Johannes 14, 23-27 Pfingsten
Die Textlesung sollte unbedingt mit 14,22 beginnen: Der Jünger
Judas, nicht der Verraeter, stellt ja eine Frage, die
auch in unserer Zeit, wo es in manchen Laendern
Wahlergebnisse von 99% gibt, lebendig ist. Es geht um das Problem der groesstmoeglichen Ausübung von Macht in einem groesstmoeglichen Bereich auf überzeugendste Weise. Die
Frage entspringt der Erfahrung von Machtlosigkeit, sich gedemütigt fühlen und
dem Wunsch, gross sein zu wollen. Es ist die Frage,
die das Demonstrationswunder fordert. Wer sich ihrem Sog ergibt und sie
auszunutzen versteht, wird zu einem Napoleon, Hitler, Stalin... Die Frage, sich
vor der Welt zu offenbaren, ist schon von den Brüdern Jesu an Jesus gestellt
worden (7,4). Sie steht hinter Agp 10,41, wo man von
einem Messias etwas anderes erwartet als ein paar predigende Jünger. Sichtbar
wird die Frage auch hinter der Geschichte von der Versuchung Jesu. Im
Johannesevangelium wird sie mehrfach beantwortet,
z.B., wenn Jesus davon spricht (3,14), dass der Menschensohn erhoeht werden muss (am Kreuz), damit alle, die an ihn
glauben, leben
wenn es heisst, dass der koenigliche Hirte sein Leben für die Schafe gibt (10,17f)
wenn Jesus davon spricht, dass die Jünger dem Kosmos nicht
entnommen werden (17,15), sondern Niedrigkeit und Verfolgung erfahren
wenn nur dem die Eroeffnung Gottes widerfaehrt, der Jesus liebt.
Es geht
also im Text darum, dass die Eroeffnung Gottes nicht
für die ganze Welt geschieht, sondern dass sie geschieht (!) und zwar
potentiell für alle auf der Welt (griech. ean tis = jeder, der s. 14,23),
die auf die Liebe Gottes in Christus mit Liebe antworten und das, was Jesus im
Auftrag Gottes geredet hat, bewahren, beachten, als unbedingt verbindlich
betrachten.
Der
Blick auf die gesamte Welt kann nur durchgehalten werden im Blick auf das
kleinste Einzelelement dieser Welt, im Blick auf die Wohnung Gottes im
Glaubenden (griech. monae).
Durch
14,24 wird klar, warum der Evangelist nicht mehr im jüdischen Sinn von „Gebot“
als den 613 Geboten und Verboten spricht. Wenn Gott seine Worte Jesus gegeben
hat und Jesus sie in der Welt ausspricht, dann wird dieses durch Jesus
gesprochene Wort Gottes zum Gebot, zu dem einen Gebot, das Gott durch seine
Liebe zur Welt den an Jesus Glaubenden gibt. Wer diesen liebenden Jesus
ablehnt, lehnt den ab, der Jesus gesandt hat, Gott.
Wenn
Jesus nicht mehr in der Welt ist, wird die Gemeinde u.a.
zwei wichtige Erfahrungen machen: Sie wird durch den Geist von Gott gelehrt
werden (vgl. 6,45) und sie wird durch den Geist an die gesamte
Jesuswirklichkeit erinnert werden. Ein Ergebnis dieses Geisteswirkens ist das
Johannesevangelium selbst: Es enthaelt viele
(erinnerte) Worte Jesu, in eine neue geschichtliche und gemeindliche Situation
hinein gelehrt. Diese Erfahrung machen Christen und ihre Gemeinden durch die
Jahrhunderte hindurch bis zu uns. Deswegen feiern wir Pfingsten. So entsteht in
einer bedrohenden Welt in einer bedrohten Gemeinde und im bedrohten Einzelnen
Frieden durch Jesus – nicht demonstrierbar, aber wirklich.
Diese Abhandlung ist hier entnommen:
http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm