Bibelarbeit D. Nehemia 4
erstellt von Michael
Strauch
1. Einleitende Bemerkungen
2. Kurze Gliederung
3. Exegetische Bemerkungen
1. Einleitende Bemerkungen
Wenn ich die ersten vier Kapitel mir vor Augen
führe, so kommt mir alles wie ein Schachspiel vor. Auf Nehemias Seite habe ich
den Eindruck, daß er nur noch ein paar Bauern hat, die mühselig versuchen, den
König (die Mauer) zu verteidigen. Die schwarze Streitmacht rückt mit Pferden,
Türmen, Läufern und der Dame an und bietet nun dem König Schach. Er hält die
armen, jüdischen Bauarbeiter sprichwörtlich "in Schach". Und obwohl die weißen
Gegner schon sehr geschwächt sind, rückt man mit großer Angriffslust und Zorn
gegen sie vor. In einem Schachspiel wäre der König irgendwo in einer Ecke,
umringt von ein paar Bauern und vielleicht einem Läufer oder Turm. Sie werden
von allen möglichen Figuren in jeder Bewegung eingefroren, so daß nur geringe
Spielbewegungen möglich sind. (Man bedenke: die Samarier im Norden, die
Ammoniter im Osten, die Araber im Süden und nun, ganz neu, schließt sich die
westliche Nachbarprovinz Asdod noch der gegnerischen Allianz an). Aber so sehr
sich die Schwarzen bemühen, irgendwie entrinnen die Weißen aus dem Schach und
können nicht geschlagen werden. Ob ein Höherer mit von der Partie ist?
2. Kurze Gliederung
- Bewaffneter Widerstand der Feinde
V.1-6
- Ständige Wachsamkeit und Bewaffnung beim
Mauerbau V.7-17
- 3. Exegetische Bemerkungen 3.1.
Bewaffneter Widerstand (V.1-9) Da haben wir es wieder: das "Hören" - das
wir mittlerweile von Nehemia und seinen Feinden gleichermaßen kennen. In
diesen Tumulten kommt es eigentlich ununterbro- chen zu Dialogen. Die Feinde
hören auf Jerusalem, was sich dort abspielt, Jerusalem hört auf Gott. Die
Feinde Israels, all die umliegenden Länder verfolgen mit großem Interesse den
Bau der Mauer und müssen feststellen, daß sie sich mit ihrem prahler- ischen
Getue selbst der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Die Mauern schließen sich.
Die Mauern zwischen den Völkern gleichermaßen. Was mit dem "Hören" auf das
eigene, schlechte Herz begann, in Spott und Hohn zum Ausdruck kam, steigert
sich nun über Entrüstung und Zorn bis zur gewalttätigen Ausschreitung. Dieser
Ablauf ist übrigens typisch menschlich und in allen geschichtlichen
Ereignissen anzutreffen. Erst tut der Eine, was dem anderen nicht paßt. Dann
stößt man vor mit Parolen, schließlich mobilisiert man die eigenen Kräfte und
wird im schlimmsten Fall kriegerisch. Wir haben es dieser Tage, wenn Anhänger
der NPD und der Linken sich mit Sprechparolen stundenlange Duelle leisten oder
wenn bei Castortransporten auf beiden Seiten irgendwann die Gewalt eskaliert.
Wir verfolgen diese Momente bei den Castortrans- porten bis hin zu den täglich
stattfindenden Kriegen, die die Masse nicht mitbekommt. Das Schlechtmachen
anderer Menschen beim kleinen Gespräch, das Versagen von Kontakt und Hilfe
sind weitere Formen von nonphysischer Gewalt. Aber nicht weniger wirksam.
Hinter allem steht der, der (V.2) schon von jeher gegen "Jerusalem streiten"
will und "Verwirrung" anrichten will, der Dia-bolos
(wörtl.Durcheinander-Werfer). Was sollen Menschen tun, wenn sie Opfer werden
einer solchen "Verschwörung"? Sei es das betriebliche Mobbing, seien es "die
lieben Nachbarn", seien es sogar die eigenen Verwandten, die sich mobilisieren
und Druck ausüben. Genauso gut wollen wir fragen, was wir tun können, wenn wir
Opfer dieser negativen Gefühle geworden sind. Wenn wir selbst zum Rat der
Verschworenen gehören, selbst im Unguten handeln und ein "Opfer" in "Schach
halten" wollen. Das erste, was Nehemia befiehlt, ist das "Gebet". Ja
offenbar das Gebet in der Gemein- de (w i r aber beteten zu unserem Gott...).
Wir dürfen unser Leiden in welcher Form auch immer ständig vor Gott bewegen.
Je stärker der Druck wächst, desto stärker möchten wir die Not vor Gott
bewegen. Nehemia reagiert auf äußeren Druck immer und stets mit dem Gebet.
Gott ist immer seine erste Anlaufstelle. Ihm breitet er seine Nöte, Ängste und
seine Lasten aus. Das zweite, was Nehemia tut, er "stellt Tag und Nacht Wachen
auf" zum "Schutz vor ihnen". Nehemia bleibt neben dem Gebet nicht untätig,
sondern wird auch immer praktisch. Er antwortet den Bedrängnissen und
Anfeindungen nicht mit falscher Leidensbereitschaft, sondern mit dem Setzen
von Grenzen. Er mobilisiert keine eigene Streitmacht und stürmt den
Gegnern entgegen, sondern er verfolgt sein Ziel beharrlich, macht aber
deutlich, daß es auch für einen Gläubigen gilt, nach außen hin Grenzen zu
signalisieren. Aber das Grenzen setzten ist oft leichter gesagt, als getan.
Das erleben auch die Bauleute. Die internen Schwierigkeiten werden immer
mächtiger. Es ist, als fände im Text eine ständige, metapherartige Übertragung
statt. So scheint mir, als würde die zunehmende Schwächung der Lastenträger
und der immense, aufzuarbeitende Schutt, der real so gesehen werden muß,
übertragen zur psychischen und geistlichen Bewährungsprobe wird. Nehemia
vollzieht nach bewährter Manier seine Strategie: Stärkung der Schwachstellen
der Mauern. (Vers 7). Interessant erscheint mir, daß selbst Frauen wohl mit zu
den Waffen griffen. Das Setzen der Grenzen wird bei Nehemia dann militant, als
die Lage immer bedrängender wurde und sie es schließlich mit der blanken Angst
zu tun bekommen (V.8). Es ist gerade für einen gläubigen Menschen ein Seilakt.
Wie auf Ungerechtigkeiten reagieren? Hier können gewiß keine Patentrezepte
gegeben werden. Aber das Gebet und das Setzen von Grenzen sind nötige
Elemente, um seine Psyche und Selbstachtung zu wahren. Nehemia läßt offenbar
nicht "alles mit sich machen". Wichtig: er konterte nie mit demselben Spott,
Hohn oder Zorn. Das Wunder geschieht: der Rat der Gottlosen macht Gott
zunichte (V.9) 3.2 Ständige Wachsamkeit und Bewaffnung beim Mauerbau
V.10-17 Die Gefahr scheint für einen Moment gebannt, aber nicht
aufgehoben. Gott hat sein Volk geschickt aus dem Schach der Feinde
herausmanövriert, aber die Leute sind doppelt wachsam. Sie haben aus der
Situation gelernt und stellen sich darauf ein. Und erneut stellen wir fest,
daß Nehemia planvoll vorgeht. Dabei sind seine Pläne ständig flexibel. Er hat
ein Ziel vor Augen: den Bau der Mauer (Vers 13). Zur Erreichung des Ziel
bedient er sich bewährter Methoden, ändert aber auch seine Strategie, wo die
Situation sich geändert hat. Wie inflexibel und steif ist doch die deutsche
Frömmigkeit gegenüber diesem jüdischen Strategen. Wie sieht nun Nehemias Plan
aus? Welche Akzente setzt er? Ober im Bild des Schachspiels: welche
unausgesprochene Strategie verfolgt er für die zukünftigen Züge?
- Er teilt das Volk in zwei Gruppen: eine
Arbeiter und eine Wächtergruppe (man könnte fast meinen, er hätte sich bei den
Ameisen ein Beispiel genommen). Geistlich übertragen arbeitet die Hälfte der
Mitarbeiter an Projekten, die andere Hälfte betet! (V.10)
- Sie "standen hinter dem ganzen Hause Juda".
Übertragen: sie kritisierten die Arbeit nicht, sondern standen dahinter, auch
wenn noch vieles im Argen lag.(V.10)
- Die arbeitende Gruppe wurde wiederum
unterteilt in "Lastenträger" und "Bauarbeiter". D.h. die Häfte dieser Gruppe
spielte der anderen Gruppe zu. Diejenigen, die an der Mauer standen, hatten
nicht mehr Ansehen als die, die denen "Stoff" zutrugen. Übertragungen
geistlicher Art sind hier vielfältig. Lastenträger können auf Finanzen bezogen
werden. Wem Gott reichlich gibt, der darf ein "Lastenträger" werden und Geld
abgeben, mit dem andere wiederum arbeiten können. Lastenträger sind auch all
die Mitarbeiter mit den scheinbar kleinen Rollen. Die Blumen auf dem Altar
stellen, die ein kleines Anspiel üben, die Musik veranstalten, damit die
Predigt um so wirksamer bei den Hörern ankommt. Es ist ein ständiges Zuspielen
und Weitergeben. Die Lastenträger und Bauarbeiter sind aber ebenfalls
umgürtet, d.h. sie sind - wenn auch nicht so zeitintensiv - Beter! (umgürtet
mit Schwerter - Wort Gottes). Aber eine große Gruppe befindet sich in
"Wächterposition". Hier können die vielen alten Menschen doch ihre große
Chance sehen. Wieviel Rentner sind verplanter als junge Menschen. Wie schön
wäre es, wenn gerade alte Menschen beten, intensiv und viel.
- Nehemia beantragt als nächstes eine
Versammlungsregel. Es ist wichtig, daß die Leute, weil sie (V.13) verstreut
sind, in Jerusalem zusammenfinden, sobald die "Posaune" erklingt.
Bezirksstunden, Gottesdienste etc. sind sicher solche "Posaunenstöße". Aber
ich glaube, hier ist grundsätzlich die Gemeinschaft angesprochen. Es ist
wichtig, daß die Gläubigen sich an Orten treffen, gemeinsam sich austauschen,
einfach Gemeinschaft miteinander haben und sich gegenseitig trösten, stärken
und ermutigen.
-
Nehemia, seine Brüder, seine Wachen "zogen
ihre Kleider nicht aus!" (V.17). D.h. die Verantwortlichen in der Gemeinde
standen in ständiger Wachsamkeit vor Gott. Und diese Wachsamkeit - das kennen
wir von Nehemia - geschieht bei ihm durch ein intensives "Hören auf den Gott,
der redet" (Klaus Bockmühl). Von sich und seinen Verantwortlichen verlangt er
das meiste ab.