Johannes 4, 5-14

 

Textauswahl

Joh 4,5-14 und 4,19-26 kann man nicht auseinanderreissen und dazu noch die Verse 15-18 ganz weglassen. Aber man kann nach der jeweiligen Verlesung von 4,3-42 einen Schwerpunkt aus 4,3-14 oder 4,19ff usw. herausgreifen. Es dürfte allerdings in der Predigtordnung auch ein Text nicht fehlen, in dem 4,42 als Schwerpunkt und Ziel johanneischer Theologie zu finden ist.

 

Trinken (Joh 4) und Essen (Joh 6)

Nachdem der Evangelist bei einer Erweiterung seines Evangeliums wahrscheinlich Joh 5 zwischen die ursprünglich zusammenstehenden Kapitel 4 und 6 eingeschoben hat, koennte man Predigten über Joh 4 (Wasser des Lebens) und Joh 6 (Brot des Lebens) auch einmal an zwei Sonntagen hintereinander halten in Parallele zum Sprichwort: „Essen und Trinken haelt Leib und Seele zusammen.“

 

Der auf Wasser und Brot fixierte Mensch

Der einseitig auf Wasser und Brot fixierte Mensch begegnet in Jesus dem, der Trank und Speise anbietet, die zum Leben führen, das bleibt.

 

Ueberschreitung von zwei Grenzen

Indem Jesus den durch jahrhundertealte Feindschaft vertieften Graben zu den Samaritanern überschreitet und die durch lange Tradition gesetzte Grenze zu den Frauen zerstoert, erweist er sich als Heiland der Welt (Joh 4,42). Juden in Joh 6 begegnet er als „Heiliger Gottes“.

Die Aufhebung von Feindschaft zwischen Menschen und die Zuwendung zu ihnen, ohne sie auf ihre Vergangenheit festzulegen, das gehoert zum „lebendigen Wasser“. Vordergründige Symbole (Wasser, Brot...) werden durch Jesus in ihrer Hintergründigkeit aufgezeigt und eroeffnen dadurch dem Menschen bis in unsere Gegenwart eine Weite, die ihn befreit und in Bewegung bringt zu anderen Menschen in ihrem Gefangensein, sodass sie Leben in umfassenden Sinn kennen lernen, Leben, das nicht enden kann, weil es von Gott ist und zu Gott führt.

 

Johannes 4, 19-26

 

Ein Menschheitsproblem

In dem kleinen Abschnitt ist eine ungeheure Spannung enthalten: Zwischen einer einzelnen Frau mit ihrem Lebens- und Glaubensproblem und Jesus, der sich mit diesem Lebens- und Glaubensproblem befasst, aber so befasst, dass seine Antwort ein bedrückendes religioeses Menschheitsproblem anspricht, das Weltreligionen und Weltpolitik bis zum heutigen Tag in hohem Masse bestimmt:

Wo ist der rechte Ort der Anbetung und in wessen Besitz ist er?

 

Der Vater als Ort der Anbetung

Da stehen Traditionen gegeneinander und Autoritaeten. Die Frau meint, dass Jesus zur anderen Seite gehoert – „ihr sagt...“ (4,20). Aber aus ihrem bisherigen Gespraech mit Jesus traut sie ihm auch zu, sich auf ihre Seite zu stellen: als Prophet (4,19) ist man keiner der beiden Seiten verpflichtet, nur Gott. Wenn sie von Jesus eine Entscheidung erwartet, zeigt sie eine Unsicherheit in ihrer eigenen Haltung und auch ihres eigenen Volkes, das nach Dtn 18,15ff eine Nachfolgegestalt des Mose erwartet, die strittige Religionsfragen klaeren wird, den „Taheb“. Jesus nimmt die Hoffnung der Frau auf, wenn er sagt, dass die Stunde kommen wird, die Stunde der Klaerung, aber er zeigt eine neue und von beiden Seiten unerwartete Moeglichkeit auf und spricht einigend von der Anbetung des „Vaters“ – des Vaters der Samaritaner und der Juden. Im Vater ist der Ort der Anbetung gegeben, den man nicht geographisch festlegen kann. Man versteht die Hintergründigkeit der Worte Jesu in 4,2^1 meiner Meinung nach nicht, wenn man sie so auslegt: Ihr Samaritaner werdet weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten. Ihr Samaritaner betet an, was ihr nicht wisst, aber wir Juden wissen es! Ich meine, dass Jesus die Anbeter auf dem Berge Garizim und in Jerusalem mit denen meint, die nicht wissen, was sie anbeten.

 

Der Vater laedt jetzt durch seinen Gesandten zur Anbetung ein

Joh 5,37f wirft er jüdischen Zuhoerern, die ihn toeten wollen, vor: „Und der Vater, der mich gesandt hat, der hat von mir gezeugt. Ihr habt niemals weder seine Stimme gehoert noch seine Gestalt gesehen und sein Wort habt ihr nicht in euch wohnen, denn ihr glaubt dem nicht, den er gesandt hat.“ Und Joh 8,54f heisst es: „Es ist aber mein Vater, der mich ehrt, von welchem ihr sprecht: Er ist unser Gott, und kennt ihn nicht...“. Jesus versteht die als die wahren Anbeter, die den sowohl Juden als auch Samaritanern im Juda-Segen (Gen 49,8-12 vgl. Joh 4,22) verheissenen Messias anbeten – und in ihm den Vater, und zwar im Geist und in der Wahrheit. Geist und Wahrheit (4,24) gehen aber von Jesus aus. Und die Zeit, in der diese Anbetung geschieht, ist nicht mehr – wie noch in Joh 4,21 – zukünftig, sondern sie ist da in Jesus.

 

Begegnung jetzt – oder in eine unbestimmte Zukunft ausweichen?

Die Frau kennt diese Juda-Verheissung, wie alle Samaritaner, die ja die Fünf Bücher Mose anerkennen, aber sie redet weiter von dem Messias als einem Zukünftigen, als haette sie Jesu Worte nicht gehoert. Jesus aber ruft sie ins Jetzt der Entscheidung mit seinen Worten: „Ich bin’s, der mit dir jetzt redet.“

Die samaritanische Frau – und wir mit ihr – begegnen in Joh 4 einer Christologie, die nicht auf der Basis der Kreuzigung entstanden ist, sondern auf der Basis der Begegnung und des prophetischen Redens.

Am Ende der Samaria-Geschichte steht ein Bekenntnis vieler.

 

Predigt

Wie kann man in der Predigt mit diesem eschatologisch und christologisch bis zum Bersten gefüllten Text umgehen?

Es geht nur im Bedenken der je eigenen Lebenssituation, des eigenen Versagens, der eigenen Wünsche und der Abgrenzungen von anderen. Es geht nur in der Erfahrung, dass Gott in Christus zu mir spricht und mich zu echter Anbetung führen will. Die Geschichte der Frau geht nach 4,26ff – gewendet und verkündigend, weiter und auch meine Geschichte kann so weiter gehen.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm