Bibelarbeit über Apostelgeschichte 10

gehalten von Michael Strauch

 

Gliederung

 

1: Ein römischer Christ in Cäsarea (Verse 1-8)

2: Ein jüdischer Christ in Joppe (Verse 9-21)

3: Das messianische Judentum trifft auf das Heidentum (Verse 22-43)

4: Das Pfingsten der Heiden (Verse 44-48)

 

zu 1: Ein römischer Christ in Cäsarea (Verse 1-8)

 

Cäsarea liegt am Mittelmeer in der Scharon-Ebene, ca. 40 km nördlich von Joppe. Cäsarea leitet sich von Cäsar ab (wo ja unser deutsches Wort „Kaiser“ entstammt), und meint ähnlich wie Tiberias (von oder zu Ehren des römischen Kaiser Tiberius) die „Kaiserliche Stadt“. Es war Herodes der Große, der neben dem Ausbau des herodianischen Tempels, der Erbauung der Festung Massada am Toten Meer und vieler anderer Bauten auch die kleine Sidonier-Siedlung Cäsarea zur prächtigen Stadt ausbaute. Er benannte die Stadt um und gab – den römischen Besatzern zum Ruhm (und Schmeichelei) den Namen Cäsarea. Diese Stadt besaß einen großen Hafen und war angekoppelt an die wichtige Handelsstraße Ägypten – Damaskus. Zu biblischer Zeit lebten dort ca. 50 000 Menschen, eine für damalige Verhältnisse enorm große Stadt. Dort fand man Juden, Römer und Griechen gleichermaßen. Ein Korinth, ein Handelszentrum, eine wirtschaftlich und strategisch wichtige Stadt.

In dieser Stadt gab es natürlich auch den üblichen, römischen Beamtenapparat, römische Legionäre und Kasernen. Da die römischen Legionen aus vielen Menschen unterschiedlicher Herkunft bestand (die Ehrengarde des Cäsar, die Prätorianer z.B. bestanden aus Germanen), gab es auch solche Abteilungen, in denen nur Männer dienten, die entweder in Italien geboren oder die italienische Staatsbürgerschaft hatten. Es waren Italiener, die sich freiwillig für diesen Dienst verpflichtet hatten und sie waren das, was man heute eine „Elitetruppe“ nennt.

Nicht anders als heute im Militär gab es auch in Rom Dienstränge. Es wurde unterschieden nach der Anzahl der einfachen Soldaten (Legionäre), für die ein Offizier zuständig war. Auf lateinisch heißt Hundert Centus. Ein „Centurio“ (oder Zenturio) war demnach ein Mann, der hundert Legionäre befehligte. Solch ein Zenturio war Cornelius. Ein römischer Soldat, bei dem vieles zusammenfließt:

 

1.       Das Herz einer Tabita: „Der war fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Hause und gab dem Volk viele Almosen und betete immer zu Gott!“

2.       Die übernatürliche Erfahrung eines Paulus, Petrus und eines Hananias: „Der hatte eine Erscheinung um die neunte Stunde...

3.       Ein Hineingenommenwerden in einen Prozess wie bei Saulus und Tabita: „Sende Männer nach Joppe und lass holen Simon mit dem Beinamen Petrus!“

 

Hier fällt etwas enorm auf: Der Herr arbeitet in Kapitel 9 und 10 nie direkt, sondern immer durch bestimmte Personen. So schickt er Hananias auf den Weg zu Saulus:

 

„Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias...“ (Apg 9,11f).

 

Bei Tabitha heißt es in Kapitel 9, Vers 38:

„...sandten die Jünger , als sie hörten, dass Petrus dort war, zwei Männer zu ihm...“

 

Schließlich bei Kornelius in Vers 5:

 

„Und nun sende Männer nach Joppe und lass holen Simon...!“

Kornerlius schickt dann drei Männer los.

 

Es fällt auf, dass der Herr will, dass sein Evangelium, seine Kraft, seine Wohltaten und Wunder durch Personen geschehen. Er gebraucht den großen Petrus, Paulus und den römischen Hauptmann gleichermaßen wie die namenlosen Boten, die hin und her laufen und auch auf diese Weise miteingebunden sind in Gottes Arbeit und in der Bibel verewigt wurden.

 

Doch es ist der Parallelen nicht genug. Als der Herr dem Hananias erschien, war Saulus auf sein Kommen vorbereitet. Denn der Herr begegnete auch dem Saulus und ließ Vision und Eintreffen derselben verschmelzen. Saulus erkannte auch darin den Messias. Kornelius erlebt es nun ähnlich. Ihm erscheint ein Engel, der ihn vorbereitet, wenn auch anders. Kornerlius empfängt kein Bild von Petrus. Er bekommt nur die Anweisung, nach solch einem Mann zu schicken. Und was ehrt den römischen Hauptmann, dass der Apostel ihn persönlich besucht? Sein Rang, sein finanzieller Nutzen, sein Name und seine Titel? Weder noch. Es ist dasselbe wie bei Tabitha: „Seine Gebete und seine Almosen.“ Hätte der Herr diesen Zenturio in der Bibel nicht verewigt, niemand hätte mehr seiner gedacht. Gebet und Almosen! Zwei zentrale geistliche Elemente der ersten Christenheit. Viele Gemeinden und christliche Strömungen suchen gerne – wenn sie von der „Urgemeinde“ sprechen, nach Pfingsterfahrungen, Heilungen und sonstigen spektakulären Dingen. Aber es heißt nur bei diesen zwei Dingen, dass der Herr daran mit Freude denkt: Gebet und Almosen!

 

Zu 2: Ein jüdischer Christ in Joppe (Verse 9-21)

 

Auch hier sind die Parallelen zu Hananias verblüffend. Beide werden mit etwas konfrontiert, was ihnen Angst einjagt, was ihnen größte Überwindung abverlangt und ganz besonders: ein Paradigmenwechsel. Und was gibt es schweres, als liebgewordene Anschauungen zu verlassen? So war Hananias felsenfest überzeugt, dass Saulus ein „Undercover-Agent“ sei und nur darauf aus sei, die christliche Gemeinde auszuhöhlen! Er war so überzeugt, dass er meinte, den Herrn (Apg 9,13f)unterrichten zu müssen über die wahren Absichten jenes Mannes. Hananias mußte umdenken lernen. Paradigmenwechsel. Saulus in ähnlicher Weise. Er war felsenfest überzeugt, dass er im Sinne Gottes handelte. Und als er nach Damaskus ging und Jesus begegnete und dieser ihm sagte, dass er mit den Christen den die Person Gottes selbst angriff, so blieb ihm nur noch ein theologischer Scherbenhaufen und er fragte: Wer bist du, Kyrie?

Und in der gleichen Weise erlebt es nun Petrus. Als er auf das Dach des Hauses ging um zu beten, begegnet den noch sehr im Judentum verhafteten Petrus der Herr in einer Vision. Was der Herr verlangt, ist verwirrend und wirkt auf Petrus furchtbar. Wie kann der Herr, der dem Juden die Speise unreiner Tiere verbietet, zugleich von ihm fordern, dass er sie isst? Auch Petrus muss umdenken und der Herr geht in liebevoller Weise auf ihn ein. Es ist vielleicht auch etwas Humor zu beobachten. Als Petrus betet, bekommt er Hunger. Ich denke, der Hunger kam vom Herrn selbst. Und in dem Moment, wo er etwas zu essen bekommt, kommt der Geist Gottes über ihn und er sieht einen reichgedeckten „Tisch“. Doch die Speise dünkt ihm lästerlich, die Stimme aber ist vom Herrn. Gott sagt es unmissverständlich: „Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten!“ Dreimal sieht er alles, dann verschwindet das Bild. Ähnlich wie Paulus vor Damaskus, so heißt es nun bei Petrus: „er war ratlos!“

 

Gedanke:

Gott gibt dem Saulus drei Tage Zeit. Drei Tage, wo er nach innen sehen kann. Drei Tage, wo es heißt: siehe, er betet. Bei Kornerlius heißt es, dass er zu Gott bete und dass der Herr seiner Gebet gedacht hat. Bei Petrus, als er bei Tabita war, heißt es, dass er auf die Knie ging und betete und auch kurz vor seiner Erscheinung betet Petrus. Im Gebet ist der Mensch offen und empfänglich für Gottes Reden und Wirken. Doch der Herr geht langsam, Stück um Stück vor. Der Herr will, dass seine Kinder nicht etwas tun, damit es getan wird, sondern sie sollen verstehen, was sie tun. Der Herr verlangt vom Petrus nicht etwas, was er nicht versteht. Im ersten Moment ist Petrus wohl ratlos, doch sofort legt sich Puzzleteil um Puzzleteil zusammen und Petrus begreift das Ungeheuerliche, das Neue und den für jüdisches Denken sprengende Paradigmenwechsel. Doch es wird Paulus sein, der dieses Thema in seinem Römerbrief für Juden und Heiden gleichermaßen theologisch aufgreifen wird. Petrus wird gesagt, dass er Besuch habe und er weiß sofort: der Herr geht mit ihm den nächsten Schritt!

 

Zu 3. Das messianische Judentum trifft auf das Heidentum (Verse 22-43)

 

Petrus macht sich auf den Weg zu Kornelius. Ihm folgen Christen aus Joppe, also eine kleine Schar. Sie fühlen es oder ahnen es: etwas Neues beginnt. Etwas, von dem Paulus später sagen wird: Und jetzt wende ich mich den Heiden zu!

Kornelius erwartet Petrus. Er hat seine ganze Familie eingeladen und alle sehnen sich nach der Botschaft des Petrus. Da der Engel, ein direkter Bote vom Himmel, so von Petrus sprach, muss Kornelius wohl gedacht haben, einen Götterboten vor sich haben und verneigt sich vor ihm. Eine Geste von größter Brisanz: denn in diesem Moment verneigt sich nicht allein Kornelius, sondern als Hauptmann der Elitetruppe, die speziell aus Römern bestand, verneigte sich auch Rom vor Petrus.

Doch Petrus schafft keinen Heiligenkult. Fast ironisch, voller Verständnis sagt er dezent, aber klar und so, dass er den Hauptmann nicht blosstellt (!): „Ich bin auch nur ein Mensch!“

Petrus weiß immer noch nicht, was er genau tun soll. Der Herr hält ihn hin und Petrus ist gezwungen, genau hinzuhören, was die anderen ihm sagen. So erzählt Kornelius ihm von seiner Engelbegegnung und endet mit diesem herrlichen Satz: „Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist!“

In diesem Moment begreift Petrus. Es fällt ihm wie bei Saulus „wie Schuppen von den Augen!“ Er begreift, dass das Tischtuch und die unreinen Speisen ein Bild dafür sind, dass Gott ihm praktisch einen Tisch von Menschen bietet, die sich sehnen nach Gott und ihn zum Vater haben wollen. Das einzige, was Petrus machen muss ist, ihnen von Jesus zu predigen. Geistlich gesehen meint es, dass Petrus sich nur an den gedeckten Tisch setzen muss. Der Herr hat alles vorbereitet. Nun begreift Petrus aber noch mehr: Gott wendet sich auch den Heiden zu. Er liebt sie gleichermaßen. Es gibt – geistlich gesprochen – nicht eine Elitechristenheit, die die „israelische“ genannt wird, sondern jeder ist von Gott geliebt und Gott will, dass alle Menschen zum Glauben finden. Und Petrus hebt an und predigt ihnen in modifizierte Form die Pfingstpredigt.

 

1.       Gott hat das „Logos“ dem Volk Israel gesandt (Joh 1,1). Jesus Christus ist der Friede für diese Welt und er ist Herr aller Herren. Israel behält eine Schlüsselposition in der Heilsgeschichte Gottes. Jesus sagt in Joh 4, das Heil kommt von den Juden. Aber das Heil gilt der ganzen Welt.

2.       Danach schlägt Petrus theologische Pfosten in seiner Predigt ein: Johannes als Vorbote, der Jesus als Messias erkannte und bestätigte. Dann den Geistempfang Jesu nach seiner Taufe und sein Heilshandeln mit messianisch-jesajanischen Attributen (vgl. Lk 4,14ff). Obwohl Jesus stets Gutes tat, haben Juden wie Römer ihn gekreuzigt. Petrus spricht vom Holz, weil daran das altt. Wort anklingt: „Verflucht, wer am Holze hängt!“ Petrus fährt fort und schlägt den nächsten theologischen Pfosten. Gott selbst bestätigte Jesus als rechtmäßigen Messias und Gottessohn durch seine Auferstehung von den Toten. Petrus betont, dass die Apostel besonders, aber auch viele andere den Auferstandenen leibhaftig gesehen haben. Gott nun hat ihn zum Richter gemacht über alles, was lebt. Dieses zu predigen hat der Herr den Aposten befohlen.

3.       Nach diesen theologischen Pfosten, die die messianische Authentizität Jesu bezeugen, ruft Petrus die Schrift herzu (Vers 43) und kommt dann zum Kern all seines Erdenwirkens, seines Sterbens und Auferstehens: „...dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen!“

 

zu 3: Das Pfingsten der Heiden (Verse 44-48)

 

Nach der Predigt des Petrus geschieht das Unerwartete: ein zweites Pfingsten geschieht. Der Heilig Geist fällt auch auf die Heiden. Sie beginnen, in Zungen zu reden und priesen Gott, den Allmächtigen. Die messianischen Juden reagieren mit Entsetzen. Sie können es nicht fassen, dass Gott sich auch den Heiden zuwendet. Petrus hat begriffen. Seit seinem schweren Fall ist er sehr barmherzig geworden und hat viel von seinem Elitedenken eingebüßt. Er läßt die Neubekehrten taufen und nimmt sie auf in die weltweite Gemeinde der Christen, die ihren Anfang in Israel nahm, nun sich über Rom ebenfalls ergießt. Rom steht hier nicht allein für eine Besatzermacht, sondern für die gesamte, heidnische Welt.