ohne Angst und Scham und Blutungen. Sie war
geheilt.
2. Der Arzt
Markus 5, Verse 30 bis 34
(Einheitsübersetzung): Im selben Augenblick fühlte Jesus, daß eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in
dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? Seine Jünger sagten zu
ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer
hat mich berührt? Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. Da kam die
Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wußte, was mit
ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er
aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!
Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.
Nicht nur die Frau weiß, dass sie geheilt
ist, dass ihr nicht nur ein Tag, sondern das ganze Leben neu geschenkt wurde;
auch Jesus spürt, dass da etwas passiert ist, dass Kraft und Heilung von ihm
ausgegangen sind.
Seine Jünger verstehen ihn nicht und
begreifen seine Frage nicht. Nach allem, was hinter ihnen liegt, auf dem See
und am anderen Ufer, mit Stürmen und Dämonen, mit Sturmstillung und Befreiung,
verstehen sie immer noch nichts und sehen nicht tiefer und hören nicht wirklich
hin. Männer wie Petrus und Johannes, gestandene Männer, überzeugte Nachfolger
ihres Herrn: blind und unwissend.
Sie weiß, dass er weiß! So wirft sie sich
vor ihm hin. Es haben sich in diesem Kapitel bereits einige vor Jesus gebeugt:
- der Besessene
und auch die Dämonen, Markus 5, Vers 6
- der
Synagogenvorsteher Jairus, Markus 5, Vers 22
- und jetzt auch
noch diese Frau, Markus 5, Vers 33
Eines Tages – so lesen wir es im Philipperbrief – Kapitel 2, Verse 10 bis 11 - wird sich
jeder so vor Jesus beugen, freiwillig und anbetend oder zähneknirschend und
entsetzt: Vor Jesus müssen alle auf die Knie fallen
- alle, die im Himmel sind, auf der Erde und unter der Erde; alle müssen
feierlich bekennen: »Jesus Christus ist der Herr!«
So fällt sie vor ihm nieder, zitternd, weil
sie weiß, dass er weiß; und weil jeder weiß, was im Gesetz über eine unreine
Frau steht. Sie sagt ihm die Wahrheit, die ganze Wahrheit, nicht ihre Wahrheit,
sondern so, wie es wirklich war!
In der Regel erzählen wir immer nur unsere
Wahrheit, wie wir die Dinge sehen, das ist eben niemals die ganze Wahrheit,
sondern lediglich unsere Sicht der Dinge. Aber sie liegt am Boden, ausgestreckt
und ergeben vor Jesus, dem Herrn aller Herrn!
Und er? Dieser Mann, dem Wind und Wellen
gehorchen, und vor dem die ganze Hölle zittert, bei dem es schon reicht, den
Zipfel seines Gewandes zu berühren, um heil und rein und wieder ganz werden,
wie reagiert er?
Liebevoll, fast zärtlich: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!
Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.
Eins wird hierbei sehr deutlich: Jesus wird
zwar mit der Krankheit fertig, aber er heilt nicht anonym. Er lässt sich nicht
als „Heiler“ im Verborgenen missbrauchen. Er macht die Sache öffentlich. Die
Menge steht dabei. Jetzt hat sie ihre Sensation. Da liegt die Frau vor Jesus
mitten auf der Straße, zitternd, anbetend – und sie erzählt die ganze Wahrheit
und bekennt vor aller Welt, was hier mit ihr geschah!
Jesus bescheinigt ihr: Dein Glaube – dein
Vertrauen - hat Dich geheilt, gerettet!
Nicht das Gewand, nicht das Relikt, sondern
ihr festes Vertrauen in Jesus und ihr Glaube an Jesus. Glaube ist kein Führwahrhalten, kein
intellektuelles Dennoch, sondern eine Bewegung der eigenen Existenz. Nur dort,
wo das eigene Leben durch Jesus „wahr“ wird, erschließt sich die Wahrheit Jesu.
Nicht das Wunder führt zum Glauben, sondern der Glaube erfährt Wunder!
Walter Schmithals, Das
Evangelium nach Markus, Seite 303
Sie konnte nichts mehr verlieren, und
deshalb hat sie alles gewagt, als sie sein Gewand berührte. Glauben heißt alles
wagen, alles riskieren und vor allem: alles von Gott erwarten!
Zwei Zusagen gibt Jesus der Geheilten mit:
1. Geh in
Frieden!
2. Bleibe von
deinem Leiden geheilt!
Die erste Zusage klingt wie ein segnender
Abschiedsgruß. Die zweite Zusage bestätigt die gemachte Erfahrung der Heilung.
Sie hatte es erlebt. Jetzt wird es ihr nochmals gesagt: Du bleibst geheilt!
Wie die zwei Seiten einer Münze gehört es
zusammen: Die gemachte Glaubenserfahrung und das uns
zugesagte Wort Gottes. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Ohne Glaubenserfahrungen bleibt das Wort Gottes für uns
letztlich bedeutungslos. Aber ohne sein Wort werden aus gemachten Glaubenserfahrungen Götzen und Abgötter.
Deshalb gehört beides zur Heilung dieser
Frau: Ihr unverschämter glaubensvoller Alleingang, als sie sein Gewand in der
Masse berührt, und die sichtbare gehorsame Kapitulation vor Jesus, als er
fragt, wer ihn berührt hat: die gemachte Erfahrung und sein Wort!
So wird ihr nicht nur ein Tag, sondern das
Leben neu geschenkt.
So fordert uns das Beispiel dieser Frau
heraus, glaubensvoll alles zu wagen und uns dabei zugleich hingebungsvoll
an Jesus und sein Wort zu binden. Er gab sein Leben für unser Leben, damit wir
nicht nur einen Tag, sondern das ewige Leben geschenkt bekommen. Amen.