Predigt über Lukas 18, 1-8

von Michael Strauch


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Einleitung:

Nec tempora perde precando!" „Verliere keine Zeit mit Beten!" Dies hat einmal der römische Dichter Ovid gesagt. Dieser Römer wußte offenbar nichts von der Kraft des Gebets, sonst hätte er so etwas nicht sagen können. Unser Wahlspruch heißt: Ora et labora - bete und arbeite!

Aber kennen wir nicht Situationen in unserem Leben, wo wir sagen: Nec tempora perde precando? Im Leben gibt es ja die unterschiedlichsten Lebensphasen: Wenn ein Ehepaar Kinder bekommt und und die Zeit zum Gebet oft nicht mehr zustande kommt. Oder wenn man sich so stark in die Gemeindearbeit einbringt, dass sinnigerweise ebenfalls keine Zeit zum Beten mehr bleibt. Das Gebet ist wichtig! Wie bejahen es: bete und arbeite, aber wir leben : Verliere keine Zeit zum Beten! All das will ich nicht leichtfertig abtun. Und trotzdem sagt Jesus: Es lohnt sich, wenn das Gebet eine Konstante ist, die sich konstant durch unser Leben zieht. Jesus erzählt uns von einer Frau, die konstant am Ball geblieben ist und am Ende den Sieg davongetragen hat:

Hauptteil

Witwen haben zu allen Zeiten in der Bibel eine wichtige Rolle gespielt. Sie stand auf der Sozialtreppe auf der untersten Stufe. Darum gibt es viele Aussagen und Geboten Gottes, die das Überleben einer Witwe innerhalb des Volkes Israel sichern sollte. Wenn wir Gott selbst reden hören mit den Worten: „Verflucht sei, wer das Recht des Fremdlings, der Waise und der Witwe beugt! Und alles Volk soll sagen: Amen!", dann wird deutlich, wie Witwen in Gottes Augen geachtet sind. Jesus hat sich für sein Thema Gebet also bewußt jemand ausgesucht, der ganz auf die Hilfe und die Barmherzigkeit anderer Menschen, letztlich aber auf Gott angewiesen ist. Nicht zu wissen, was der morgige Tag bringen wird, verstoßen und minder angesehen zu sein gehörte für Witwen zum tagtäglichen Erfahrungshorizont. In der Bibel sind es aber gerade Witwen die „ihr letztes Hemd gegeben haben. Dieser ganz auf Gott gestellte Frau steht der Gott-lose Richter gegenüber.

Das Richteramt hat im alten Israel eine jahrtausendalte, wechselhafte Tradition. Grundsätzlich gilt: Gott ist der alleinige Richter. Er entscheidet über Recht und Unrecht. Grundlage für beides ist das mosaische Gesetz. So wurde Moses als eine Art Repräsentant dieser richterlichen Funktion Gottes eingesetzt Im Buch Richter waren sie zugleich auch die „Retter" ihres Volkes und Vollstrecker des Willens Gottes. Auch König Salomo hören wir zu Gott folgende Bitte äußern: „So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, damit er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies, dein mächtiges Volk zu richten?" (IKö 3,9) Mit der zuneh-menden Gottlosigkeit in Israel ist auch das Amt des Richters mehr und mehr korrumpiert. Bald gab es allerorten „ungerechte Richter". Männer, die Bestechungsgelder annahmen. Es wurden Verhältnisse geschaffen, die den heutigen Erfahrungswerten in nichts nachstehen: die Großen kommen zu ihrem Recht, weil sie mehr Geld, mehr Einfluß, mehr Macht haben. Witwen und Weisen bleiben auf der Strecke. Doch der Grundgedanke dieses Amtes bleibt bestehen: der Richter soll darauf achten, daß Gottes Wille im Volke Gottes zum Zuge kommt.

Nun stehen sich die Beiden gegenüber. Der Richter und die Witwe. Ein Mann, der die Macht hat, ihr zu helfen und ihr diese Hilfe versagt. Für ihn eine scheinbare Kleinigkeit. Ein Mann, vergleichbar mit dem Goliath aus dem AT, der Gott höhnt und allein auf seine Möglichkeiten vertraut. Ihm gegenüber steht die Witwe. Sie hat keine Bestechungsgelder, kennt keine einflußreichen Personen und wird natürlich prompt vom Richter abgelehnt. Er kann sich mit so kleinen Mätzchen nicht aufhalten. Doch in dieser Frau steckt die Größe eines David. Sie beruft auf die Zusagen Gottes In ihr arbeitet eine Kraft, die Jesus für das Gebet als unerläßlich benennt: die Geduld und die Ausdauer. Sie kommt immer wieder und bringt ihr Anliegen vor. Sie läßt nicht locker. Wer weiß, wie lange sie dies durchhält. Und dann geschieht es: in einer ruhigen Minute, vielleicht mitten im Kaffeestündchen beginnt dieser Goliath nachzudenken. Und er denkt dabei ganz nüchtern und systematisch:

 

1.      Diese Frau geht mir auf die Dauer auf den Geist.

2.      Wenn ich ihr nicht Recht gebe, wird sie am Ende noch ausfällig und haut mir ins Gesicht. Der trau ich alles zu.

3.      Die wird nicht ablassen, sie hat die Geduld, die aus der Not geboren ist. Sie weiß, bei ihr steht alles auf dem Spiel. Und eines ist klar. Im Recht ist sie allemal. Der Richter gibt nach.

Jesus hat in seinem Gleichnis bewußt markante Personen ausgewählt. Ein gottloser Richter und eine schlagkräftige, ausdauernde Witwe. Aber hinter dem Amt des Richters, mag es auch noch so verzerrt erscheinen, steht Gott selbst. Gott, der den Seinen zugesagt hat: Bittet, so wird euch gegeben. Suchet, so werdet ihr finden. Klopfet an, so wird euch aufgetan. Vielleicht hat Jesus bewußt einen gottlosen Menschen für seinen Vergleich genommen, weil er weiß, daß Gottlosigkeit, Ablehnung und unerfüllte Wünsche unseren Erfahrungsbereich kennzeichnen. Jesus weiß das und er versteht es so gut! Darum hat er für den betenden Christen den Vergleich mit der Witwe gewählt. Einer Frau, die schwere Zeiten, Erniedrigung und bittere Enttäuschungen buchstabieren kann.

 

Schluss

Der Kampf und der tägliche Frust neben all den fröhmachenden Erfährungen werden immer Hand in Hand gehen. Aber unsichtbar hinter dem sichtbaren Geschehen steht Gott. Gott will uns Kraft und Ausdauer schenken für`s Gebet. Er will seine Verheißungen für uns erleb-und greifbar werden lassen und unseren sichtbaren Horizont erweitem. Solche Erfährungen schenkt er nur den Betern. Allerdings nicht den Instant-Betem, die schnell und zügig ihre Bitte loswerden wollen und möglichst mit dem 24-Stunden Service die Erfüllung im Briefkasten haben. Wer ausdauernd betet, signalisiert der irdischen und himmlischen Welt: ich bin ohne Gott mittellos, auch dann, wenn ich scheinbar viele Mittel habe. Und darum will ich alles von Gott erwarten und will geduldig sein, weil meine Zeit nicht Gottes Zeit ist und mir das Warten manchmal zu lange scheint. Wer nicht betet, bezeugt damit den Lehrsatz Ovids und die Grundhaltung dieses Richters: alles ist machbar, wenn ich die Dinge nur in die Hand nehme. Dieser Christ ist zwar nicht gottlos zu nennen, aber er lebt, als sei er Gott-los. Er handelt, als könne er die Welt bewegen. Diese Haltung führt auf Dauer bei vielen höchstens zum Bum-out! Nein, Beten ist in! Laßt uns nicht nachlässig darin werden.