Bibelarbeit über Johannes 5, 1-9

gehalten von Michael Strauch

 

 

Gliederung:

1.       Klärung der Begriffe, Personen und Orte

2.       Kurzer Ausflug zu Naaman (2Kön 5)

3.       Der Zustand des Menschen von Bethesda

4.       Wie verhält sich der Herr Jesus?

 

 

zu 1: Klärung der Begriffe, Personen und Orte

 

·         Vers 1: Fest der Juden: In Kap 2,13 hören wir besonders an dem Umstand, dass Jesus aufgrund dieses Festes nach Jerusalem hochging, dass es sich um das Passahfest handeln mußte.

·         Vers 2: Schafttor/Teich Bethesda: Jerusalem hat bisheute eine Art Ringmauer um die Stadt herum, die durch verschiedene Tore den Zugang in die Stadt gewähren. Es gab ein Rosstor, ein Wassertor, ein Misttor, ein Fischtor etc. Im Nordosten der Stadt stand der Tempel. Nördlich des Tempels befand sich die Burg Antonia und die in der Nähe die Vorstadt Bethesda. Und wiederum dort lag auch der Teich Bethesda und das besagte Schaftor (auch Benjamintor genannt). Von dort aus gelangte man nach Jericho, Gethsemane, nach Bethanien und den Ölberg.

·         Bethesda: (Beth (Haus) Hesda (Barmherzigkeit)) – Haus der Barmherzigkeit. Es handelt sich dabei um ein Gebäude, das erst im letzten Jahrhundert ausgegraben und historisch nachweisbar festgehalten werden kann. Demnach hat man sich einen rechteckigen Bau vorzustellen. Er ist zweigeteilt mit jeweils zwei Bassins. Umgeben sind beide Abteilungen mit Gängen rund um das Wasserbassin, die ähnlich beim Tempel mit lauter Säulen versehen sind – darum auch Säulenhalle genannt. An der Seite befindet sich ein zusätzliches Gebäude. Insgesamt gab es in allen Gebäuden 5 Säulenhallen, große und kleine. In der Wissenschaft ist dieser Teich lange als Legende abgetan worden, aber er existierte wirklich. Der Name wurde durch die Funde von Qumran bestätigt.

 

 

Zu 2: Kurzer Ausflug zu Naaman (2Kön 5)

 

Man kennt diese Geschichte gut aus dem AT, wo der Feldhauptmann Naaman (ein Aramäer). Es heißt von ihm, er sei ein „trefflicher Mann...durch ihn gab Gott den Aramäern Siege (!), aber er war aussätzig. Zu diesem spricht der Prophet Elisa, dass er sich siebenmal im Jordan waschen sollte, dann würder er von seinem Aussatz befreit. Als er das tut, wird er gesund.

Wasser, besonders in Israel (im Jordan hat Johannes getauft), hat eine große Bedeutung. Im Wasser wurde der „alte Mensch“ untergetaucht, der „neue Mensch“ ersteht bei der Taufe. Um sich vor Gott zu heiligen, mussten sich die Juden rituell waschen. Das Wasser hat demnach reinigende, heilende und von Sünde befreiende Wirkung, bildlich gesprochen. In der Hochzeit zu Kana verwandelt Jesus Wasser zu Wein, was wiederum Bild ist für sein Blut und damit für die Erlösung.

Der Teich Bethesda, dessen Wasser wie ich vermute von der Gihonquelle – Kidrontal – gespeist wurde, hatte demnach im Glauben der Menschen heilende und von Sünde reinigende Wirkung. Es ging also um beides: Befreiung von Sünde und Befreiung von Krankheit.

 

Thomas Mann hat einmal einen vortrefflichen Roman geschrieben mit dem Titel: Der Zauberberg. In diesem Buch geht es um eine Lungenheilanstalt in den schweizer Bergen. Die Menschen, die sich den Aufenthalt leisten können, kommen dorthin, um gesund zu werden. Thomas Mann macht deutlich in diesem Roman, dass die eigentlich Krankheit des Menschen wo anders liegt: in seinem Inneren, in seinem Charakter, in seiner Schuld.

Solch ein Ort ist vermutlich Bethesda gewesen. Dort kamen Menschen hin und lebten dort, weil sie sich Befreiung erhofften. Was einen wundert, dass ein Mensch, der schon fast 40 Jahre dort sich aufhält, immer noch an seine Heilung glaubt. Gesund zu werden, dazu zu gehören, in der Gesellschaft eingegliedert zu werden hat für viele Menschen höchste Priorität.

Ähnlich einer katholischen Wallfahrtsstätte umgibt dieses Gebäude ein Geheimnis. Zu bestimmten Zeiten erscheint ein Engel. Berührt er das Wasser (es heißt, er fuhr ins Wasser hinein), hatte das Wasser für einen Menschen heilende Wirkung.

 

3.       Der Zustand des Menschen von Bethesda

 

Ich versuche mir vorzustellen, wie es in diesen Hallen zuging. War es wirklich ein „Ort der Barm-herzigkeit?“ Noch stärker drängt sich die Frage auf: stimmt es, dass ein Engel herniederfuhr? Zumal Vers 3+4 sich eindeutig in späteren Handschriften wiederfinden. Reicht die himmlische, reinigende Wirkung nur für einen und was noch viel ärger wirkt: für den Schnellsten?

Man dazu stehen, wie man will, aber der Kranke hat offenbar gesehen, wie das Wasser sich bewegt hat und jemand hineingegangen ist (Vers 7). Er spricht aber nicht davon, ob er gesund wurde. Was, wenn das Wasser sich durch einen Windhauch bewegt hat, was muss das für ein Drängen, Hetzen und Stoßen gewesen sein. Kam dadurch nicht die eigentliche Natur des Menschen durch, wenn es um seine Gesundheit geht und jeder „der Erste“ sein will? Und wie angespannt muss das Leben gewesen sein. Keiner hat vermutlich dem anderen richtig zugehört, es könnte ja sein, dass sich das Wasser bewege. Gab es eine Rangordnung, in die die Neuen sich einzufügen hatten, die wiederum oft genug gebrochen wurde, wenn es um diese einmalige Chance der Heilung ging?

 

Als Jesus die Kranken besucht, trifft er auf einen Mann, von dem wir folgendes erfahren:

 

1.       Er wohnte im „Schwimmbad“ bereits seit 38 Jahren! Vermutlich hat er in den Beinen eine Lähmung.

2.       Er sagt: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt. Jeder denkt zuerst an sich.

3.       Vielleicht hat er in all den Jahren ein Gespür bekommen, wann das Wasser sich bewegt. Vielleicht hielt er sich immer in der Nähe auf. Doch er kam dennoch stets zu spät.

 

 

4.       Wie verhält sich der Herr Jesus?

 

a.       Jesus besucht Kranke. Es heißt, als Jesus „den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte...“ (V.6) Jesus sieht und hört! Er sieht und hört, noch bevor der Kranke ihn kennt, sieht und hört. Jesu Barmherzigkeit richtet sich nicht nach der Schwere der Erkrankung, sondern nach seiner Dauer. Wie lange leidet ein Mensch? Wie lange kann er leiden? Wann verlischt seine Hoffnung? Ab wann beginnt er, mit der Krankheit zu leben? Im Zauberberg wird deutlich, dass die Menschen gar nicht gesund werden wollen, weil sie sich in ihrer Krankheit wohlfühlen. Auch das gibt es. Ob es auf diesen Kranken zutrifft, bleibt spekulativ. Interessant ist nur, dass Jesus ihn fragt, ob er gesund werden wolle.

b.       Jesus spricht ihn an: „Willst Du gesund werden!“ (V.6) Die Frage erscheint eigenartig. Denn wenn der Mann nicht gesund werden wollte, warum wäre er dann hier? Warum fragt der Herr so etwas? Die Krankheit ist etwas heimtückisches. Es gibt Kinder, die sich ganz bewußt erkälten, um z.B. vom ungeliebten Sport in der Schule fernzubleiben. Andere erkranken physisch, weil ein psychisches Problem vorliegt. In dem Buch „Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen“ fragt die Therapeutin ein an Schizophrenie erkranktes Mädchen, ob sie gesund werden wolle. Sie fragt daraufhin, ob es denn in der Realität soviel besser sei als in der geschaffenen Scheinwelt. Darauf die Therapeutin: „Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen.“ Der Satz ist Programm: der Mensch, besonders der lange leidende Mensch braucht den Wunsch und Willen, gesund werden zu wollen. Im Zauberberg sagt der Protagonist, dass die Krankheit einem eine Würde verleihe. Man wird beachtet, gepflegt. Die Krankheit verbindet die Kranken miteinander.

Die Krankheit wird – so denke ich – in der Regel von diesen Menschen gehaßt, doch zugleich läßt man nicht los, weil auch die Gesundung nicht das Paradies auf Erden bedeutet.

c.       Der Kranke antwortet fast entschuldigend: Verzeihung, dass ich seit fast 4 Jahrzehnten der Krankenkasse auf der Tasche liege. Aber niemand hilft mir wirklich. Der Kranke antwortet auf Jesu Frage nicht mit einem eindeutigen „Ja, ich will!“ Er bezeugt, was alle wissen: er kommt zu spät zum Wunder der Wasserheilung. Doch auch das darf sein. Jesus hört dem Kranken zu. Der Kranke darf sagen, was ihn beschäftigt, bedrückt und Jesus hört gewissermassen aus der Beschreibung das Ja heraus.

d.       Jesus befiehlt nun dem Kranken: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ (Vers 9)

„Steh auf!“ Jesus sagt das zu einem Mann, der nicht weiß, wer er ist. Ein Wunderheiler vielleicht? Er nennt ihn ja „Herr“. Wir hören nichts davon, dass der Mann in seinen Beinen gespürt hätte, dass neue Kraft in die Glieder kommt. Kein Kribbeln und Zucken. Steh auf, sagt Jesus. Handle Du im Glauben jetzt. Wage einen Schritt aus dem Elend nach außen. Steh auf, meine Kraft ist in dir, und führe das Leben außerhalb von Bethesda fort.

„Nimm dein Bett“ - das Zeichen deiner Niederlage, deiner Tränen, deiner zerstörten Hoffnungen, aber auch der Ort, wo dein kleines „Königreich“ ist. Bis heute ist im Krankenbesuch der Besucher angehalten, nicht ungefragt sich ans Bett des Kranken zu setzen, denn es ist der Privatbereich, den der Kranke hat. Nimm dein Bett, deine Sicherheit, dein Privatbereich und geh damit raus. Raus zu den Menschen. Ein neuer Abschnitt beginnt. Jesus sagt: „Geh hin...“ Löse dich bewußt vom Hort der Krankheit. Jesus allein kann helfen. Und Jesus will das Leben.

 

5.       Wieder im Alltag

 

In den Versen 10-18 erfahren wir, wie das Leben den Geheilten wieder umgibt. Das Leben mit der Kleinkariertheit der Menschen (warum trägst du dein Bett am Sabbath)? Vermutlich war in Bethesda jeder Tag Sabbath. Der Kranke wußte noch nicht einmal den Namen des Heilers. Aber wir finden ihn im Tempel wieder. Dort, unbeachtet von den anderen begegnet ihm Jesus noch einmal. Und sein Satz läßt viele Fragen offen: „Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas ärgeres widerfahre!“

Wenn Jesus sagt „sündige hinfort nicht mehr“, dann meint er etwas ganz Bestimmtes. Denn kein Mensch kann ohne Sünde auskommen, jeder fällt irgendwann in Schuld. Ich denke an Johannes 8,11, wo Jesus zur Ehebrecherin sagt: geh hin und sündige hinfort nicht mehr! Gemeint ist, sie solle den vorehelichen, gewinnbringenden Geschlechtsverkehr unterlassen.

Hat unser Kranker etwas ähnliches getan? Wieviele Menschen sind krank, nicht, weil sie ein „Unglück“ getroffen hätte, sondern weil ihre Lebensweise sie krank gemacht hat? Alkohol, Völlerei, sexuelle Freizügigkeit etc. Es bleibt im Dunkeln. Jesus zitiert bei solchen Betroffenen ihre Sünden nicht. Er weiß darum, der Andere weiß darum, das genügt.

Was Jesus deutlich machen will ist: Dir ist mehr widerfahren als eine physische Heilung. Die Heilungen sind Abglanz des messianischen Wirkens (Vers 17-18). Wer hier Heilung erfährt soll wissen, dass die geistliche Heilung eine viel wichtigere ist und dass die Sünde ein viel tödlichere Krankheit ist und das der Mensch aufgefordert ist, sein „Leben in die Hand zu nehmen“, vor Christus zu kommen, ihm alles anzubefehlen und als ein erneuerte Mensch zu Christus zu gehören.