Bibelarbeiten: Bibelarbeit zu 1. Timotheus 5
erstellt von Michael Strauch
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E: 1Timotheus Kapitel 5
1. Kurze Gliederung
Allgemeine Dienstanweisung Kp 5
a.. Das rechte Verhalten (Seelsorge) Kp 5,1-6,2
2. Exegetische Bemerkungen
Paulus hat dem Timotheus klare, theologische Linien vorgegeben, in denen er sich bewegen soll. In dieser Spur soll auch die Gemeinde bleiben. Doch um das zu bewerkstelligen, braucht es einen Weg, den damals und auch heute die meisten scheuen: die Zucht. Und tatsächlich, wie viel Missbrauch ist schon damit getrieben worden. Wie viel selbstherrliche Worte sind hier schon gefallen. Zucht als Erniedrigung, Zucht als das Beschneiden der menschlichen Würde. Doch die Zucht, die Gott meint, ist ganz anderer Natur. Gemeint ist, dass es Menschen gibt, die ihre Mitchristen lieben und mit acht haben, dass sie den Weg mit Christus gehen. In einem Lied heißt es treffend: "Es ist oft schwer, als Christ in dieser Welt zu stehen.". Wie schön und wohltuend wäre es, wenn es "Väter und Mütter des Glaubens" gäbe, die auf mich den liebevollen Blick haben, den Mütter für ihre Kinder empfinden. Wer liebt, wird den richtigen Ton und die rechte Weise finden. Trotzdem gibt Paulus seinem geistlichen Kind klare Anweisung, wie er ermahnen, trösten und ansprechen soll. Paulus unterscheidet hier:
a.. nach Alter und Geschlecht (Vers 1+2)
b.. dann die Witwen (V.3-16)
c.. die Amtsältesten (V.17ff)
2.1. Der Umgang mit älteren und jüngeren Menschen (V.1-2)
Im griechischen steht interessanterweise der Begriff Presbüteros, sodass die Vermutung nahe liegt, dass Timotheus hier die Amtsältesten meint. Da diese aber gesondert ab V.17 angesprochen werden, glaube ich auch - wie auch meist übersetzt - dass ältere Männer und Frauen in der Gemeinde angesprochen sind. Also, die presbüteroi sind hier offenbar allgemein ältere Männer. Wie gehen wir nun vor, wenn ältere Menschen einer schweren Verfehlung schuldig werden? Das Wort "mä epipläxäs" meint, einen Menschen heftig und hart behandeln. Der Zorn, der im tiefsten aus einer Überheblichkeit seine Nahrung bezieht, steht hier Pate. Es ist nicht recht und unwürdig, einen älteren Menschen hart zu behandeln, den durch viele Jahre schwach gewordenen mit jugendlicher Stärke zu drücken. Wie aber soll Timotheus einem solchen Menschen begegnen? Ihn trotzdem ermahnen! Auch der Jüngere hat die Aufgabe, den Älteren zu ermahnen. Aber: "hos pateras" - wie ein Vater. In der Regel hat man vor seinem Vater Respekt. Unter Umständen noch mehr als vor seiner Mutter. Respekt und Achtung lässt nicht zu, dass mein Ton laut wird und unangemessen. Wer hat schon mal versucht, seinem Vater etwas darzulegen, von dem er denkt, dass er hier Unrecht tut? Wird man sich nicht vorher reichlich überlegen, wie man was sagt? Wird man nicht versuchen, seine Würde ihm nicht zu nehmen? Ein Ermahnen der Älteren geschieht also immer mit Bedacht, Vorsicht und unter Wahrung der Würde, die ein älterer Mensch besitzt.
Das schwierige Unterfangen, einen älteren Menschen zu ermahnen, bleibt umrahmt von dem schönen Bild: wie einen Vater. Dieselbe Behandlung geschieht den Frauen.
Wie gehe ich aber mit Gleichaltrigen oder gar Jüngeren vor? Auch hier gilt: nicht den Herren spielen! Jüngere Menschen reagieren sehr empfindlich, wenn sie spüren, dass die Ermahnung nicht ihr Bestes will. Jede Überheblichkeit, jedes Kräftemessen und alle Moralisierung ist dem jungen Menschen spinnefeind. Kommt er ja gerade aus der Erziehung der Eltern heraus, will auf eigenen Füssen stehen, eigenverantwortlich handeln, seine eigenen Erfahrungen machen. Nicht leicht lässt ein junger Mensch geistliche Personen über sich zu.
Wie aber dann? Paulus sagt: wie einen Bruder und/oder wie eine Schwester. Wie ist das gemeint? Paulus gebraucht bei Vater und Mutter, Bruder und Schwester Bilder aus der Familie. Die Familienbande kann an sich nicht gebrochen werden. Auch wenn Geschwister sich nicht riechen können, sie bleibend dennoch Geschwister. Dieser Gedanke liegt hier zugrunde. Paulus will, dass zwar ermahnt, zurechtgewiesen und auf den rechten Weg geholfen wird, aber stets so, dass die Gemeinschaft nicht aufgehoben wird. Paulus möchte nicht, dass nach einer Ermahnung man sich hinterher aus dem Weg geht, kein Wort mehr miteinander führt. Paulus will die Gemeinschaft der Heiligen. Die Gemeinschaft mit den Älteren und den Jüngeren. Jüngere brauchen nicht die Übervorsicht, den langen Weg, bis es zum Gespräch kommt. Mit jüngeren Menschen kann man diskutieren, ringen, auch mal im Ton daneben liegen. Nur - die Behandlung geschieht auf gleicher Ebene. Nicht ermahnt hier ein Vater seinen Sohn, sondern der Bruder seinen Bruder. Nun erwähnt Paulus noch ein kleines Beiwort: agneia: in aller Reinheit. Ermahnen ja, sich nicht überheben, ja. Aber eine Vertraulichkeit beim Ermahnen, die die Würde des Jüngeren ebenfalls nehmen kann, ist auch hier fehl am Platze. Jüngere Menschen verfallen schnell und leicht sexuellen Verfehlungen. Wie kann man hier ermahnen? Ich glaube, die Liebe verbietet allen Voyeurismus. Jene Seelsorge, die jedes Teil der Verfehlung wissen will, damit die "Sünde gebannt" werden kann. Wir mögen hier handeln wie der Herr Jesus in Johannes 8, wo der Herr die Prostituierte nur fragt: wo sind deine Kläger? Und: Geh hin und sündige nicht mehr! Er wirft nicht mit Steinen auf sie, er bohrt nicht nach Details, er gibt aber eine klare, knappe Anweisung. Junge Menschen brauchen klare Äußerungen, aber ihre Würde darf nicht untergraben werden.
2.2. Der Umgang mit den Witwen
2.2.1. Die Fürsorge der Witwen im allgemeinen (V.3-8)
2.2.2. Die Fürsorge der Witwen im Gemeindedienst (9-16)
2.2.1. Die Verse 3-8
Ein Wort, das diesen Text durchzieht, heißt "tima". Es meint: "jemanden oder etwas nach dem ihm gebührenden Wert behandeln und beachten. Menschen in der Gemeinde, die besonders darauf angewiesen waren, waren die Witwen (Apg 6,1ff). Sie, die ohne ihren Mann von keinem sozialen Netz aufgefangen wurden, waren in der christlichen Gemeinde herzlich willkommen und wurden dort auch versorgt. Vermutlich gab es in den ersten christlichen Gemeinden sehr viele Witwen allen Altersgruppen, sodass Paulus ihnen viel Platz in seinem Brief lässt. Paulus unterscheidet allerdings den Witwenstand. Als "echte Witwen" im Sinne von verwaisten Frauen gelten nur diejenigen, die keine Kinder und Mann mehr haben. Wir denken an Jesu Worte am Kreuz, wo er noch am Rande des Todes die Witwe Maria ehrt und um ihren Unterhalt sich kümmert, indem er ihr seinen Lieblingsjünger zur Seite stellt. Auch hier fallen die Worte: Frau, dein Sohn; deine Mutter. Diese Witwen gilt es also zu versorgen, materiell und geistlich.
Dann spricht Paulus neben den Witwen mit und ohne Kinder noch von einer dritten Gruppe: den Enkeln! Diese Enkel sollen ihre Oma oder Opa nicht im Stich lassen, sondern sie ebenfalls versorgen. Diese Versorgung der Großmutter und Großvater wird von Paulus als eine zutiefst christliche Pflicht angesehen. Also: hier haben die Kinder der Mutter offenbar wieder Kinder bekommen. Die Eltern dieser Kinder sind aber gestorben. Nun werden die Kindeskinder angehalten, für ihre Grosseltern zu sorgen, bevor die Gemeindeunterstützung in vollem Umfang auch nach ihnen greift.
Paulus vollzieht hier ein soziales und diakonisches Projekt, wie sie exemplarisch ist für Politik und Sozialwesen. Paulus behandelt die Bedürftigen nicht nach dem Gießkannenprinzip, d.h. jeder bekommt gleiche Hilfe ungeachtet der persönlichen Situation. Sondern hier werden die bevorzugt, die menschlich gesehen keine "Karte mehr im Ärmel haben!" Bei den anderen wird ausgelotet, welche Möglichkeiten noch vorhanden sind.
Eine echte Witwe ist also eine alleinstehende Frau, die weder Mann noch Kinder hat, im schlimmsten Fall auch keine Enkel. Nun fügt Paulus noch ein weiteres Kriterum hinzu: eine echte Witwe erkennt man an ihrem Gebet. Diese Aussage des Paulus ist gewiss nicht einfach zu fassen und manche Witwe, die diesen Abschnitt liest, gerät unversehens unter Druck. Aber ich glaube, die Menschen, die in dieser Situation stecken, wissen, was Paulus meint. Denn wer kann von sich sagen, dass er sozial die Leiter schon so hinab gestiegen ist, dass er völlig auf die Hilfe der Mitmenschen, der Gesellschaft, des Staates angewiesen ist? Wer kennt den Gang zum Sozialamt, das tiefe, erniedrigende Gefühl, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen? Wer von den Menschen in der christlichen Gemeinde kennt echte, materielle Not? Ich höre oft, das es in Deutschland so etwas nicht gäbe. Weit gefehlt. Auf dem Land mag die Versorgung alter Menschen trotz geringer Rente noch gegeben sein. In der Stadt sieht es häufig anders aus. Theoretisch gibt es auch ein soziales Netz, durch dessen Maschen der Mensch nicht fällt. Aber es sind die täglichen Erniedrigungen, die ein Mensch erfährt, wenn er nicht zu denen gehört, die sich selbst versorgen können. Diese Menschen machen oft eine bittere Erfahrung: von Menschen, auch und gerade von Christen ist wenig Hilfe zu erwarten. Diese Erfahrung ist bitter, muss aber nicht bitter machen. Denn Gott ist ein Gott der Witwen und Waisen. So wie der Herr die Kinder in Schutz nahm, die Gefallenen annahm und die arme Witwe für ihr Opfer lobte, so hilft Gott denen, die wenig haben. Ein Mensch, der all das erlebt hat, kommt früher oder später zu der Erkenntnis: Gott allein ist mein Trost, mein Helfer und Hort. Gott allein vermag zu helfen und tut es auch. Gott verweigert mir das Brot nicht. Darum lernt der Arme umso mehr - und darin liegt seine Belohnung, sein Trost und Vorteil - sich auf Gott zu verlassen. Das Geheimnis ist offenbar, das in materiell ärmeren Ländern eine tiefere, diakonischere Frömmigkeit anzutreffen ist wie in den postmodernen Industriestaaten.
Paulus erwähnt es, weil es auch Menschen gibt, die aus ihrem Stand eine Lüge machen. Paulus kennt kein Gieskannenprinzip. Der deutsche Bundesgerichtshof hat z.B. entschieden, das alle Eltern gleichermassen Anrecht auf Kindergeld haben, ungeachtet ihres Gehaltes. So beziehen Eltern mit hohem Einkommen gleichviel Geld wie die sozial schwach gestellten Eltern, die auf jede Mark angewiesen sind. Begründung: Eltern müssen grundsätzlich belohnt werden dafür, dass sie sich für Kinder entschieden haben. Paulus entlarvt solche Denkweisen als ungerecht. Wer Geld und Mittel empfängt, obwohl sie es nicht bräuchte, sondern nur für die eigenen unsachgemässen Bedürfnisse verbraucht, ist lebendig tot. Denn sie lebt nicht für Gott, sondern für sich und ihren "way of life!" Ja, ist es denn ihr nicht zu gönnen, wenn sie auch Geld bekommt? Hier wird ein Grundgedanke unserer Gesellschaft und Wirtschaft missachtet, den auch Christen oft nicht im Auge behalten. Die Finanzmittel gibt es nicht unendlich. Es wird ein bestimmtes Kontingent an Geld im Umlauf gebraucht. Was der eine hortet, haben andere zu wenig. Obwohl sie oft genauso hart arbeiten. Die finanziellen Mittel in der Gemeindekasse sind begrenzt. Wer unnötig empfängt, nimmt dem, der völlig darauf angewiesen ist. Hier werden wir an Kapitel 2,9 erinnert. Die Frauen mit kostbarer Haartracht täten besser daran, mit ihren finanziellen Möglichkeiten anderen zu helfen.
Es folgt eine weitere Ermahnung, die in ihrem Urteil kaum härter ausfallen dürfte. Wenn die nächsten Verwandten, also die Kinder, die Enkel oder auch die entfernteren Verwandten, sich weigern, einen in Not geratenen Verwandten zu helfen, der "hat seinen Glauben verleugnet und ist ärger als ein Heide!" Ärger als ein Heide, weil selbst Nicht-Christen oft wissen, was sich gehört und oft selbstloser ihren Pflichten gegenüber ihren Eltern nachgehen als Christen.
Im Detail allerdings sind die Worte des Paulus für alle, die wirklich Gott gehorsam sein wollen, schwer zu fassen. Denn die Situationen sind sehr unterschiedlich und müssen bedacht sein. Wir verstehen Paulus recht, wenn wir davon ausgehen, dass Paulus in allem zum Ausdruck bringen will, das alles recht geprüft werden müsse. Kann ich als Christ meine Mutter oder meinen Vater ins Altersheim tun? Wieviel Ehen sind zerbrochen an der Last, die solch eine Verantwortung mit sich brachte? Wer seine Eltern und seine Familie liebt, vor Gott steht, der wird eine für alle gute Entscheidung zu treffen wissen. Aber leicht fällt diese Entscheidung nicht.
Wer nun aber nicht in diesen geschilderten Situationen steht, nicht betroffen ist, der soll wissen, dass Paulus hier exemplarisch spricht. Die Diakonie, das materielle Helfen dort, wo materielle Not ist, muss wieder neu entdeckt werden. Wie wohltuend war ein Besuch bei einem Hauskreis. Dort haben die Teilnehmer ein Konto eingerichtet und zahlen ein, was jeder willig ist, zu geben. Und dann werden - je nach Projekt und Bedarf - Gelder überwiesen. Gott segne diese Kreise, sie haben etwas grundsätzliches begriffen.
2.2.2. Die Verse 9-16
In der christlichen Gemeinde wurde offenbar bürokratisch Buch geführt. Das griech. Wort, das mit "aufnehmen" übersetzt wird, heißt "katalogestein" (Katalog; katalogisieren). Das bedeutet, in ein Register aufnehmen, den Namen in die Rubrik derer setzen, die in besonderer Weise hilfsbedürftig sind. Was aber meint die Altersangabe "über sechzig Jahre?" Hier sind vermutlich Frauen angesprochen, die sich nicht mehr in der Gemeinde in großen Masse investieren müssen. Sie dürfen zur Gemeinde und Gemeinschaft gehören. Ihnen ist das Gebet anbefohlen und sie werden - wie eine Art Rente - von der Gemeinde getragen. Wer kommt nun in den Genuss dieser Altersversorgung? Paulus führt einige Punkte an:
a.. Frauen über sechzig: also Menschen, die ihren Dienst im Leben geleistet haben. Man bedenke, dass sechzig Jahre in antiken Zeiten ein sehr hohes Alter bedeutete. Worin bestand aber der Dienst, den ein solche Frau geleistet hat? Darin, dass sie stets und unermüdlich im Dienst der Gemeinde stand? Jungscharen, Kindergottesdienste, Veranstaltungen durchführte, lehrte? Paulus erwähnt es nicht. Was dann?
1.. Frau eines Ehemanns. Also eine Frau, die sich nicht von ihrem Mann getrennt hat. Die ihm die Treue hielt bis zum Tode.
2.. die ihre Kinder großgezogen hat und damit ihrer ersten Pflicht nach ihrem Mann, die Pflicht als Mutter treu nachgegangen ist. Und jede Mutter weiss, wie undankbar und frustrierend Kindererziehung sein kann. Lob jeder Mutter, die ihre Kinder - so gut es ihr gelang - groß gezogen hat. Nach dem Ergebnis fragt Paulus nicht.
3.. Gastfrei - besonders gegenüber denen, die an Christus glauben und denen, die hilfsbedürftig sind. Eine Mutter lernt in der Regel, selbstlos sein zu müssen. Und so fordert Paulus, was eine Mutter oft in selbstverständlicher Weise übt.
a.. Diese Frauen, die die besten Jahre ihres Lebens gegeben haben, lobt Paulus und gibt dem Elterngebot die Ehre. Wer hier treu war, hat ein Recht auf einen ruhigen Lebensabend. Mag die ältere Frau auch von Krankheiten nicht verschont bleiben, so soll sie sich doch nicht mehr um das Materielle sorgen müssen.
Nun gelangen wir zu Worten des Paulus, wo viele in ihm den "Frauenfeind" zu sehen meinen. Vielmehr muss hier aber Menschenkenntnis aus der damaligen Situation gesehen werden.
Ich habe in der Seelsorge oft folgendes Phänomen beobachtet: wenn eine Freundschaft zweier junger Menschen auseinander ging, so entstand ein schwer zu ertragendes Vakuum. Dieses Vakuum wurde oft schnell wieder gefüllt und die jungen Leute waren, sofern es sich finden liess, wieder befreundet. Oft nicht zu ihrem Vorteil. Aber es ist wohl so, dass eine Beziehung zwischen Mann und Frau, besonders auf erotischer Ebene, in beiden etwas weckt, das zuvor schlief und so weniger zur Gefahr wurde. Eine junge Witwe ist nunmal nicht zu vergleichen mit einer ledigen Frau. Der Wunsch nach einer Beziehung zu einem Mann wird in der Regel nicht größer sein als bei einer ledigen Frau, aber eine Ledige hat ihre Gefühle unter Umständen besser im Griff, weil die Erotik noch nicht geweckt wurde. Paulus empfiehlt solchen Frauen: heiratet wieder. Er ist auch skeptisch vielen geistlichen Vorstellungen, dass eine junge Witwe Diakonisse werden sollte. Sie lebt nunmal in Gefahr, zu fallen. Paulus will diese Witwen nicht kritisieren, vielmehr als ein Vater schützen vor dem Unglück, den der Satan beabsichtigt, über sie zu bringen.
Junge Witwen zu antiker Zeit konnten sich auch nicht einfach eine Arbeitsstelle suchen. Sie waren sprichwörtlich müssig. Sie gingen von Haus zu Haus, besuchten Menschen - vielleicht auch oft in guter Absicht. Aber der Müssiggang verführte sie zu Klatsch und Tratsch. Es verführte zu jender Pseudoseelsorge der Wissenden gegenüber den Unerfahrenen. Als Witwe weiss sie ja viele intime Einzelheiten und kann sie jungen Christinnen weitergeben. Wenn nun aber das Alter und die Reife fehlen, kann es schnell zu unguten, ja geradezu zerstörenden Entwicklungen kommen. Adolf Schlatter (Die Kirche der Griechen im Urteil des Paulus, Calwer Verlag 1983, S. 144oben) führt eines dieser negativen Entwicklungen vor: Paulus gebraucht für Müssiggang ein Wort, das Lukas in Apg 19,19 gebraucht. Periergos haftet seit Apg 19,19 okkulter Geruch an. Der Einstieg des Okkulten, der Hexerei, und sei es nur durch "Kräutersammeln beim Vollmond", war in den Mittelmeerländern jener Tage eine beständige Gefahr. Junge Witwen, Paulus muss wohl seine Erfahrungen gemacht haben, konnten in Gefahr geraten, durch solche "Weisheiten" sich einen geachteteren Stand zu erringen. Er will aber nicht, dass diese Christinnen dem Urteil "des Alexander und Hymenäus" verfallen. Satan soll keinen Raum finden, soll diese junge Frauen in Gottes Obhut überlassen und keinen Makel an ihnen finden. Ein Mann an ihrer Seite empfiehlt der Apostel. Aber nicht im Sinne einer Scheinehe, sondern mit dem Ziel, Kinder zu gebähren und großzuziehen. Hier mag man stehen, wie man will, es ist die Auffassung des Apostels.
2.3. Der Umgang mit den Vorstehern der Gemeinde (V.17-20)
"Die wichtigste Gruppe in der Gemeinde waren ihre Alten" (ebenda, S. 146 Mitte). Ein Wort, das kaum heute jemand vollen Herzens nachsprechen dürfte. Doch Paulus tut es. Sie sind besonderer Ehre wert. Besonders diejenigen, die das Wort Gottes ausgelegt haben und sein vorbildliches Leben (vgl. 3,1ff) geführt haben. Es muss allerdings dazu gesagt werden, dass die Bischöfe und Diakone ebenfalls zu den "Ältesten" gehörten. Sie sind dopperlter Ehre wert. Ehre gebührt nach Paulus jedem alten Menschen. Einfach, weil er alt ist. Doppelte Ehre dem, der sich "bemüht hat um das Wort und die Lehre!" Paulus ist Israelit, und die Ehrung der Alten war in dieser Gesellschaft groß geschrieben. Diese Ehre geschieht wie bei den Witwen materiell, aber auch im Ansehen. Dort, wo junge Menschen ihren Stil, ihre Person und ihre Wünsche obenan stellen, verachten sie die Bedürfnisse der Älteren. Es ist wichtig, festzuhalten, dass ein alter Mensch geehrt war und bei der Leitung der Gemeinde mitsprach, seine Erfahrung einbrachte. Es ist nicht gedacht an ein Amt, das Ehre bekommt. Wenn ein solcher Ältester sündigte, so solle Timotheus ihn ermahnen. Voraussetzung: es kann ihm nachgewiesen werden. Paulus will nicht, das jeder seine Kritik auslässt an den Ältesten. Erst, wo zwei bis drei Zeugen sich einfinden, solle man der Sache nachgehen. Auf das Reden Einzelner soll Timotheus kein Gewicht legen. Denn Menschen in verantwortlichen Positionen sind immer der Öffentlichkeit, und damit auch permanenter Kritik ausgesetzt. Timotheus soll also mit großer Vorsicht und unter Wahrung der Würde des Ältesten die Kritik aufnehmen oder ablehnen. Wo die Verfehlung in schwerem Masse aber tatsächlich offenbar ist und es mehrere Zeugen gibt, so soll Timotheus klar und eindeutig darauf verweisen. Diese Rüge geschieht im Rahmen der Gemeinde, also öffentlich. Nicht heimlich, nicht im Ältestenrat, sondern in der Gemeinde. Dieses ist keine Herabwürdigung des Amtes, im Gegenteil, es macht es transparent und stärkt deren Autorität. Es ist für eine Gemeinde schlimm, wenn sie feststellen muss, dass ihre Gemeindeführung unter der Decke krumme Dinge dreht. Denn von ihnen empfängt sie Lehre und Weisung für ihr Leben. Wenn sie aber zu einem christlichen Leben aufgefordert wird, derselbe aber sich am wenigstens daran hält, dann ist das für die Gemeinde schlimm. Dann ist es besser, es transparent zu machen, öffentlich um Vergebung zu bitten und der Gemeinde wissen zu lassen, dass hier mit gleichem Maß gemessen wird. Wie wichtig das dem Paulus ist, macht er darin deutlich, das er den höchsten Gerichtshof aufruft: die Dreieinigkeit und die Schar der Engel.
Nun gibt Paulus ein zweites Wort dem Timotheus mit: lege niemanden zu schnell die Hände auf. Hier ist nicht an sich an eine heilende oder allein segnende Handlung gedacht. Die Hände aufgelegt wurden Menschen bei ihrer Bekehrung und in besonderer Weise (Apg 13,1ff) bei Einsetzung und Beauftragung von Gemeindegliedern für einen besonderen Dienst. Hier soll Timotheus vorsichtig sein. Wie viel ungeistlich Gründe spielen bei der Wahl der Ältesten ein Rolle? Und welche Gründe spielen bei der Wahl zum Hauskreisleiter, Stundenbruder, Lektor eine Rolle? Für Paulus zählt nicht, ob ein Mensch begabt ist für eine Aufgabe. Diese Begründungen werden oft genannt. Folglich findet man nicht selten Geschäftsleute auch in führenden, geistlichen Positionen. Die Kriterien hat Paulus in Kap 3 dargelegt. Timotheus soll sich jede Wahl reiflich überlegen und sich nicht bestechen lassen (Sünde teilhaben). Ich habe es erlebt, dass ein Mann zum Ältesten gewählt wurde, der ein enger Freund des Pfarrers war. Und dieser Mann stand gleichzeitig für die Wahlen zum Bürgermeister zu Verfügung. In Ältestengremien fand ich oft auch im privaten Leben einflussreiche Leute. Dies ist nicht im Sinne des Paulus. Auch der Druck, zuwenig Älteste zu finden, kann kein Kriterium sein, jeden zu nehmen. Findet es doch statt, wird es für die Gemeinde kaum Segen bringen und für den Gewählten bedeutet das Amt auch unter besonderem, göttlichem Urteil zu stehen.
Paulus übergibt das alles seinem Kind Timotheus. Das erfordert eine persönliche, strenge Disziplin. Aber das Timotheus nicht in asketischer, leibfeindlicher Frömmigkeit verfällt, ermahnt der geistliche Vater seinen Sohn und macht damit deutlich, dass alles, was er sagt, nicht aus Strenge, sondern aus Liebe gesagt ist: trink nicht nur Wasser, sondern auch Wein.
Gemeint ist, dass Timotheus sich abstinent hielt, vermutlich aus dem Bedürfnis, Vorbild zu sein. Tatsächlich führt das karge Leben des Timotheus dazu, dass er oft krank wird. Paulus will damit sagen, dass das Gute, das man will, manchmal auch zum Schaden werden kann, wenn man es übertreibt. So ist es mit der Gemeinde. Es gibt Menschen, deren Schuld ist offenbar und sie kommen nicht in die engere Wahl einer führenden Gemeindefunktion. Es gibt Menschen, die haben einen guten Ruf, werden gewählt und dann wird offenbar, was an Schlechtem bisher verborgen blieb. Somit wird deutlich, dass das Gericht Gottes ein Geheimnis bleibt. Und Menschen, von denen wir als Christen groß denken, sind unter der Decke "große Sünder". Auch wenn sie hohe Stellungen innehaben. Genauso gibt es Menschen, die still und gehorsam ihren Weg gehen, aber sie werden von der Gemeinde zu Unrecht abgelehnt, zu Unrecht nicht in Ämter gewählt. Ihre guten Werke sind verdeckt, sie werden offenbar am jüngsten Gericht.