Erstellt von Michael Strauch
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Mit neutestamentlichen
Augen steht man fassungslos vor den Worten Jonas. Im Grunde erlaubt sich der
Prophet eine ganze Reihe ungeheurer Frechheiten und seine Verhalten wirkt wie
die Allüren eines Teenagers, der mit der Haltung seiner Eltern auf Kriegsfuß
steht. Wenn man die Begegnung von Propheten mit Gott bedenkt (Mose, Jesaja,
Johannes etc.), dann weiß man nicht recht, was man über Jona denken soll.
Doch bei aller Kritik
verdient Jona auch Respekt. Denn so frech seine Worte auch sein mögen, sie sind
ehrlich. Jona glaubt sich vor Gott im Recht. Jona, so scheint es, will die Ehre
Gottes verteidigen. Wie Petrus später zum Herrn sagen konnte, dass der Tod und
all die vor ihm stehenden Erniedri-gungen ihm fern bleiben sollen und der Herr
ihn als Satan tituliert. Jesus sagte, Petrus suche nicht, was göttlich ist,
sondern was menschlichem Empfinden entspringt. Es ist eine menschlich
zusammen-gebastelte Frömmigkeit, die mit dem wirklichen Kreuz nicht vereinbar
ist.
Jona hat den Blick nicht
für die Menschen, die andere Götter anbeten. Für ihn sind das Heiden,
Götzendiener, Barbaren. Jona wähnt sich und sein Volk als auserwählt, allein und
würdig dem Gott Israels zu dienen. Für die anderen Völker gibt es das Gericht.
Jona gerät darum (V.1) in einen für ihn sicher heilig gemeinten Zorn. Er erklärt
für sich selbst den "Dschihad", den Heiligen Krieg. Jona ist gefangen in seiner
Frömmigkeit, die in Gut und Böse unterscheidet. So wie die USA in unseren Tagen
die islamische Welt als "das Böse" hinstellt und sich selbst als christlichen
Staatenbund ausgibt und meint, es müsse Gericht üben über die sogenannten
"Schurkenstaaten", so ist für Jona Ninive ein Schurkenstaat. Ich frage mich, ob
nach einem möglichen Krieg im Irak jemals wieder westliche Missionare Aufnahme
und Glauben finden werden. Es steht viel auf dem Spiel (Januar 2003).
Aber ist es nur die
Frömmigkeit, die Kulturblase, in der Jona sich bewegt? Dann wäre es fast
ent-schuldigbar. Oder kommt uns beim Gespräch des Jona mit Gott nicht noch eine
weitere Begebenheit aus dem NT in den Sinn? Richtig: ich denke an das Gleichnis
vom verlorenen Sohn (Lk 15, 11-32). Jona erinnert mich sehr an den "älteren
Bruder". Könnte nicht auch Jona diese Worte gesprochen haben: "Siehe, soviele
Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie
einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre. Nun
aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verpraßt
hat hast du ihm das gemestete Kalb geschlachtet."(Lk 15,
29.30).
Ist Jona also doch nicht so
ehrlich? Denn es scheint offensichtlich, dass es ihn plagt, dass die Assyrer
vorher so gottlos gelebt haben wie es nur geht und dann reicht eine Bekehrung,
und sie sind wieder angenommen. Das ist doch zu billig, das darf doch nicht wahr
sein? Und warum macht Gott das? Weil er barmherzig ist und voller Güte und
Gnade. Jona weiß darum, der ältere Bruder - Bild für die Pharisäer und
Schriftgelehrten, wußten auch darum. Es sei hier immer wieder verwiesen auf das
Gemälde vom Rembrandt, das den Verlorenen Sohn zum Thema hat. Meisterhaft
dargestellt, wie der Vater mit einer männlichen und weiblichen Hand
(Mutter/Vater) seinen jüngeren Sohn an sein Herz drückt. Gott ist voller Liebe
und Barmherzigkeit, sein Erbarmen von unerreichter Tragweite. Beim Herrn heißt
es z.B. bei der Auferweckung des Lazarus, dass es ihm die Eingeweide
herumdrehte, so schwer ist sein Mitleiden. Das müssen wir immer mitbedenken,
wenn wir an das jüngste Gericht denken. Wenn Menschen, die ihr Leben lang Gott
abgelehnt haben, einmal verloren werden, dann ist das für unseren Gott ein
riesiger Verlust. Wir stehen wir dazu? Denken wir im Inneren bei unseren
Hauskreisen, Stunden und Gottesdiensten innerlich auch "Evangelisation? Nein
Danke!? Jona will seine Ansicht nicht ändern. Lieber sterben, als einen
Paradigmenwechsel vollziehen.
Die erste Schule Gottes
führte Jona in die Tiefen des Meeres. Er macht sprichwörtlich eine
"Tiefen-erfahrung. Gott ließ ihn am Rande des Abgrunds stehen. "Aus tiefer Not
schrie er zu Gott!" Dieses Tiefenerlebnis, das auch Martin Luther erfuhr und aus
dem ein Reformator hervorging. Doch Jona ist hartnäckiger. Das zweite
Tiefenerlebnis ist eigentlich ein Höhenerlebnis, da er sich auf einem Berg
befindet. Und auf der Höhe seiner Rechthaberei wird er vom Wasser nicht
erreicht, diesmal aber vom Feuer. Jona muss durch die zweite Schule Gottes.
Jona ist auf dem Berg. Dort
baut er sich eine Hütte. Er setzt sich hin und hofft, dass die Stadt vielleicht
doch untergeht. Dass sich ihm ein herrliches Schauspiel eröffnet, wie seinerzeit
Feuer und Schwefel vom Himmel fielen und Sodom und Gomorrah in einen Salzsee
verwandelten. Und Gott ist ihm ganz nahe. Mit dieser Liebe und Kraft, mit der
Gott 120 000 Menschen zuzüglich Tiere retten will, mit dieser unverdienten Liebe
widmet sich Gott diesem einzigen, störrischen Esel Jona. Es ist, als würde der
himmlische Vater sagen: "Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was
mein ist, das ist dein!" So läßt Gott innerhalb kürzester Zeit eine Staude
wachsen, die nur die Funktion hat, dem Propheten Schatten zu bieten. Denn die
Sonne brennt unbarmherzig auf ihn herab. Der himmlische Vater wirkt hier wie
eine Mutter, die abends noch mal ins Zimmer ihres Kindes geht und merkt, dass es
sich im Schlaf aufgedeckt hat und nun die Decke sanft über den kleinen Körper
zieht. Gott läßt eine Staude wachsen, weil Jona offenbar Pflanzen liebt. Auf
jeden Fall freut er sich sehr über das Gewächs. Das erstemal, wo wir Jona
fröhlich erleben. Er hat kein Interesse an den Menschen, kein Interesse an den
Tieren, aber die Pflanze, die bereitet ihm größtes Glück. Jona merkt dabei
nicht, dass er erneut in der Schule Gottes sich befindet. Das erste, was Gott
tut ist, dass er auf Jona eingeht. Und zwar geht er auf Jona so ein, wie es für
seine Person zugeschnitten ist. Gott nimmt den Propheten auch in seinem Unmut
ernst (Meinst du, dass du mir Recht zürnst?). In allem können wir von unserem
Herrn hier lernen. Wie wichtig sind uns oft der Garten, das Haus, unser Gewerbe,
unser Auto. Und wie sehr stellen wir unseren Besitz und all die
Nebensächlichkeiten auf die private Seite und auf die andere Seite stellen wir
die Kirche, das Gottesdienstleben, unsere Hauskreise. Alles wird sauber getrennt
ausgeführt. Und damit die Mission nicht leidet, unterstützen wir vereinzelte
Projekte. Und all das darf auch sein. Nein, ich möchte nicht den großen Hammer
holen und das Gewissen beschweren. Denn Gott ließ auch mit großer Fürsorge die
Staude wachsen und freute sich gewiss mit Jona mit. Doch was Gott möchte ist,
dass wir alltäglich es wieder lernen, den einzelnen Menschen ernst zu nehmen.
Gerade auch den Nicht-Christen. Ernstnehmen heißt, ihm zuzuhören, ihm
auszuhelfen, etwas Zeit mit ihm zu verbringen und vom Glauben her keine
vorgefertigten Meinungen vorzuführen. Ein Mensch merkt, ob er einem um
seinerselbst wichtig ist oder nur um einer möglichen Bekehrung willen. Damit wir
das verstehen, kann Gott uns auch mal etwas wegnehmen, woran unser Herz hängt.
So wie bei Jona.
Die geliebte Staude wird
von einem Tier zerstört. Einem Wurm, der mich an den Teufel denken läßt, wobei
dieser Vergleich hier nicht zu beweisen ist. Hinzu kommt die Sonne, die ihn auf
den Kopf sticht. Zuerst sticht der Wurm und nimmt ihm weg, was er liebte und
dann ist er selbst Opfer. Das wiederum erinnert an Hiob, Kapitel 1, als ihm
zuerst die Kinder und Habe genommen wurde und später wurde er selbst Zielscheibe
des Leidens. Dann mindert Gott dem Jona seine Lebensqualität. Wie einst von
Wasser umschlossen, erdrückt und von "den Riegeln der Erde" über seinem Kopf
eingeschlossen, so wird Jona von allen Seiten attackiert: Tiere, Sonne und
Wüstenwind plagen ihn solange, bis er sich den Tod wünscht. Das stimmt
nachdenklich: Im Bauch des Fisches hatte Jona eine panische Angst vor dem Tod,
diesmal wünscht er sich den Tod herbei, zweimal. Und wie Gott bei Hiob aus dem
Sturm sprach (Hiob 38,1ff), so spricht Gott ein zweitesmal zu Jona: Meinst Du,
dass du mit Recht zürnest? Und Jona bleibt dabei. Ja, er zürnt mit Recht bis an
den Tod! Jona kämpft mit Gott wie Jakob am Jabbok. Es ist, als wollte er sagen:
ich lasse nicht ab, bis Du mir Recht gibst. Jona weiß um die Liebe Gottes, er
weiß aber auch, dass Gott ein verzehrendes Feuer ist. Und dieses Feuer will er
über Ninive herauskitzeln. Wie einst Abraham das Feuer Gottes zu verhindern
trachtete, so will Jona das Feuer vom Himmel direkt haben. Und das Feuer kommt
und trifft den Propheten. Jona ist auf`s bitterste beleidigt.
Erneut erinnert diese Situation an Gethsemane. Als den Herrn der Sturm des
Leidens erfaßte und er bat, dass wenn möglich, der Kelch an ihm vorüber gehen
möchte. Jesus war im Gegensatz zu Jona bereit, aber ihn traf der Zorn Gottes,
als hätte er die Schuld auf sich geladen. Das Feuer des Gerichts traf ihn,
unschuldig, und doch die Schuld der Welt tragend. Warum? Weil Gott diese Welt
liebt. Diese Welt, die nicht weiß, "was rechts oder links" ist (V.11). Wir
können diesen Abschnitt nur abschließen mit Johannes 3,16. Ein angemessener Vers
für Jona. Und dem Jona in uns?