Apostelgeschichte 20, 1-16 Bibelarbeiten und Andachten von A. Christlieb und Anderen

 

Aus: http://www.life-is-more.at/life/predigten/bibel_ap.php

 

Apg 20,1 A.Christlieb Der Abschied des Paulus von Ephesus Apostelgeschichte 20, 1

weist uns auf etwas hin, das aufhört und auf etwas, das nicht aufhört.

1. Wie wohltuend klingen die Worte: ,,Da nun die Empörung aufgehört hatte". Wie mag Paulus und mancher Christ aufgeatmet haben, als dieser höllische Orkan sich ausgetobt hatte, als nicht mehr wilder Lärm die Straßen von Ephesus erfüllte, sondern alles wieder im ruhigen Geleis weiterging.

Auch die furchtbarsten Schreckenszeiten gehen vorüber. Je mächtiger sie auftreten, desto kürzer dauern sie oft. So wird es bleiben. Auch die Wehen, welche der Wiederkunft Jesu vorangehen, auch die letzte Empörung des Antichrists wird einmal aufhören und vorübergehen. Dies darf uns trösten in besonders schwierigen Zeiten.

2. Aber auch etwas anderes hörte auf. Paulus ruft die Jünger zum Abschied zusammen. Damit erreicht die dreijährige (Vers 31) Wirksamkeit des Apostels in Ephesus ihr Ende. Seine Tätigkeit in dieser Stadt hörte auf. Man konnte ihn nicht mehr täglich in der Tyrannusschule hören wie bisher. Nicht nur Schreckenszeiten, sondern auch besondere Segenszeiten nehmen ein Ende. Gewiß gab es in Ephesus auch nach der Abreise des Paulus noch Segen. Aber sicherlich waren die drei Jahre, die der Apostel hier zubrachte, eine einzigartige Zeit der Gnadenheimsuchung für die Einwohner dieser Stadt. Und diese hörte nun auf. Dies mag uns anspornen, alle besonderen Segenszeiten, die Gott uns gibt, treulich auszukaufen. Auch sie werden aufhören.

3. Aber eins hörte nicht auf. Die Art des Abschieds zeigt uns ein Liebesband, welches Paulus mit den Gotteskindern in Ephesus verband. Segnend scheidet er aus dem Jüngerkreis. Diese ,,Liebe vergeht nie" (1. Korinther 13, 8).

 

Apg 20,2 A.Christlieb Eine gewaltige Arbeit. Apostelgeschichte 20, 2

Eine gewaltige Arbeit des Paulus zieht in diesem Vers an unseren Augen vorüber. Der Apostel geht von Kleinasien über Mazedonien nach Griechenland. Zu den Anstrengungen der Reise kommt eine besonders reichliche Wortverkündigung hinzu (,,Er ermahnte dieselbigen Länder", d. h. die darin liegenden, früher durch ihn gegründeten Christengemeinden, ,,mit vielen Worten".) Laßt uns beim Anblick dieser großen Missionstätigkeit beachten, wie dreierlei bei Paulus nie aufhörte:

1. Nie versagte sein Arbeitseifer. Eben kam er aus dem Schrecken des Aufruhrs in Ephesus (Kap. 19, 23 - 40). Diese furchtbaren Kämpfe hätten ihm - menschlich gesprochen - den Mut lähmen und die Arbeitsfreudigkeit schwächen können. Aber dies war durchaus nicht der Fall. Mit frischer Kraft und unermüdlichem Eifer arbeitete er in anderen Ländern weiter, als ob nichts geschehen wäre.

Gott kann machen, daß seinen Knechten der Mut und die Freudigkeit trotz aufreibendster Arbeit und schwerster Erfahrung nicht aufhören (Jesaja 40, 29. 30; Psalm 18, 33. 34; 2. Korinther 4, 1).

2. Auch an Inhalt und Stoff zur Wortverkündigung fehlte es ihm nie. Welch eine Menge von Versammlungen, Beratungen und seelsorgerlichen Unterredungen mag wohl der Ausdruck ,,Länder durchwandern und mit vielen Worten ermahnen" in sich schließen. Und doch ging ihm der innere Vorrat nie aus. Laßt uns daraus den Schluß ziehen, daß die Quelle, aus der Paulus täglich schöpfte, unversiegbar, tief und reich ist. Wer an seiner Quelle lebt und bleibt, der verarmt nicht und sinkt nicht zum geistlichen Schwätzer herab, auch wenn er stets ausgeben muß.

3. Auch die offenen Türen und Arbeitsgelegenheiten gingen Paulus nie aus. Sein Dienst wurde stets begehrt. Die Bedürfnisse der Christengemeinden machten seine Gnadengaben nötig. Von Gott berufene Zeugen werden nicht leicht über Arbeitslosigkeit klagen (Offenbarung 3, 7. 8).

 

Apg 20,3 A.Christlieb Die Änderung des Reiseplanes. Apostelgeschichte 20, 3.

Durch die Nachricht von einem feindlichen Anschlag der Juden wurde Paulus bewogen, seine Reise - statt wie beabsichtigt zur See - auf dem Landweg fortzusetzen.

Diese Änderung seines Reiseplanes beweist uns die Vorsicht, Besonnenheit und Nüchternheit des Apostels. Er verwechselte niemals waghalsige Tollkühnheit mit echtem Glaubensmut und wahrem Gottvertrauen. Wie töricht wäre es gewesen, wenn jemand in der Lage des Paulus den gefährlichen Weg beibehalten und dies womöglich noch für besonders starken Glauben gehalten hätte. Ein solcher hätte sicher nicht den Apostel an Glauben übertroffen, vielmehr einen großen Mangel an biblischer Klarheit und Besonnenheit offenbart.

Paulus war gewiß kein Feigling (Kap. 19, 30 a). Ihm fehlte nicht der Glaubensmut. Hätte er eine göttliche Weisung gehabt, so wäre er ohne Zögern trotz aller Gefahren sofort den Weg gegangen, auf dem die Juden ihm nachstellten. Aber ohne solche wäre dies ein Leichtsinn und eine frevelhafte Gottversuchung, gleichsam ,,ein Sprung von des Tempels Zinne" gewesen, wie selbst Jesus ihn trotz aller biblischen Begründung nicht machen wollte (Matthäus 4, 6). Paulus verließ sich nicht auf besonderen göttlichen Schutz, wo die von Gott verliehene Vernunft einen Weg zur Vermeidung der Gefahr an die Hand gab.

Laßt uns seiner Nüchternheit folgen (Sprüche 22, 3; 14, 15 - 18; 2. Timotheus 4, 5).

Es sei erlaubt, den hier erwähnten Vorgang auch als Bild und Gleichnis anzusehen. Paulus verläßt hier einen Weg, den er als gefährlich und verderbenbringend erkennt. Sobald er merkt, daß sein Bleiben auf diesem Pfad Unheil nach sich zieht, kehrt er um, schlägt eine ganz neue Richtung ein und begibt sich auf einen völlig anderen Weg. Die Erkenntnis der Gefahr zeitigt in dem Apostel den Entschluß der Umkehr und ließ diesen Entschluß zur Tat werden.

Wir möchten manch einem in viel tieferem Sinne eine Wegänderung wünschen. Der sich vom gefährlichen Wege abwendende Paulus dünkt uns diejenigen zu strafen, die einen Weg beibehalten, der nicht nur zeitliche, sondern ewige Gefahr in sich schließt. Wie groß ist doch die Verantwortung derer, welche die Erkenntnis empfangen haben, wie gefährlich ihr Weg ist, und ihn dennoch nicht verlassen wollen! (Psalm 34, 15; Jona 3, 8; Daniel 4, 24).

 

Apg 20,4 A.Christlieb Die Reisebegleitung des Paulus. Sieben Brüder begleiten ihn. Apostelgeschichte 20, 4.

1. Wie köstlich ist es, unmittelbar nach dem Blick auf die stets regsamen Feinde des Paulus (Vers 3) eine Anzahl von treuen Freunden kennenzulernen, die ihn in Liebe begleiten und ihm zur Hand gehen. Wie wohl muß dem Paulus gerade in seiner bedrohten, gefährlichen Lage dieser Dienst der Brüder getan haben.

Auch heute noch erfährt der Christ den Haß und die Feindschaft der Welt. Aber Gott sorgt, daß er auch Liebe und Erquickung von den Brüdern empfängt. Hier heißt es: ,,Sie stellten ihm nach" (Vers 3). Dort heißt es: ,,Es zogen mit ihm". Laßt uns für beides dankbar sein (Psalm 116, 7; 23, 3 a).

2. Die sieben Begleiter stammten aus den verschiedensten Gegenden und Ländern, ja aus zwei Erdteilen. Die ersten fünf waren Europäer, die zwei letzten Asiaten. So scharen sich um die Arbeit von Jesus Leute aus den mannigfachsten Orten und Volksstämmen zusammen.

Mögen sonst zwischen den einzelnen Völkern mannigfache Verschiedenheiten, ja auch Zwistigkeiten bestehen; in diesem Dienst kommen sie zusammen und ziehen vereinigt ihre Straße für die Sache Jesu (Epheser 2, 14; Galater 3, 28; 1. Korinther 12, 13).

3. Freilich dauert die Begleitung durch diese Brüder nur kurze Zeit. ,,Bis gen Asien" zogen sie mit Paulus. Dann gab es wieder Trennung und Auseinandergehen.

Die beste menschliche Begleitung ist vorübergehend. Nur einer geht allezeit mit uns, von dem wir uns niemals zu trennen brauchen. Das ist der, welcher bei Paulus blieb, wenn die Brüder wieder von ihm gingen. (2. Timotheus 4, 16. 17).

 

Apg 20,5 A.Christlieb Der Begleiter Lukas. Apostelgeschichte 20, 5.

Aus den Worten ,,unser" (,,diese harrten unser", V. 5) und ,,wir" (,,Wir aber schifften ...", V. 6) kann man erkennen, daß der Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, mit anwesend ist und zu den Begleitern des Paulus gehört. Wie lieblich muß auch diese Begleitung für Paulus gewesen sein. In Lukas hatte er einen gebildeten, treuen und bescheidenen Gefährten.

1. Gebildet war er, wie schon sein ärztlicher Beruf (Kolosser 4, 19) und der Stil der von ihm verfaßten Apostelgeschichte beweisen. Wenn auch Paulus sicherlich auf die höchste und wichtigste Bildung durch Gottes Geist sah, so waren ihm doch diese äußere Bildung und auch die ärztlichen Kenntnisse eine nicht zu unterschätzende Beigabe.

2. Treu war Lukas, weil er zu denen gehörte, die bis in die Gefangenschaftszeit des Paulus hinein ihm unverrückt anhingen und mit ihm verbunden blieben (Kolosser 4, 14; 2. Timotheus 4, 10; Philemon 24).

3. Bescheiden war er. Nirgends stellt er in der von ihm geschriebenen Apostelgeschichte seine Person in den Vordergrund. Im Gegenteil! Wenn man nicht genau darauf achtet, so merkt man gar nicht, daß er selbst dabei ist. Wie würde mancher andere Schriftsteller es verstanden haben, die Blicke der Leser mehr auf seine eigene Anwesenheit zu lenken, um so etwas von dem Ruhm der Apostel mitzubekommen. Lukas aber trat ganz in den Hintergrund, damit Gottes Werk durch die Apostel allein beachtet würde. So schreibt die Demut, welche die beste Bildung ist. Unter allen Gefährten auf der Lebensreise sind die Demütigen die allerbesten (Sprüche 11, 2; 29, 23; Jesaja 57, 15).

 

Apg 20,6 A.Christlieb Die gegenseitige Erziehung durch die Reisegemeinschaft. Apostelgeschichte 20, 4 - 6.

Die Gemeinschaft jener Reisegefährten untereinander war nicht nur eine große Stärkung und Erquickung für alle Teile; sie hatte auch, wie jede menschliche Gemeinschaft, eine erziehende Seite, die ein Mensch, der immer nur allein seinen Weg gehen will, entbehrt. Wir merken etwas von dieser erziehenden Bedeutung auf jener Reise.

1. Es wurde eine Verabredung getroffen, nach der man sich an einem bestimmten Ort, in Troas, treffen wollte. An diese Verabredung war man gebunden. Man konnte nicht nach seinem Belieben unterwegs den Plan ändern und irgendwo bleiben, wo es einem gut gefiel. Solche Freiheitseinschränkung paßt der natürlichen eigenen Willkür nicht immer.

2. Man muß aufeinander warten (,,Diese harrten unser zu Troas", V. 5). Das Schiff braucht länger als sonst. Auf der zweiten Missionsreise legte Paulus diese Strecke in zwei Tagen zurück (Kap. 16, 11). Jetzt brauchte das Schiff wahrscheinlich wegen ungünstiger Witterung fünf Tage. So mußten die, welche schon in Troas angekommen waren, länger, als zu erwarten war, harren. Das erfordert Geduld. Das Leben in Gemeinschaft mit anderen bringt allerlei Geduldsübungen mit sich.

3. In Troas selbst verbringen sie gemeinsam sieben Tage (,,Wir hatten da unser Wesen"). Wenn Leute aus so verschiedenen Ländern mit ihren besonderen Sitten zusammenleben, so kann nicht jeder seine Eigenart und besondere Gewohnheit beibehalten, sondern muß auf die anderen Rücksicht nehmen, sich nach ihnen richten und an sie gewöhnen. Das alles schleift ab. Die ,,Ellenbogenfreiheit" muß aufhören.

Dies ist eine praktische Übung in Liebe und Sanftmut, die nicht hoch genug geschätzt werden kann. So bringt jede Gemeinschaft in Familie, Verein und Versammlung neben der Erquickung auch Übung und Erziehung mit sich. Wohl allen, die solche nicht ärgerlich wegwerfen, sondern in der Kraft der Liebe gern tragen (Sprüche 18, 1).

 

Apg 20,7 A.Christlieb Die Abschiedsversammlung in Troas Apostelgeschichte 20, 7 - 12

hatte drei Höhepunkte und blieb deshalb den Jüngern dieses Ortes in unauslöschlicher Erinnerung.

1. Der erste Höhepunkt war d a s M a h l d e s H e r r n . In der letzten Nacht ihres Zusammenseins scharten sie sich bei der gemeinsamen Abendmahlsfeier um das Kreuz Jesu und verkündigten seinen Tod (1. Korinther 11, 26). Sie vereinigten sich damit um das Lamm Gottes, das alle Christen der verschiedensten Länder und Zeiten verbindet. Das war ein schöner Abschied. 2. Der zweite Höhepunkt war ,,d a s W o r t d e s H e r r n", nämlich die Predigt des Paulus. Auffallend ist die Länge derselben. Wie haben wir diesen Umstand zu beurteilen? Es gibt ein geistloses ,,Hinziehen der Rede", das streng zu verwerfen ist. Es gibt ein Ausdehnen von Abendversammlungen, das Leib und Seele schwächt. Davor muß gewarnt werden. Hier aber war es anders. Hier lag ein besonderer Grund vor, nämlich ein wichtiger Abschied (,,Paulus wollte des anderen Tages weiterreisen"). Deshalb hatte er noch so viel auf dem Herzen und wollte diesem Jüngerkreis noch alles an Ermahnung, Trost und Lehre geben, was not war. So opferte er die Ruhe der Nacht, um seine Aufgabe hier zu erfüllen.

Es gibt Ausnahmefälle, etwa in besonderen Erweckungszeiten, wo ein Benutzen der nächtlichen Stunden für die Ewigkeitsarbeit durchaus gerechtfertigt ist (Johannes 3, 2; Apostelgeschichte 12, 12).

3. Einen dritten Höhepunkt erlebten die Jünger in der K r a f t d e s H e r r n , welche in der wunderbaren Aufrichtung des Eutychus zutage trat. Nie werden sie es vergessen haben, wie der furchtbare Schrecken, den der Absturz hervorrief, sich in Freude und Dankbarkeit verwandelte. Dies Ereignis konnte ihnen als Angeld dienen, daß Gott auch die weiteren Nöte ihres Lebens in neue Erfahrungen seiner Treue und Durchhilfe verwandeln werde.

 

Apg 20,9 A.Christlieb Der Sturz des Eutychus. Apostelgeschichte 20, 9.

Während der Rede des Paulus ereignete sich ein furchtbares Unglück. Ein Jüngling, Eutychus, stürzte aus dem Fenster und verlor dabei sein Leben. Laßt uns Ort und Zeit, Ursache und Folge dieses Sturzes erwähnen.

1. An welchem Ort geschah dieses Unglück? Nicht in einem beliebigen Gebäude von Troas, sondern in dem Versammlungsraum der gläubigen Christengemeinde kam dies vor. Dieser Ort des Unfalls sagt uns: Auch die gesegnetsten Häuser und Plätze können schweren Heimsuchungen ausgesetzt werden. Wenn in der Stadt Troas irgendein Ort unter göttlicher Vorsehung stand, so war es dieser, wo Gottes Sache getrieben und sein Reich gebaut wurde.

Dazu kam die Zeit dieser gesegneten Abschiedsversammlung. Die hier versammelten Christen durften sich ganz gewiß einer besonderen Gegenwart Jesu getrösten, weil hier mehr als zwei oder drei in seinem Namen versammelt waren (Matthäus 18, 20). Es soll also niemand irre werden, wenn auch an solchen Orten und zu solchen Zeiten unerwartet furchtbare Ereignisse eintreten. Gottes Auge ist dennoch offen über solcher Stätte und seinem vereinigten Volk Tag und Nacht (1. Könige 8, 29).

2. Die Ursache dieses Sturzes war - menschlich gesprochen - ein Mangel an Vorsicht, eine Unbedachtsamkeit, es wäre zuviel gesagt, wenn man sagen wollte: ein gewisser Leichtsinn. Eutychus setzte sich an einen gefährlichen Platz am Rande einer großen Tiefe, ohne zu bedenken, daß unerwartete Umstände ihn zum Absturz von dort bringen konnten. Gerade in der Jugend ist man oft geneigt, es mit Gefahren leicht zu nehmen, sein Leben und seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Es gilt aber zu bedenken, daß unsere Kräfte dem Herrn gehören und für seinen Dienst bewahrt werden sollen. Nie wieder wird Eutychus solchen Platz eingenommen haben.

3. Die tödliche Folge des Sturzes war ein furchtbarer Schlag für die versammelte Christengemeinde. Viele mögen wie betäubt gewesen sein vor Schrecken. So läßt der Herr je und dann Not und Drangsal auf die Seinen kommen, aber nicht, um sie darin untergehen zu lassen, sondern um seinen Namen zu verherrlichen.

 

Apg 20,10 A.Christlieb Das Eingreifen des Paulus in göttlicher Wunderkraft. Apostelgeschichte 20, 10.

Die Christen in Troas konnten wohl den verunglückten Eutychus ,,aufheben" (Vers 9). Sie wollten ihn jedenfalls aus dem Freien an einen geeigneteren Platz im Innern des Hauses tragen. Was Liebe und herzliches Mitleid vermag, das taten sie ihm gern. Mehr konnten sie nicht. Paulus aber hatte die apostolische Wundergabe. Weshalb machte er gerade hier von derselben Gebrauch? Nicht überall tat Paulus Wunder. Nicht einmal jeden gläubigen Kranken heilte er ohne weiteres (2. Timotheus 4, 20). Aber hier erforderte die Sache des Herrn solches. Die Heiden und Gegner der Christen würden selbstverständlich die Schuld des ganzen Unglücksfalles den christlichen Versammlungen zugeschoben haben. Sie würden diese tief in die Nacht hineindauernde Versammlung verdächtigt, beschimpft und vor ihr gewarnt haben. Diese Gefahr wandte Gott von der jungen Christengemeinde gnädig ab.

Da, wo die Ehre des Herrn und seine Sache es erfordert, dürfen die Seinen heute noch um sein besonderes Helfen und Eingreifen bitten.

Die Art und Weise des Vorgehens von Paulus erinnert uns an die Totenerweckung durch Elias (1. Könige 17, 21) und Elisa (2. Könige 4, 34). Doch war Paulus Handlungsweise nicht etwa ein äußeres Nachmachen jener Propheten und Gottesmänner, vielmehr eine Tat des Glaubens in göttlicher Vollmacht und göttlicher Leitung. Der Herr bekennt sich zu allen, die er gesandt hat und beglaubigt seine Knechte (Matthäus 10 8; Johannes 14, 12).





A.Christlieb Macht kein Getümmel. Apostelgeschichte 20, 10.

Als Paulus den Jüngling Eutychus auferweckt hatte, machte er nicht etwa eine große Sache aus diesem Wunder. Er trieb nicht Reklame damit. Vielmehr ermahnte er die Geschwister zur Stille und fuhr ruhig in der Versammlung fort, als ob gar nichts Besonderes geschehen wäre.

Dieses Verhalten beweist uns die Demut und geistliche Keuschheit des Apostels, und ist besonders für alle, die im Dienst des Reiches Gottes stehen, vorbildlich. Bei besonderen Ereignissen und göttlichen Gnadenwirkungen sind wir leicht geneigt, in ungebührlicher Weise die Menschen anzustaunen, an denen und durch die etwas Auffälliges geschehen ist. Es entsteht dann vielfach allerlei Unruhe und Ablenkung von dem, was innerlich fördert - von Gottes Wort.

Es wäre in jener Versammlung auch für Eutychus nicht gut gewesen, wenn die Aufmerksamkeit aller Anwesenden bei ihm und seiner wunderbaren Aufrichtung stehengeblieben wäre. Wie leicht hätte dieser Jüngling ein geheimes Wohlgefallen an dem allgemeinen Interesse für seine Person empfinden und in Eitelkeit geraten können! Nun aber wurden die Gedanken aller wieder allein auf den Herrn und sein Wort gerichtet. So blieb und vertiefte sich der Segen.

Das Verhalten des Paulus ist auch in besonderen Erweckungszeiten beachtenswert, wo viele vom geistlichen Tod zum Leben hindurchdringen. Leicht entsteht auch da allerlei geräuschvolles Wesen, das die Arbeit des Geistes Gottes, der gern in der Stille wirkt, stört und trübt. Wo falsche Unruhe und fleischliche Aufregung aufkommen wollen, da laßt uns an Paulus Wort gedenken: ,,Macht kein Getümmel!" (Psalm 65, 2; 1. Thessalonicher 4, 11).

 

Apg 20,12 A.Christlieb Die Geschichte des Eutychus

wurde einst von Samuel Zeller in Männedorf bei Gelegenheit einer größeren Jünglingsversammlung in folgenden Teilen behandelt:

1. E i n h ö r e n d e r J ü n g l i n g . Wie gut ist es, wenn ein junger Mensch sich unter den Einfluß des göttlichen Wortes stellt. Von allen Einflüssen ist dies der beste. Wohl allen Jünglingen, die an solche Segensorte gehen, wie Eutychus es tat, auch wenn Spott und Hohn bei manchen Altersgenossen die Folge sein sollte.
(Lukas 2, 46; Psalm 119, 9).

2. E i n s c h l a f e n d e r J ü n g l i n g .
Wir dürfen auf den einschlafenden Eutychus keinen Stein werfen, denn niemand von uns weiß, welche leibliche Anstrengung jener Versammlung vorausging und welche Ermüdung bei ihm vorlag. Auffällig ist, daß er trotz der hellen Erleuchtung (Vers 8), trotz der geistgesalbten Predigt und vor allem trotz seiner gefährlichen Lage sich vom Schlaf übermannen ließ. Nicht weniger auffällig ist es aber, daß mancher Jüngling trotz allen lebendigen Christentums um ihn her, trotz gesegneter Wortverkündigung und vielleicht auch trotz einer Lage, die zwiefache Wachsamkeit erforderte, derart in geistlichen Schlaf sinkt, daß er das Bewußtsein der ihn umgebenden Gefahren völlig verliert (1. Thessalonicher 5, 6).

3. E i n f a l l e n d e r J ü n g l i n g .
Es blieb nicht beim Einschlafen. Es folgte ein schrecklicher Fall. Die Herrschaft über die Glieder schwand. Der Körper bekam das Übergewicht. Aus dem schlafenden war ein fallender Jüngling geworden. Diese Reihenfolge wiederholt sich in ganz anderer Weise in manchem Leben: Aus schlafenden Christen werden oft solche, die einen tiefen Fall tun. Wo das Wachen und Beten unterbleibt, da ist das Schlimmste zu befürchten. Wie oft sind schon schläfrige Christen zum Jubel der Welt tiefgefallene Christen geworden! Darum laßt uns wachen und einander vor Einschlafen warnen und vor Fall bewahren helfen (1. Petrus 5, 8; Matthäus 26, 41; Markus 13, 37).

 

Apg 20,13 A.Christlieb Wir fuhren nach Assos und wollten daselbst Paulus zu uns nehmen, denn er hatte es so befohlen, und er wollte zu Fuß gehen. Apg. 20, 13

Eine merkwürdige Reiseanordnung des Paulus. Alle seine Reisegenossen sollen mit dem Schiff von Troas nach Assos fahren. Er will allein zu Fuß dorthin gehen und wieder zu ihnen stoßen. Warum dies? Wir glauben hier einen wichtigen Hinweis für alle Jünger Jesu zu finden, besonders für die, welche in der Arbeit für den Herrn stehen. - Wann nahm Paulus sich die einsame Zeit? Nach Tagen besonders gesegneten Zusammenseins mit den Christen in Troas. Die acht Tage dort sind eine Art Evangelisationswoche gewesen. Mit einer stark besuchten Versammlung, welche die ganze Nacht hindurch gedauert hatte, schloß die Woche. Danach packt den Paulus das Verlangen, eine Zeitlang allein zu sein. Die Brüder waren ihm lieb und wert. Jetzt aber muß er eine andere Begleitung haben. Es gilt: Mit Gott allein sein! - Daß wir den zarten Antrieben des Heiligen Geistes immer folgen möchten, wenn wir nach gesegneten Zusammenkünften den Trieb verspüren, mit Gott allein zu sein! - Paulus hatte in Troas alles herausgesagt, was er als Trost, Mahnung und Warnung in sich trug. Sollte er die Unterhaltung nun während der Seereise fortsetzen? - Der gesalbteste Gottesknecht würde allmählich zum Schwätzer herabsinken, wenn er es so machte. Stattdessen wechselte jetzt die brüderliche Unterhaltung mit einer Zeit der Stille. Wie kann ein Arbeiter voll Geistes bleiben, wenn er von Arbeit zu Arbeit eilt, ohne dazwischen, wie Jesus, die Einsamkeit der Berge oder der Nacht zum Gebet zu suchen? Jemand erzählte einem erfahrenen Bruder einmal die große Zahl seiner Versammlungen und Sprechstunden auf. Jener antwortete: ,,Und wann ist die Zeit, wo du einmal schweigst? - Was antworten wir auf die Frage?





A.Christlieb Wir zogen auf dem Schiff nach Assos und wollten daselbst Paulus zu uns nehmen; denn er hatte es so befohlen und er wollte zu Fuß gehen. Apg. 20, 13

Wir wollen beachten, daß Paulus diese Reiseanordnung ausdrücklich befohlen hatte. Paulus war gewiß kein befehlshaberischer Mensch. Man sieht es besonders aus dem Brief an Philemon, daß er tausendmal lieber bittet und wünscht, als befiehlt. Aber diesen Wunsch, jetzt allein zu sein, kleidet er in Befehlsform. Nicht, daß er überhaupt wie ein Tyrann in der Reisegesellschaft zu kommandieren gewohnt gewesen wäre. Nein! Er wollte nur keinen Zweifel daran lassen, daß er jetzt unbedingt Stille brauchte. Wie einst Jesus seine Jünger von sich trieb, um allein auf dem Berg zu beten, so nötigte Paulus seine geliebten Gefährten, ihn eine Zeitlang allein zu lassen. - Daß wir davon lernten! Will man uns äußere Vorteile nehmen, wollen wir ruhig bleiben. Will man uns die Stille zum Gebet rauben, so laßt uns bei aller Güte Festigkeit beweisen. - Laßt uns auch beachten, wie weit diese Anordnung reicht. Paulus wollte nur bis Assos alleine gehen, danach wieder mit den Brüdern zusammenbleiben. Er begehrte also nur eine gewisse Zeit, etwa zwei Tage, für sich. - Wir müssen uns nach zwei Seiten vor Übertreibung hüten. Es gibt Christen, die sind fast nie allein mit Gott. Andere rühmen ausschließlich die Absonderung zum Gebet und reden geringschätzig von der brüderlichen Gemeinschaft. Beides ist not. Ein Bruder sagte einst zu mir: ,,Ich gehe auf keine einzige Konferenz oder in dergleichen Versammlungen. Ich erbaue mich nur in der Stille." Einige Jahre später sah ich ihn wieder. Sein Gesichtsausdruck war völlig verändert, friedelos. Ich hörte, er sei in eine schwärmerische Bewegung hineingeraten. - Ach, wir sind ohne des Heilands Bewahrung arme, irrende Schafe! - Möchten wir allezeit den richtigen Kurs innehalten und fruchtbar werden für den Dienst im Reiche Gottes.

 

Apg 20,14 A.Christlieb Der Fußweg des Paulus von Troas nach Assos »Wir zogen aber voran auf dem Schiff und fuhren gen Assos und wollten daselbst Paulus zu uns nehmen; denn er hatte es so befohlen, und er wollte zu Fuß gehen. Als er nun zu uns traf zu Assos, nahmen wir ihn zu uns und kamen gen Mitylene«. (Apg. 20, 13. 14).

Von einer im ersten Augenblick merkwürdig erscheinenden Reiseanordnung des Paulus reden obige Worte. Paulus bestimmte, daß alle seine Reisegefährten den Weg von Troas nach Assos mit dem Schiff machen sollten, während er für sich den gleichen Weg zu Fuß gehen wollte, um nachher in Assos wieder zu ihnen zu stoßen. Weshalb das? Weshalb blieb er nicht bei seinen Begleitern? Es mag ja sein, was einige Ausleger vermuten, daß er unterwegs noch da und dort bei einem Christenhaus anklopfen und Lebewohl sagen wollte, weil er überall Frucht zu schaffen suchte. Wir wollen aber nicht auf ungewisse Vermutung unsere Erbauung gründen, sondern bei dem verweilen, was wir fest wissen, nämlich, daß Paulus einige Stunden der Einsamkeit wählte, um nachher wieder zur brüderlichen Reisegemeinschaft zu kommen. Wir glauben, hier einen wichtigen Hinweis für alle Jünger Jesu, besonders für alle, die in der Arbeit für den Herrn stehen, zu finden.

1. Wann nahm sich Paulus diese einsame Zeit?

Nach einer Zeit besonders reichlichen und brüderlichen Zusammenseins in Troas. Sieben Tage hatte er dort mit den Brüdern sein Wesen gehabt. Fast möchte man es eine Evangelisationswoche nennen. Mit einer lieblichen, gut besuchten Versammlung, welche die ganze Nacht dauerte, schloß diese Zeit ab, und Paulus mußte aufbrechen. Da gerade, nach dem langen, gesegneten Zusammensein mit den Brüdern, faßte ihn der innere Wunsch, eine Zeitlang allein zu sein. Die Brüder waren köstliche Leute, aber eine andere Begleitung war ihm jetzt noch nötiger: mit Gott allein sein. Wenn wir doch dem zarten Antrieb des Heiligen Geistes immer folgen möchten, der uns nach den herrlichsten Konferenzen und Versammlungen mahnt, jetzt nach dem Segen der brüderlichen Gemeinschaft auch den Segen der Einsamkeit mit Gott zu genießen! Paulus hatte sich - wenn wir menschlich reden dürfen - in Troas ganz ausgegeben. Alles, was ihm auf dem Herzen lag an Trost, Mahnung und Warnung, hatte er gesagt. Sollte er nun die Unterhaltung auf der Reise immer weiter und weiter fortsetzen? Dann könnte der gesalbteste Knecht Gottes allmählich zum Schwätzer herabsinken, wenn er es so machte. Stattdessen wechselte jetzt die brüderliche Unterhaltung mit einer Zeit der Stille. Gleicht nicht die Arbeit manches Christen einer viel bewegten, zum Teil überreichlich besetzten Troaswoche? Wann kommen nun die stillen, einsamen Fußwege nach Assos? Sagt an, woran liegt es, daß mancher Bruder, den man früher gern hörte, weil sein Wort voll Kraft und aus der Tiefe der Schrift geschöpft war, jetzt mehr leere Worte bringt und an innerer Kraft zurückgeht? Liegt es nicht am Unterlassen der stillen Wege von Troas nach Assos? Wie kann ein Arbeiter voll Geistes bleiben, wenn er von einer Arbeit zu der anderen geht, ohne dazwischen wie Jesus den einsamen Bergeshügel zu besteigen oder wie Daniel seine stillen Zeiten zu haben? Ach, wie ist der Feind geschäftig, die fruchtbaren Christen, die er nicht anders fällen kann, in solche Vielgeschäftigkeit zu jagen, daß allmählich vor lauter Versammlungen und Unterredungen die wichtigste Unterredung mit Gott zu kurz kommt. Jemand zählte einmal einem anderen erfahrenen Bruder die große Zahl seiner Versammlungen und Sprechstunden auf. Jener aber antwortete: »Und wann ist die Zeit, wo du einmal schweigst Als Paulus nachher wieder den Mund in Milet öffnete, da ging eine neue, göttliche Kraftflut durch seine Worte in die Herzen. Da merkst du, wozu er den einsamen Weg benutzt hat.

2. Wie traf Paulus seine Anordnung?

Der Text sagt: »Er hatte es also befohlen Paulus war sicher kein befehlshaberischer Mensch. Man sieht aus seinem Brief an Philemon (und aus vielen anderen Stellen), daß er tausendmal eher bittet und wünscht, bevor er befiehlt. Aber diesen Wunsch, jetzt eine Zeitlang allein zu sein, kleidet Paulus in Befehlsform. Nicht, als ob er sich damit über seine Reisegenossen erhoben hätte wie ein herrschsüchtiger Tyrann, sondern nur, um gar keinen Zweifel darüber zu lassen, daß er jetzt unbedingt Stille brauche. Wie einst Jesus die Jünger von sich »trieb«, um allein auf dem Berg zu beten (Mark. 6, 45 u. 46), so nötigte Paulus seine geliebten Gefährten, ihn jetzt eine Zeitlang allein zu lassen. Wenn wir doch mehr Bestimmtheit in solcher Sache zeigten! Wenn man uns von äußeren Vorteilen etwas abziehen will, so wollen wir ruhig bleiben. Will man uns aber unsere Stille zum Gebet nehmen, so laßt uns bei aller Sanftmut auch Festigkeit zeigen!

3. Für wie lange galt diese Anordnung?

Laßt uns beachten, wie weit diese Anordnung reichte! Paulus wollte bis Assos gehen und dann wieder zu den Brüdern stoßen. Also nur eine Zeitlang, ein bis zwei Tage, ging Paulus für sich. Wir müssen uns vor Überspannung nach zwei Seiten hüten: Einmal gibt es Christen, die fast nie allein mit Gott sind, andererseits solche, die immer nur den Segen der Stille rühmen und die großen Vorteile der brüderlichen Gemeinschaft unterschätzen. Beides ist not. Wer zu lange allein bleibt, kann in besondere Versuchungen Satans hineinkommen. Ich traf einen Bruder, der mir sagte: »Ich gehe überhaupt auf keine Konferenz oder dergleichen mehr, sondern erbaue mich nur in der Stille Einige Jahre später sah ich ihn wieder mit verändertem Gesicht und hörte, wie er in eine schwärmerische Bewegung hineingeraten sei. Ach, was sind wir schwache Menschen, die des Heilandes Bewahrung auf allen Seiten brauchen! Gott gebe uns zur rechten Zeit einsame Wege und zur rechten Zeit wieder Anschluß an gesegnete Brüder, damit wir den richtigen Kurs innehalten und in seinem Reich fruchtbar werden!