Bibelarbeit zu Markus 4, 35-41 - Thema: Vertrauen
von Michael Strauch
Einleitende Worte:
Wir wollen diesen Text heute betrachten unter dem Thema: Vertrauen. Was
heißt es, in Gott Vertrauen zu haben? Wie sieht es praktisch aus? Wie könnte
man in einem Hauskreis über dieses Thema ins Gespräch kommen. Ich würde
folgendermaßen vorgehen:
1. Aufwärmphase
Ich mache die Erfahrung, dass es meistens eine hohe gedankliche Diskrepanz
zwischen der Gruppenleiter und dem Hauskreis gibt. Ich meine damit, dass
der Leiter vorbereitet ist (hoffe ich doch!) und die Gruppe oftmals nicht.
Wie stimmt man die Gruppe auf das Thema ein? Ich denke, wie man es bei einem
Chor tut. Man macht zu Beginn Gesangsübungen.
Wir können eine praktische Übung machen. Der Leiter stellt sich hin und
bittet jemanden, nach vorne zu kommen und sich nach hinten fallen zu lassen.
Er würde ihn auffangen. Wir werden merken, dass dies gar nicht so einfach
ist, sich jemanden "anzuvertrauen!" Warum? Vielleicht, weil wir nicht
wissen,
ob dieser stark genug ist? Oder auch, weil es peinlich ist und man in der
Regel lieber auf sich selbst vertraut, sprich auf eigenen Beinen stehen.
Sollte es aber doch jemand machen, dann kann man ein Kind, falls da, wählen
und einen Erwachsenen. Wir werden sicher erleben, dass das Kind weit weniger
Probleme hat, sich in die Arme eines Erwachsenen fallen zu lassen als ein
Erwachsener bei einem Erwachsenen, geschweige denn dass ein Erwachsener
sich in die Hände eines Kindes fallen lässt. Aber vielleicht geht es bei
der letzten Möglichkeit, die uns am absurdesten erscheint und niemand ernsthaft
in Erwägung ziehen würde um das beste Beispiel, wie es mit Jesus ist. Denn
den Herrn sieht man nicht. Wie wollen wir seine Kraft einschätzen? Wie uns
auf ihn einlassen?
Als eine weitere oder auch andere Möglichkeit kann man Worte sammeln, wo
das Wort Vertrauen vorkommt: Vertrauen. Zutrauen. Anvertrauen. Trauung.
Sich trauen (in zweierlei Verständnis: Heirat und Ermutigung, etwas zu wagen).
Vielleicht steckt im Wortstamm auch das Wort "trauern" bzw. Trauer
drin.
In den Worten Trauen (im Sinne des Vermählens) und der "Trauer"
schwingt
eine starke Beziehung zu jemanden oder zu etwas mit.
Sich trauen heißt,
es zu wagen, sich auf ein Verhältnis oder auf eine Sache einzulassen. Heißt
im ersten Falle aber auch, u.U. lebenslänglich mit einem Menschen intensiv
zu leben. Diesen zu verlieren heißt, zu trauern.
Ohne Vertrauen, d.h. ohne die Fähigkeit, jemanden etwas zuzutrauen oder
auch sich selbst, wird kein Mensch eine gesunde, seelische Entwicklung nehmen.
Das Vertrauen, sprich: den Mut, etwas zu wagen und sich auf etwas einzulassen,
wird oft erprobt! Wer sagt, er traue dem Herrn alles zu, aber traut sich
zu nichts, sagt nicht die Wahrheit.
Was heißt nun in unserem Bibeltext "Vertrauen". Wir könnten nun
fließend
übergehen zum Bibeltext. Zu Beginn wollen wir ihn lesen.
1. Situation
Wir haben in diesem Text eine Ausgangssituation, ein unerwartete Situation
und eine offene Situation am Ende, die uns als Anfrage gilt.
1.1.Ausgangssituation (V.35-36):
Alles geht den normalen Gang. Ein arbeitsreicher Tag ist zu Ende. Jeder
freut sich auf den "Feierabend". Wenn man den ganzen Tag mit Menschen
zusammen
war, sei es als Lehrer, als Arzt oder Pfarrer oder mit Tieren oder Maschinen,
der ist froh, wenn dann der Tag ruhig ausklingen darf. Es gilt: Abstand
zu gewinnen.
Ich möchte diese Situation auf mein Leben übertragen: Auch ich habe gerne
mal Abstand. Ein anstrengender Tag liegt hinter mir. Man freut sich auf
den Abend. Ich will gerne mal ein Buch lesen. Auf andere Gedanken kommen,
mag der Tag auch noch so erfüllt gewesen sein. Manchmal mache ich aber auch
viele Tage durch, oder Wochen und Monate. Sie sind anstrengend. Man hat
den Eindruck, immer nur am Geben zu sein und dann stellt man fest: Ach morgen
habe ich frei. "Lasst uns hinüberfahren!" Jesus ist mit ihm Boot. Wir
gehen
immer wie selbstverständlich davon aus, dass der Herr immer da ist. Still
und leise, vielleicht oft auch stumm. Aber nicht, weil er nicht reden will,
sondern weil ich nicht mit ihm rede. Und gerade dann, gerade wenn man sich
die nötige Ruhe gönnen will, die man auch wirklich braucht, kommt eine
unerwartete
Situation.
1.2. Eine unerwartete Situation (V.37-38)
Dann kommt es (V.37):
es erhob sich ein großer Windwirbel
die Wellen schlugen in das Boot
das Boot füllt sich mit Wasser
Gemeint sind die sogenannten Fallwinde. Da der See Genezareth hinter Bergen
liegt, stößt der Wind, vom Meer kommend landeinwärts erst auf die Berge,
schießt nach oben und dann nach unten mitten in den See hinein. Es folgt
also ohne Vorwarnung ein Fiasko. Die Jünger versuchen als erstes, die Lage
in den Griff zu bekommen. Doch das Boot füllt sich gefährlich. Es besteht
Lebensgefahr.
Ich übertrage wieder auf mich selbst: es kommt ganz plötzlich eine sehr
unangenehme Situation. Nicht eine, die andere betrifft, sondern das Wasser
schlägt "in mein Boot". Ich versuche in der Regel, die Lage selber zu
meistern.
Beruhigungspillen sind: "nur die Ruhe bewahren", "ich hab alles
im Griff"
oder pseudogeistlich "der Herr weiß darum" (innerlich ist es aber nur
ein
Nichtwissen, wie damit umgehen). In solchen Momenten bekommt das krampfartige
Gefühl im Magen, das Drücken in der Herz-und Brustgegend. Diese Situation
lässt sich beliebig auch anders übertragen.
In dieser Phase erlebe ich an mir und anderen oft, dass man nach außen hin
sagt, dass man Gott vertraut, aber in Wirklichkeit versucht man alles
menschlich
Mögliche. Eine schwierige Phase. Was heißt es nun, dem Herrn hier zu vertrauen?
Je länger die Lage anhält, desto mehr wird aus frommen Worten ein Rufen
und Klagen. Die Situation entblättert gewissermaßen den wahren Kern meines
Vertrauens, prüft seine Echtheit. Und wo er nicht echt ist, kann er zu echtem
Vertrauen führen!
Die Jünger stellen nun folgendes fest:
Jesus war "hinten im Boot"
Jesus schläft auf einem Kissen
Die Jünger wecken Jesus auf
Die Jünger stellen die Theodizee-Frage
In dieser Situation entstehen parallel zwei Seiten des Vertrauens. Jesus
lebt vor, zu was das Vertrauen in Gott führen kann. Daneben steht die Realität
der Jünger. Jesus schläft inmitten des Fiaskos. Er vertraut Gott. Er weiß,
er wird nicht untergehen. Die Jünger haben diesen Glauben nicht. Ihre
Möglichkeiten
sind erschöpft, danach ist kein Glaube an mehr. Sie schreien zu Jesus (wecken
ihn auf) und fragen, ob es ihn nicht kümmert, dass sie Leid erfahren.
Wie gut kennen wir diese Situation. Die Phase, wo wir vor Gott weinen. Wo
wir nicht verstehen, warum der Herr das alles zulässt. Welchen Sinn das
Ganze haben soll. In dieser Phase lernen wir erst mal nur eines: sich selbst
kennen! Die Selbsterkenntnis ist elementar wichtig, um Gott zu vertrauen.
Die Jünger erkennen, dass sie vieles über die Bibel wissen, viel und oft
mit Jesus leben, vieles in seinem Namen tun. Aber nichts von alledem hat
das Vertrauen wirklich gefördert. Das ist zunächst kein Vorwurf, sondern
eine Feststellung. Der Mensch ist darauf angelegt, sich selbst und seinen
Möglichkeit zu vertrauen. Solange es so ist, kann er leicht über göttliche
Dinge meditieren. Aber die Wirklichkeit wird auf die Probe gestellt. Kann
ich mich - wenn ich am Fallen bin - auf Jesus verlassen? Schlage ich auf
oder werde ich gehalten? Vor allem, wenn das Fallen lange dauert und das
Schweigen des Herrn auch!
1.3. Eine offene Situation (V.38-41)
Nun erfahren wir den Sinn dieser Situation: man macht Erfahrungen mit Gott.
Er demonstriert seine Macht. Folgendes wird erwähnt:
Er steht auf (im Gegensatz zum Wind, der sich erhebt!)
Er bedroht den Wind (der zuvor seine Jünger bedrohte!)
Er befiehl dem Meer (dessen Wogen ins Boot fielen)
Er gebietet Stille (wo zuvor ohrenbetäubender Naturlärm und menschliche
Schreie waren)
Es heißt, dass eine "große Stille" entstand. In der Natur, im
Menschen.
Schweigen auf beiden Seiten. Inmitten dieses Schweigens stellt nun der Herr
eine Frage (wo zuvor die Jünger ihn gefragt hatten). Wo die Jünger die
Theodizee-Frage
stellten, stellt der Herr die Vertrauensfrage: Was seid ihr so furchtsam?
Habt ihr keinen Glauben?
Die Situation bleibt offen. Und offen gelegt ist das Herz der Jünger: Sie
fürchteten sich sehr. Sie fragen sich: wer ist der? Ihm gehorchen die Elemente?
2. Schlussgedanken
In dieser Schlussphase dürfen wir persönlich im guten Sinne werden. Wir
stellen fest, dass man mit dem Herrn noch solange leben kann, im Grunde
aber sich selbst vertraut und nicht dem Herrn. Vertrauen heißt, etwas zu
wagen. Heißt aber auch, ein tiefes Verhältnis mit dem Herrn zu haben. Und
gemeinsam Dinge zu tun, die man vielleicht normalerweise als waghalsig
bezeichnen
würde. Das wäre das aktive Vertrauen.
Aber das Vertrauen wird in uns auch gefördert durch Erlebnisse, die wir
haben. Durch Erfahrungen, die man mit Jesus macht.
Auf jeden Fall gehört die Selbsterkenntnis vor Gott dazu. Das Eingeständnis,
dass ich ohne den Herrn nichts zustande bekomme. Und wenn ein Mensch viel
Leid erfährt, dann kann dies auch dazu führen, dass er den Herrn erlebt
und erkennt.