Johannes 15, 1-8

 

 

Ein ursprüngliches Gerichtswort

Im Untergrund des schoenen Bildes vom Weinstock und seinen fruchttragenden Reben steht wahrscheinlich ein Gerichtswort über unfruchtbare Reben, die verbrannt werden, wie es in der Predigt Jesu (Mt 15,13) und der des Taeufers (Mt 3,8) seinen Platz gehabt hat.

 

Neue Rede des Evangelisten in neuer Gemeindesituation: Christen verlassen die Gemeinde

Obwohl in einem früheren Arbeitsstadium des Evangelisten am Johannesevangelium in 14,31 bereits ein Abschluss vor der Passion gemacht war, hat der Evangelist Johannes hat dieses Wort vom Weinstock noch hinzugefügt, weil eine neue Gemeindesituation entstanden war: Die angegriffene und vom Synagogenausschluss in vielfaeltiger Weise betroffene johanneische Gemeinde hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen nicht in ihr geblieben sind (vgl Hebr 10,23f; Joh 6,66f). Sie sind nicht vom Weinstock abgeschnitten worden, wie es das alte Gerichtswort berichtet, sondern sie entfernen sich in eigener Entscheidung. Wie koennen sie noch Frucht bringen?

 

Weggehende werden angesprochen

Johannes spricht die, die in der Gefahr des Weggehens sind, an:

*   indem er sie erinnert an die „Reinigung durch das Wort“ (15,3)

*   indem er ihnen sagt, dass Frucht bringen nur moeglich ist, wenn man mit dem Weinstock verbunden bleibt (15,4f). Dieser Weinstock ist nicht, wie traditionell dargestellt, Israel, sondern fuer Johannes ist es Jesus.

*   indem er das alte Gerichtswort vom Verbrennen verdorrter Zweige aufgreift.

*   indem er eine grosse Verheissung ausspricht: Aus der Verbindung mit dem Weinstock heraus kann die Gemeinde bitten. Die Gemeinde kann alles aussprechen im Gebet, was sie bedraengt. In diesem Beten weiss die Gemeinde, dass sie gehoert wird. Durch diese Haltung verherrlicht die Gemeinde den Vater, so wie Jesus in der Hingabe seines Lebens den Vater verherrlicht hat.

*   indem Jesus denen, die sich das Weggehen überlegen, sagt, dass sie jetzt noch die Moeglichkeit haben, Frucht zu bringen und Jünger Jesu zu „werden“.

 

Eine Geschichte fuer Menschen aller Zeiten, die weggehen wollen

Joh 15,1-8 hatte nicht nur seine Brisanz in der Bedrohungszeit der johanneischen Gemeinde – oder in der Entscheidungszeit der Verfolgung unter Hitler – sondern spricht in jeder Zeit Menschen an, die im Begriff sind, sich von Jesus als Gottes Repraesentanten loszuloesen und ein Leben ohne Verbindung mit Gott zu führen, d.h., ohne Ueberlegung, was es heisst, Frucht zu bringen, dazusein fuer..., Verantwortung um Gottes Willen zu übernehmen, Liebe als Geschenk Gottes weiterzugeben und selber zu wachsen.

 

Kann man hinter eine einmal gewonnene Erkenntnis zurückgehen? (vgl Joh 6,66-71)

Hinter dem Abschnitt steht die Frage, ob einer, der die Bedeutung Jesu einmal ganz in sein Leben übernommen hat, („ihr seid schon ganz rein durch das Wort, das ich euch gesagt habe“)sich ohne sich selbst Schaden zuzufügen, von Jesus loesen kann.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm