Predigt über Johannes 1, 1-14, verfaßt
von Erik Høeg-Andersen (Dänemark)
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Unten
im Sünden, wo es wärmer ist als hier, in Ephesus in Kleinasien, saß einmal vor
vielen Jahren ein alter Mann. Er war so alt, daß man
ihn einen Greis nennen konnte. Und er redete und sprach auch so wie nur alte
Menschen das können. In seinen Worten war Tiefe. Die Erfahrung eines langen
Lebens lag in ihnen. Und dann redete er in einer merkwürdig rollenden Art, wo
ein Wort oder ein Bild immer mehr bedeutete, während sich ein Gedanke zum
anderen fügte.
Um den Alten, der nun
schon fast neunzig Jahre alt war, saßen junge Leute. Sie hörten ihn erzählen,
schrieben auf, was sie hören, und fragten ihn aus. Sie waren Christen, diese
jungen Leute, sie kannten einander gut. Und der alte Mann, ja er hieß Johannes
und war in seiner Jugend einem Mann begegnet, der alles veränderte. Johannes
war einer der Jünger Jesu gewesen, und davon erzählte er nun, was all das zu
bedeuten hatte.
Ja, wie hatte den alles
im Grunde angefangen, fragte einer der jungen Leute. Wie es anfing? Das hatten
sie natürlich gelesen bei Markus und Matthäus und Lukas und wie sie alle
heißen, alle die, die die Geschichte niedergeschrieben haben. Sie hatten gehört
von Kaiser Augustus und der Volkszählung und vom Kind, das aus dem Hause Davids
war und in einem Stall geboren wurde. Und sie hatten von den Hirten auf dem
Felde gehört und vom Gesang der Engel. Aber nun saßen sie also hier mit einem
Jünger des Herren selbst. Sie wollten lieber aus
seinem eigenen Munde hören als von Leuten lesen, die sie nicht kannten.
Wie es begann? Johannes
greift die Frage auf, wartet etwas und beginnt, langsam und würdig, wie zu
erwarten: "Im Anfang ..., das war, glaube ich, draußen am Jordan, wo
Johannes der Täufer die Leute zur Taufe rief. Da kam eines Tages jemand, den
wir nicht kannten, und er ... Nein, das war nicht der Anfang!" Johannes
hält ein. Seine Gedanken gehen weiter zurück. Zum Täufer selbst, und weiter zu
den Propheten, die schon damals von dem Christus sprachen, der kommen sollte
... Aber das war auch nicht der Anfang.
Johannes hat längst alle
Propheten und Geburtslegenden und -erzählungen von Bethlehem und Nazareth
übersprungen, als er wieder das Wort ergreift: "Ja, seht Ihr", sagt
er, "im Anfang war das Wort" ...., so lange
ist das her, vor der Schöpfung, beim ewigen und unsichtbaren Gott. Und Johannes
fährt nun fort in seinem rollenden, stets weiter bauenden Stil: "Und das
Wort war bei Gott. Und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott".
Die nun bekannten Worte
erklingen eines nach dem anderen - in einer Bewegung, die aus der Ferne, aus
der Ewigkeit Gottes hin zu dieser Welt geht.
Und er erzählt nun von
der Finsternis in der Welt und dem Licht des Wortes Gottes, und die Finsternis
will es ergreifen, wo es leuchtet, aber sie kann das Licht nicht ergreifen.
So war es, denkt
Johannes, und kommt nun zum nächsten Anfang, damals, als der Täufer auftrat.
Der Täufer war ein Mensch, von Gott gesandt, um vom Licht zu zeugen, auch wenn
er nicht selbst das Licht war.
Und Johannes spricht
weiter vom Licht, langsam und mit seiner eigenen inneren Begeisterung, wie er
es liebt, von dem wahren Licht, das nun alle Menschen erleuchtet. Er spricht
von dem Wort. Und schließlich kommt er in einer Art Triumph zu dem, worum alles
geht: "Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine
Herrlichkeit...". Das war es nämlich, was
Johannes und die anderen Jünger gesehen hatten, als sie mit Jesus auf Erden
wandelten.
Das war das
Entscheidende, was er in seinem Alter zu erzählen hatte. Daß
er die Herrlichkeit Gottes gesehen hatte, voll von Gnade und Wahrheit. Er hatte
in Christus all das gesehen, was bei Gott von Ewigkeit an gewesen war. Er hatte
das Licht kommen sehen, das Licht vom Morgen der Schöpfung. Er hatte in die
Ewigkeit selbst hineingesehen.
Wie hat es eigentlich
angefangen? Das war es, was die Jungen den alten Johannes gefragt hatten. Und
sie hatten wohl damit gerechnet, daß er ihnen
Geschichten und Anekdoten aus den Tagen der Jugend erzählte. Aber eine solche
Antwort erhielten sie nicht. Sie erhielten eine Antwort, die weit, weit über
das hinausging, was sie sich in irgendeiner Weise vorgestellt hatten. Er hatte
ihnen von einem Anfang erzählt, der größer war, als sie je gedacht hatten.
Und die jungen Leute,
die sich Christen nannten, vielleicht haben sie ja, jedenfalls besser als
vorher, verstanden, worauf sie sich in Wirklichkeit eingelassen hatten. Sie
waren nämlich nicht nur eine Schar von Jesus-Anhängern, die sich um das
versammelten, was ein Mann vor einigen Jahrzehnten gesagt und getan hatte. Sie
waren nicht nur ein mehr oder weniger zufälliger Verein oder eine Sekte oder
eine Partei. Nein, sie waren an etwas beteiligt, das schon weit zurück in der
Ewigkeit bei Gott begonnen hatte, bevor die Menschen und diese Welt entstanden
waren. Sie waren an etwas beteiligt, das nicht nur für einige wenige Bedeutung
hatte, sondern für die ganze Welt. Ja, sie trugen das Licht in sich, das wahre
Licht, das im Anfang bei Gott war, und dies Licht sollten sie nun tragen hinaus
in eine Welt, die ungastlich und finster war.
Wie alles anfing? Es
begann vor aller Zeit, und es begann jetzt wieder. Es war in der Welt, es war
in ihnen.
Wieviel die jungen Freude und
Nachfolger des Johannes verstanden, wenn er erzählte, können wir natürlich
nicht wissen. Aber so hat er also erzählt, der alte Mann in Ephesus, vom Anfang
damals und vom Anfang jetzt.
Und wir hören nun die
Worte wieder, hier mitten in der allerdunkelsten Zeit, wo wir Weihnachten
feiern. Das macht guten Sinn. Denn gerade Weihnachten ist ja, solange wie wir
überhaupt dieses Fest kennen, das Fest des neuen Anfangs gewesen. Eine Somnnenwendfeier, bei der man die Wiederkehr des Lichtes
feierte. Die Tage wurden länger von da an. Das Jahr war wieder auf dem Wege zum
Frühjahr und Sommer. Und um gleichsam das Licht hervorzulocken, zündeten die
Alten Wikinger Feuer an auf den Hügeln - die Macht der Finsternis sollte ein
Ende haben.
Drinnen trank man zu
diesem Fest, ein festliches "Prost" für das Jahr und den Frieden
wurde ausgerufen, alle Männer tranken aus dem Horn und erhielten so neue Kraft.
Dann erzählte man von der Entstehung der Welt, vom ersten Anfang. Das wurde in
dramatischer Form dargestellt. Und als das Fest vorbei war, wußte
man, daß nun ein neuer Anfang gemacht war. Nun
rührten sich die Kräfte der Schöpfung wieder.
Das Licht in der
Finsternis, das die Welt nicht ergreifen kann, der neue Anfang, das ist in
einer Weise das, was dieses Fest im alten Norden wie unser christliches
Weihnachtsfest bedeutet.
Man darf aber natürlich
nicht vergessen, daß Johannes von etwas weit Größerem
und ganz anderem spricht als das, woran unsere Vorväter dachten. Johannes
spricht nicht vom Sonnenlicht oder dem Mondlicht oder dem Licht der Sterne. Er
spricht von dem Licht, das über uns strahlt von der Ewigkeit Gottes, dem Licht,
das jeden Menschen erleuchtet, der lebt. Er spricht von dem wahren Licht, dem
Licht der Liebe, das so vollständig hervorbrach, als Christus hier auf unserer
Erde wandelte, das Licht, das wir nun in uns tragen als Kinder des Lichts. In
ihm beginnt unser Leben, im Licht von Christus sollen wir lernen, Gott zu sehen
wie am ersten Tag der Schöpfung.
Auch wenn die Finsternis
noch immer da ist: Die Finsternis mit ihrer Falschheit, Verlogenheit,
Niedrigkeit, Blindheit drängt sich in vieler Weise unserem Leben auf. Das weiß
Johannes wie sonst nur jemand, und seine Erzählung von Jesus entwickelt sich
deshalb auch zu einem Drama, wo Licht und Finsternis und Leben und Tod sich in
einem ständigen Kampf miteinander befinden. Ja, die Finsternis wird allmählich
mit dem Fortschreiten der Handlung mächtiger und gewaltiger, bis das Licht
schließlich hervorbricht in der Sonne der Auferstehung am Ostertage.
So werden auch sie die
Macht der Finsternis erfahren. Aber trotz Finsternis und allem, was sie mit
sich bringt, so scheint das Licht durch den Gekreuzigten und Auferstandenen,
Jesus von Nazareth, und keine Finsternis kann das Licht, was von ihm strahlt
ergreifen und auslöschen. In dieses Licht sollen wir blicken, das Licht, das
Liebe und Wahrheit zugleich ist, und in dem Licht sollen wir unser Leben leben.
Die Finsternis mit ihrer
Härte und Unbarmherzigkeit und ihrem Zynismus gibt es zwar noch immer, in uns
und zwischen uns, in den großen Zusammenhängen und im Kleinen, aber wir sollen
im Lichte leben und wachsen und zu den Menschen werden, als die uns Gott von
Anfang an gesehen hat.
Und Weihnachten ist er
erste Anfang, an dem wirt erneut das Licht der Ewigkeit in dem neugeborenen
Kinde sehen. Und mit dem Herzen des Kindes, das in uns schlägt, und dem Licht
in uns, sollen wir durch die Finsternis des Winters gehen. Zum Ostermorgen. Und
zur Wärme von Pfingsten und dem sommerhellen Tag. Ja, einmal wir die Finsternis
vergehen, und wir werden in Klarheit sehen, von Angesicht zu Angesicht im
Lichte der Gnade und der Wahrheit.
Das hat einmal begonnen,
in der Ewigkeit bei Gott. Das vollendet sich schließlich wieder in der Ewigkeit
Gottes. Aber das beginnt immer wieder in dir und in mir.
Denn wir tragen das Wort
in uns und das Licht und das Leben, das von Gott kommt.
Und dann möchte ich
sagen: Ein guten Anfang und frohe Weihnachten. Amen
(Die einleitende Erzählung
vom alten Johannes in Ephesus ist angeregt von einem Artikel von Niels Thomsen)
Erik Høeg-Andersen
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