Johannes 14, 15-19

 

 

Die Liebe Jesu

Der Evangelist spricht im Namen Jesu eine Gemeinde an, die Jesus lieb hat. Das ist das Wichtigste, was es über sie zu sagen gibt. Die Liebe zu Jesus ist ein Phaenomen, das durch alle Jahrhunderte hindurch bis hin zu uns geht. Mit ihm kann der Prediger rechnen. Ja, es gibt diese Liebe in der Form grosser Hochachtung z. T. sogar ausserhalb der Kirche (Schalom ben Chorin: „Bruder Jesus“; Jesus im Koran; M. Machovec: „Jesus fuer Atheisten“...). In seinem Evangelium zeigt Johannes, woher diese Liebe kommt und wohin sie zielt.

 

LXX Ps 44 (hebr. Bibel: Ps 45): „Von dem Geliebten (Gottes)

Im 45. Psalm, mit dessen Hilfe Johannes sein Bild von Jesus als Koenig der Wahrheit zeichnet, steht in der LXX als Ueberschrift: „Von dem Geliebten (Gottes). Also: Die Liebe zu Jesus hat ihren Ursprung in Gottes Liebe zu ihm und wendet sich von Jesus Gott zu und den Menschen: „Also hat Gott die Welt geliebt...“.

 

Als Geliebte Gottes: einander lieben – aber: zwei Probleme

Als Geliebte koennen und sollen die Nachfolger Jesu einander lieben.

Die so auf ihre vorhandene Liebe zu Jesus angesprochene Gemeinde hat jedoch zwei Probleme, die im Predigttext sichtbar werden:

*   Sie weiss nicht, wie ihr Verhaeltnis zur jüdischen Gemeinde in Zukunft ist, nachdem jüdische Autoritaeten Jesus um das Jahr 90 ablehnen und die Anhaenger Jesu aus dem Synagogenverband ausgeschlossen haben: Soll das jüdische Gesetz mit seinen 613 Ge- und Verboten auch von Christen praktiziert werden?

*   Bei manchen Christen schleicht sich das Gefühl im Angesicht der Verfolgung und Ablehnung ihres Glaubens ein, dass sie Waisen sind – ohne Ansprechpartner, ohne Fürsorge, dazu der Verlust des sozialen Umfeldes. Das Problem der Theodizee taucht in der Form der „Jesudizee“ auf – vgl. zu beidem in unserer Zeit Beckett: „Warten auf Godot“, Borchert „Draussen vor der Tür“; Louis Armstrong „Sometimes I feel like a motherless child.

Der beim ersten Lesen so sproede erscheinende Predigttext kann einer Gemeinde von heute sehr nahe kommen.

 

Wie geht Jesus den mit Problemen beladenen Christen entgegen?

Wie geht der Jesus der Abschiedsreden mit Menschen, die ihn lieben und die dann von ihren Problemen sprechen, die diese Liebe bedrohen, entgegen?

 

Statt Gesetzeskodex mit vielen Geboten: Ein einziges Gebot

Er spricht von „seinen Geboten“, die gehalten werden sollen, spricht von dem einen neuen Gebot. So entlastet er die Gemeinde vom Gesetzeskodex der 613 Ge- und Verbote und zugleich kann sie das neue Gebot übernehmen, das aus der Liebe Gottes in Jesus erwaechst und sie kann deswegen dem Gesetz staatlicher oder religioeser Autoritaeten, wenn notwendig, entgegenstehen.

 

Der Geist der Wahrheit ermoeglicht Widerstand

Neben den „Geboten“ von 14,15 steht der Geist der Wahrheit von 14,17, der diesen Widerstand ermoeglicht. Der Geist der Wahrheit laesst jeweils in aktueller Situation das Gebot der Liebe entstehen. Jesus verheisst diesen Geist und antwortet damit einer Gemeinde, die in der Gefahr steht, die Liebe Jesu in alter Gesetzlichkeit erstarren zu lassen. Jesus verheisst den bleibenden Geist, der den Waisen wieder Eltern gibt und Ansprechpartner und Fürsorger und Rechtsbeistand.

 

Der Geist als aufleuchtende Begegnung

Bleibender Geist aber nicht als Besitz, sondern als immer wieder geschehende aufleuchtende Begegnung mit dem liebenden Jesus (14,21). In ihr entsteht das Jesusbild („Ihr aber werdet mich sehen“), das in vielerlei Form in uns und um uns lebendig ist als Zeichen der Liebe Gottes.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm