Joh 1,1-5 (6-8) 9-14
Dieser
schwere Text kann eine Hilfe nach mancherlei abgeflachten Weihnachtsfeiern
sein. Er wird am 2. Weihnachtsfeiertag auf hoerbereite
Menschen treffen.
Im Anfang
Das
erste Wort „Im Anfang“ laesst aufhorchen. Mit
dem Anfang des Kosmos beschaeftigt sich ein ganzer
Wissenschaftszweig mit stets verfeinerten Methoden und Hilfsmitteln. Sobald wir
selbst aus unseren Lebensraetseln heraus nach
Ursachen forschen, begeben wir uns auf einen vergleichbaren Weg.
Im
Predigttext ist es umgekehrt: Der Anfang muss nicht erforscht werden, er steht
fest, aber nun gilt es, den Weg vom Anfang hin zum Menschen, zu uns (1,5- von
der Finsternis zur Herrlichkeit, 1,14) zu gehen.
Juden und ihre Lesung ‚Im Anfang’
Juden
haben die Lesung vom Anfang (Gen 1,1ff) an den Anfang ihres Lesungsjahres,
am Fest der Freude am Gesetz im Herbst, gesetzt. Dann folgt Jahr fuer Jahr die Lesung der Fünf Bücher Mose
mit Hoehen und Tiefen des Einzelnen und des Volkes,
mit Rückblick und Verheissung. Und immer wieder heisst es jedes Jahr „Im Anfang“, und der Kreis von Hoerern kann seinen Lebensweg, selbst neu anfangend, veraendern.
Christen und ihr Lied ‚Im Anfang’
Christen,
die das Lied vom Anfang Joh 1,1ff gedichtet haben,
stehen in dieser jüdischen Tradition und haben ihr doch das entscheidend
Neue hinzuzusetzen: „Das Wort ward Fleisch...“, 1,14. Vor der Aussage in
1,14 aber werden zwei Irrwege, die der Mensch in allen Zeiten bis zur Jetztzeit
geht, aufgezeichnet:
Zwei Irrwege
a) ein
genereller Irrweg und
b) ein
spezieller Irrweg:
a) Der
generelle Irrweg: Dass Menschen, die aus Finsternis herauskommen koennen, das Licht, das ihnen scheint, nicht aufnehmen.
Plato hat in seinem Hoehlengleichnis diese
Menschheitshaltung sehr plastisch geschildert. Am Ende werden die in der Hoehle Befindlichen den, der sei zum Licht bringen moechte und sie zum Leben im Licht auffordert, toeten und so lieber in der Hoehle
bleiben. („...er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht
auf.“)
b) Der
spezielle Irrweg: Die ursprünglich so schoene
Einheit des Logosliedes von Gott, der fuer die Menschen da ist, wird durch die Verse 6-8 hart
unterbrochen: Anhaenger Johannes des Taeufers haben den Taeufer
in den Mittelpunkt ihrer Verehrung und Verkündigung als Lichtgestalt
gestellt. Weil sie das Zeugnis des Taeufers, das auf
Jesus als Licht hingewiesen hat, nicht gehoert haben
und in ihrer Verehrung des Taeufers Jesus auch in der
Zeit des Evangelisten Johannes (um 90 n. Chr.) weitgehend Jesus als Licht
abgelehnt haben, sind sie wie die in V.5 Angesprochenen in der Finsternis
geblieben. Die johanneische Gemeinde will dies durch
ihr Lied vom Anfang und durch manches andere über den Taeufer
und vom Taeufer Ausgesprochene im Evangelium
korrigieren: Licht ist fuer die johanneische Gemeinde nach dem Willen Gottes nicht ein
lokales Geschehen am Jordan, sondern (s. Joh 1,9) ein
weltweites Geschehen durch den, der bei Gott war und von ihm gesandt ist.
Der
spezielle Irrweg birgt also fuer uns seine besondere
Bedeutung in sich:
Wir koennen Menschen unserer Zeit, die sich in der
Politik ihre Lichtgestalt geschaffen haben oder ihre kapitalistische Glitzer-
und Glimmerwelt und diese schon fuer das Ziel ihres
Lebens halten, auf ihre groessere Lebensmoeglichkeit
hinweisen, wie es die getan haben, die Joh 1,14
ausgesprochen haben. „Wir sahen seine Herrlichkeit...“.
...ward
Fleisch
Dass
sie von „Fleisch“ gesprochen haben, vom Wort Gottes, das Fleisch wird,
ist fuer uns solange unverstaendlich,
als wir nicht sehen, dass fuer jene johanneische Gemeinde zwei alttestamentliche Worte in
Erfüllung gegangen sind: Jesaja 6 und LXX Psalm 39
(Wer sich über diese beiden Texte in johanneischer Sicht informieren moechte,
findet auf der homepage zwei Artikel: „Wie der
Evangelist Johannes gemaess Joh
12,37ff Jes 6 gelesen hat“ und: „Vom Hebraeerbrief zum Johannesevangelium“).
Lichtbringer
ist der, der sich nach Jes 6 von Gott senden laesst und als Mensch wie jeder andere Mensch lebt und
dieses Leben als Leib (sarx/soma
– so in der LXX Ps 39, vgl Hebr 10,5) fuer das Leben der
Welt einsetzt.
Menschen koennen nicht nur Jünger des Taeufers oder des Mose usw.
werden, sondern durch Jesus Kinder Gottes, von Gott gelehrt (Joh 6,45). Christen sind der Welt, die nach den Anfaengen und Ursachen forschen, das Wort vom Anfang
schuldig, damit Menschen zwischen sich nicht Finsternis haben, sondern Licht des
Lebens.
Der Logos
Sehr
schwierig ist es heute, zu dem Begriff „Logos“ einen Zugang zu finden.
So, wie es schwierig waere, einem Menschen von vor
100 Jahren den Begriff „software“ zu erklaeren und wir einen langen Anmarschweg bis zu einer ungefaehren Erklaerung finden,
ist es trotz eines langen Anmarschweges fast unmoeglich,
den Begriff „Logos“ einem Menschen heute nahe zu bringen. In einer Bibelstunde koennte ich den langen Anmarschweg versuchen – nicht aber
in der Predigt. Was kann ich dann in der Predigt überhaupt tun? Soll ich sagen:
Im Anfang war Christus in seiner noch nicht Mensch gewordenen Form? Oder soll
ich sagen: Im Anfang war Gott mit seiner umfassenden Moeglichkeit?
Auf jeden Fall müsste man nach johanneischem Verstaendnis sagen: Im Anfang war etwas total anderes als
etwas Materielles. Aus dem heraus ist dann alles entstanden – auch der Mensch.
Gab es einmal die Suche nach dem Atom, so koennte man
den Logos vielleicht als „pneumatisches Atom“ bezeichnen. Für Johannes
ist der Logos die Verbindung zwischen Gott und Mensch, Gott und Menschen
zugewandt: In Jesus begegnet mir Gott. In Jesus kann ich Gott begegnen.
Der
Logos wurde also nicht ein angenehmes Weihnachtsgeschenk, sondern auf den Tod
und auf Gott zugehender Mensch, der Heilung und Heil den Menschen schenken
will, Gnade und Wahrheit.
Diese Abhandlung ist hier entnommen:
http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm