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Predigt über 1. Johannes 1, 1-4
von Michael Strauch
Einleitung:
„Wissen Sie, was das Erste war, was mein Kind zu mir sagte?" Diese Frage
stellte mir eine Mutter, deren Kind in der Schule zunehmend absackte. Sie kam
mit Lehrer, Druck und Unterricht nicht mehr zurecht. Die Mutter war verzweifelt.
Dann wechselte sie die Schule und es ging schlagartig besser. „Das Kind sagte:
Mama, jetzt beginne ich wieder zu leben!"
Das ist schon eigenartig, wenn ein Kind das Gefühl hat, nicht zu leben. Aber
sagen das Jugendliche nicht auch? Wenn der Schulabschluss fertig ist, die
Berufsausbildung oder ähnliches? Jetzt möchte ich erst mal was er-leben! Oder: ich möchte was vom Leben haben. Oder: erst
wird gelebt, dann schaffe ich mir Kinder an. Hat man Kinder, verlieren viele
Eltern das Gefühl von Leben, sie haben eher den Eindruck, gelebt zu werden. Und
wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist man unmerklich älter geworden. Und man
hat den Eindruck, das Leben rinnt unaufhaltsam einem durch die Finger. Und im
Alter kann es passieren, dass man lebenssatt ist. Dass das Leben geradezu zu
einer Last geworden ist. So scheint das Leben etwas zu sein, was man an sich
nicht festhalten kann. Es ähnelt einer Uhr. Man kann wohl die Zeiger anhalten,
doch die Zeit hört damit nicht auf.
„Wir haben es gesehen!" sagt ein alter Mann. Er ist schon seit nahezu 2000
Jahren tot und hieß Johannes. Noch heute hören wir die Begeisterung aus seinen
Worten: ich hab`s gesehen, gefunden, ja sogar berührt!
Was hat er gefunden? Und der alte Mann sagt: da s Leben.
Lesung: 1Johannes 1, 1-4
Johannes sprach damals griechisch. In seiner Sprache gab es für das Wort
Leben zwei Wörter: Bios und Zoä. Mit Bios meint
Johannes alles biologische Dasein. Das Funktionieren von Organen, das
Zusammenspiel von Mensch und Natur. In diesen Naturgesetzen erleb t der Mensch
das Leben, wie wir es anfangs ausgedrückt haben oder wie es der
Religionsphilosoph Mahatma Gandhi ausdrückt: „So ist das Leben in der Welt, dass
sie acht Dinge bewegen: Gewinn und Verlust Ehre und Schande, Lob und Tadel,
Glück und Leid!" Der griechische Philosoph Platon meint sogar: „Wer weiß, ob das
Leben nicht Sterben ist und das Sterben Leben?" Ja, sogar ein Psalmdichter führt
aus: „Unser Leben währt siebzig, und wenn`s hoch
kommt, achtzig Jahr, und wenn`s köstlich gewesen, so
ist`s Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell
dahin, als flögen wir davon!" Irgendwie erscheint mir das Leben wie eine
Galeere. Man ist angekettet an das Vergängliche. Man versucht, das Leben sich so
angenehm wie möglich zu machen. Doch irgendwann, früher oder sp äter, wird mein Lebensschiff
gerammt und ich muss untergehen.
Johannes benutzt hier aber einen anderes Wort: Zoä.
Er beschreibt es als eine Lebensform, die unabhängig ist von zeitlichen
Einschränkungen, von Krankheit und Tod. Johannes benutzt für dieses Wort von
Leben etwas, was in uns Unglaube oder Glaube hervorrufen kann: es ist ewig. Mehr
noch. Dieses Leben hat noch einen weiteren Namen. Oder besser: den Namen
überhaupt: Jesus Christus.
2. Das Leben
ist erlebbar
Man merkt es dem Johannes an: diese Begegnung mit dem Leben hat sein Leben
völlig umge-krempelt. Er sagt: das Leben ist erlebbar.
Ich habe es berührt, ich habe es mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren
gehört. Ich war über drei Jahre mit ihm zusammen , mit
Jesus Christus. Ich sage es euch: Er ist kein Geistwesen, kein ideologisches
Trostpflaster kurz vorm Tod, keine kopfmäßiges Für-Richtighalten. Das Leben ist ein biologisch
funktionierender Mensch geworden. Dieser Mensch aus Nazareth, geboren in
Bethlehem, gestorben und auferstanden in Jerusalem und zurückgekehrt zum
Schöpfer allen Lebens - dieser Jesus ist das Leben. Johannes nennt ihn auch das
„Wort des Lebens!" Dieser Jesus hat ein Botschaft.
Wirkliches Leben, nicht ein Kette von glücklichen und unglücklicken Tagen zwischen Geburt und Tod, sondern
wirkliches Leben, das den Namen verdient, weil es vom Tod nicht angetastet
werden kann, ist dem Menschen verloren gegangen. Es ging verloren seit dem
unseligen Ereignis, wo der Mensch selber sein Leben gestalten wollte, selber
Erhalter und Zerstörer des Lebens sein wollte.
Doch ist das Leben mit Gott eine Lebensalternative? Friedrich Nietzsche sagte
einmal: „Wenn es Gott gäbe, dann müssten die Christen erlöster aussehen!" Und
tatsächlich spukt oft die Vorstellung durch viele Köpfe: Leben als Christ, das
ist Leben mit einer Unzahl von Verboten. Leben als Christ, das ist ein
langweiliges Klosterleben. Viele erleben Christen und Christsein so. Ich vergleiche das Christsein mit einer Ehe. Niemand wird, wenn möglich,
freiwillig einen Hausdrachen heiraten. Oder einen Peiniger, oder einen, der
einen ständig nur unterdrückt. Sondern wenn jemand heiraten will, dann darum,
weil er den Menschen liebt. Gewiss: man macht ihn darauf aufmerksam, dass der
Ehepartner und später die Kinder Zeit in Anspruch nehmen. Man kann nicht
heiraten, und so leben wie bisher. Wer einen Lebenspartner haben möchte mit all
dem Schönen, das damit verbunden ist, der muss auch bereit sein, sein Leben
umzustellen. Wenn es unter Menschen so ist, warum soll das bei Gott anders sein?
3. Das Leben hat einen
Preis
Ich hörte kürzlich von einer Frau, die überall eine gerne gesehene Person
war. Sie kleidete sich stets chick und wirkte
aufgeräumt und heiter. Nur eines stellten zumindest ihre Nachbarn zunehmend mehr
fest: die Frau scheint so reinlich zu sein, dass sie offenbar nie Müll
produziert. Da sie in der Regel immer zu Besuch war, selbst keinen empfing, fiel auch niemandem auf, dass sie all den
Müll zuhause lagerte. Erst als sie seelisch für viele völlig unerwartet
zusammenbrach, stellte man fest, dass ihre gesamte Wohnung eine einzige
Müllhalde war.
Bildhaft gesprochen gleicht dieses Leben das vieler Menschen. Nach außen hin
aufgeräumt, innen voller Unrat. Die Bibel spricht nicht von Müll, sondern von
Schuld. Die Frau musste lernen, mit ihrer zwiespältigen Lebensweise umzugehen.
In der Therapie gibt es einen Punkt, der oft angewandt wird: der Mensch muss
schonend lernen, dass das, was er tut, für ihn und seine Umwelt zerstörend ist.
Er muss lernen, sein Verhalten zu sehen, zu akzeptieren und sich zu ändern.
Wer mit Jesus leben will, der muss sich darüber im Klaren sein, dass Er nicht
bereit ist, im Müll zu leben. Er weist uns liebevoll, aber bestimmt darauf hin,
dass die Sünde weg muss. Denn die Sünde zerstört das Leben. Und Jesus weiß,
wovon er spricht. Denn er starb auf der größten, menschlichen Müllhalde, die es
je gab. Draußen vor der Stadt, am Kreuz, wo alle Sünde dieser Welt von ihm
getragen wurde. Jesus ist bereit, Dir die Sünde zu vergeben. Aber Du musst
bereit sein, ihm die Schuld zu nennen. Wer vor Jesus eine weiße Weste vorgeben
will, der wird alle Welt beeindrucken, nur Jesus nicht. Die Schuld gehört ans
Kreuz. In diesem Sinne hat das Leben einen Preis.
Schluss:
Jesus will, dass Du lebst. Er gönnt Dir die vielen Freuden und nimmt Dir weder die Flasche Cola noch das Kinobillet weg. Wir müssen aufhören, zu denken, Jesus schlägt uns ständig auf die Finger. Zuerst will Jesus Dich beschenken. Er sagt Dir offen: Ich hab e Dich lieb. Ich will mit Dir leben. Ich will mit Dir auch dann leben, wenn der Tod einen Riss in deine Wirklichkeit reißt. Denn das ewige Leben, das Gott schenkt, hört dadurch nicht auf. Es geht weiter. Ohne Punkt und Komma. Ja, es geht weiter in vollende ter Freude. In diesem Leben aber will der Herr auch Deine Schuld. Er will sie Dir vergeben. Und er will, dass auch Du mit ihm leben möchtest. Der Herr ist für Dich gestorben. Es hat ihn unendlich viel gekostet, dass deine Sünde vergeben werden kann. Darum wirbt er um dich. Nur eines tut er nicht. Er rennt Dir nicht ewig nach. Er zwingt Dich nicht. Und er macht darauf aufmerksam, dass er mit Dir in einer lebendigen Beziehung stehen möchte. Jesus ist kein steinerner Hausgott, den man zu gewissen Zeiten ein Ge bet spricht. Oder wie kürzlich erlebt, ein Schrein, der, wenn man etwas Geld hineinwirft sich öffnet. Heraus kommt ein hölzerner Mönch, mimt mechanisch eine Segensgeste und verschwindet wieder. Jesus will mit Dir leben. Ganz oder gar nicht. Amen.