Joh 1,35-42
Werbung für die groesste Sache der Welt
Joh 1,35ff gehoert in die Reihe der Taeufertexte, die mit 1,6-8 beginnen. Diejenigen, die sich
einmal als Taeuferjünger verstanden haben oder z.Zt. des Evangelisten noch verstehen, sollen auf
verschiedene Weise auf Jesus als den Mittelpunkt der Erwartungen der Menschen
gewiesen werden: Jesus ist das Lamm Gottes, das die Sünde des ganzen Kosmos traegt. Hier wird also eine Aussage über alle Menschen in
allen Zeiten gemacht – und das ist eine entlastende Aussage, denn Sünde wird
weggenommen. Neben diese Aussage werden im Verlauf des Evangeliums die grossen Aussagen von der Liebe Gottes zum Kosmos treten,
von der Absicht, alle zu heilen und jedem das Leben anzubieten. Alle drei grosse Zusagen stehen in
Verbindung mit Texten aus dem Alten Testament:
Das Lamm steht in Verbindung mit
Jes 52,13ff, dem Lied vom Gottesknecht, der erhoeht und sehr hoch erhaben sein soll.
Die Heilung steht in Verbindung
mit Jes 6,10, aus der Vision mit der Beauftragung
dessen, der sich senden laesst vom Vater.
Das Leben steht in Verbindung
mit Jes 28,12, der Proklamation, dass in Zion der Endzeit-Koenig eingesetzt werden soll. Wer, (d.h., jeder,
der) an ihn glaubt, soll leben (so das Verstaendnis
des hebraeischen Textes durch LXX, Targum und schliesslich auch
durch Johannes und andere.
Jesus als Zentrum aller Erwartungen
Der Taeufer meint mit seiner Proklamation, dass alle Heils-
oder Unheilsbewegungen – auch die, die sich um ihn selbst gebildet hat – sich
an Jesus als dem Lamm Gottes, dem Braeutigam...
orientieren müssen. Gott gibt den Geist nicht nach dem Mass,
nicht gestückelt, sondern in und durch Jesus.
Jesus ohne Vorurteile sehen
Bis zu Joh 1,37 hat man von Jesus noch kein Wort gehoert. Erst in 1,38f findet sich ein erster kleiner
Dialog. Dass das „Rabbi“ dieses Dialoges ins Griechische übersetzt werden muss,
deutet darauf hin, dass der Evangelist oder ein Abschreiber auch heidnische
Leser im Blick gehabt hat – also den gesamten Kosmos. Das „kommt und seht“ ist
eine Generaleinladung für alle Menschen aller Zeiten, sich ein eigenes Bild von
Jesus ohne Vorurteile zu machen. Im Verlaufe des Evangeliums werden dann die
verschiedensten Menschen auftreten, denen die Augen aufgehen oder die nicht
kommen und sehen wollen und koennen.
Aus der Begegnung erwaechst Andreas ein Name
für Jesus
Als
erster, der sowohl den Taeufer als auch Jesus verstanden
hat, wird Andreas genannt. Er wird in seinen Worten das „kommt und seht“ vor
seinem Bruder Petrus aussprechen. Er benutzt für Jesus das Wort „Messias“
(wieder übersetzt). Es ist für den Evangelisten nur eins von vielen Worten, die
versuchen, Jesus in seiner Bedeutung für die Menschen zu beschreiben. Wir hoeren dann im Evangelium u.a.
vom „Sohn“, vom „Menschensohn“, von „dem Propheten“, vom „Koenig“ der Wahrheit.
Unsere Begegnung
Menschen
in unserer Zeit haben also die Moeglichkeit, ihre
eigene Erfahrung mit Jesus in ihrer je eigenen Begrifflichkeit zu beschreiben,
damit andere Menschen – wie in der Geschichte der Petrus – kommen und sehen und
mit Jesus in eine für sie heilsame Beziehung treten. Mit dem „Kommt und seht!“
werden Menschen zu einem Lebensprozess eingeladen, der viele Stationen hat –
auch das Kreuz, auch Ostern, auch den Parakleten.
Spannweite:
Jesus zwischen groesster Niedrigkeit und groesster Hoheit
In
diesem kurzen Predigttext stehen die beiden Bezeichnungen für die groesste Niedrigkeit Jesu – „Lamm“ und für die groesste Hoheit Jesu „Lamm Gottes“, „Messias“. In dieser grossen Spannweite von Erniedrigung und Herrlichkeit wird
dann das ganze Evangelium stehen und wird Meister und Nachfolger/innen
betreffen.
Es lohnt
sich, im Evangelium die anderen Stellen anzuschauen und zu bedenken, die vom
Messias sprechen und auch die, hinter denen das Bild vom Lamm, vom erniedrigten
und erhoehten Knecht steht.
Diese Abhandlung ist hier entnommen:
http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm