Erstellt von Michael Strauch
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120 000 Menschen ((Kap
4,11) lebten damals in Ninive. Für damalige Verhältnisse eine Art New York, eine
Stadt "that never sleeps" (Frank Sinatra in seinem Lied "New York, New York").
Damals eine Weltmetropole (zu Ninive bitte Bibelarbeit im Internet "Einführung
in Jona beachten). Eine Stadt mit ihren unzähligen Läden, Boulevards,
königlichen Prachtstraßen, das weltberühmte Ischtar-tor mit seinen glasierten
Ziegeln und den Abbildungen von Stieren, Löwen und Drachenwesen. Eine Stadt mit
ihren heidnischen Tempeln, den Rotlichtvierteln, den Slums. Eine schillernde
Stadt mit ihren Gegensätzen von Arm und Reich, niedrigen Behausungen und
prachtvollen Palästen. Jona fällt da nicht auf. Er wandert einen ganzen Tag lang
und hat die Stadt doch nur zu einem Drittel durch-messen. In seinem Kopf dröhnt
das Reden Gottes, die Inspiration, die Wortoffenbarung: "Mach dich auf, geh in
die große Stadt Ninive und predige, was ich Dir sagen
werde!"
Ich glaube nicht, dass Jona
sich fürchtete. Ihm war das ganze Treiben absolut zuwider. Das Schreien der
Kinder, das Feilschen in den Basaren, die vielen Frauen und Männer in ihren
aufgetakelten Kleidungen und Frisuren ließen ihn kalt. Er würde sein Sätzlein
herunterbeten und dann sofort dieses Sodom verlassen.
Wenn ein Mann heute in
Berlin am Brandenburger Tor oder auf dem Alexanderplatz ausrufen würde: "Es sind
noch vierzig Tage, dann wird Berlin untergehen!", dann hätte wahrscheinlich eine
Reihe japanischer Fans, die ihn umringen würden und Fotos schießen. Viel mehr
würde nicht passieren. Einen Gerhard Schröder mit seinen Mannen würde das eh
kalt lassen und wenn dieser Mann noch dreister wird, gar unflätige Parolen von
sich geben würde, dann würde er mit Gewalt vom Platz geschafft werden. Sollte
das damals anders gewesen sein?
Aus zwei Gründen war es
tatsächlich bedeutsam anders:
1.
Wenn ich Jona 3 lese, werde ich an
eine Begebenheit erinnert aus dem alten Rom. Als Julius Cäsar nach seinem großen
Sieg über die Germanen am Zenit seiner Macht war, schmiedeten schon engste
Vertraute Mordpläne gegen ihn. Es soll einen Propheten gegeben haben, der in
seiner unmittelbaren Nähe ihm zugerufen hat: "Hüte Dich vor den Iden des März!"
In den Iden des März ist Cäsar umgebracht worden. Oder man denke an die
heidnischen Astrologen, die Jesus aufsuchten. Die Gesellschaft von damals war
zutiefst religiös über Jahrtausende hinweg und ist mit der heutigen,
europäischen Gesellschaft nur sehr bedingt zu vergleichen. Wenn ein Mann auftrat
wie Jona, der solches verkündigte, dann nahm man das schon ernst.
2.
Ninive war von Gott vorbereitet.
Jona schweigt darüber, wie es geschah. Aber man weiß von Urstämmen, die Gott
ahnten und auf Missionare geradezu warteten. Vielleicht haben die Priester eine
kosmische Katastrophe über Ninive schon vorausgesagt, doch wußten sie keine
Lösung und ihre Götter schienen machtlos. Und als dann ein Hebräer kam, der
nichts wissen konnte von dem, was Gott schon vorher getan hat, mußte das in
ihrer Sicht "ein Omen" sein. Auf jeden Fall wurde die Kurzpredigt des Jona
sofort in die Regierungskreise weitergetragen. Es wirkt so, als hätte man die
Nadel im Heuhaufen gefunden.
Dabei ist Jonas Predigt
denkbar knapp. Er verharrt in der Drohung. Er sagt nicht, dass Gott Ninive
vernichten wird. Mir scheint, als würde er alles vermeiden, damit die Niniviten
zu Gott sich direkt wenden könnten. Doch - vielleicht ähnlich der griechischen
Ahnung des "unbekannten Gottes", der über allen Göttern steht, geschieht das
unfassbare: sie glaubten an Gott! Es heißt nicht: sie glaubten den Worten Jonas,
sondern sie glaubten an Gott!
Ich erinnere mich an eine
Begebenheit, wo ich von Haus zu Haus ging und Menschen für eine Evan-gelisation
einladen wollte. Ich klingelte eines Tages an der Haustür einer wohlhabenden
Familie. Eine freundliche Frau öffnete mir und ich wollte mich vorstellen. Doch
sie unterbrach mich und sagte, ich dürfe eintreten. Als ich hereinkam, war der
Tisch gedeckt. Die Frau gehörte eine Sekte an, ließ sich aber zu den Abenden
einladen. Woher sie wußte, dass ich kam, habe ich nie gewagt, zu fragen. An
einem Abend, kurz vor der Predigt, sprach ich mit ihr. Ich bin normalerweise
sehr vorsichtig mit schweren Aussagen, aber in diesem Fall hatte ich den
Eindruck, ich müßte ihr folgendes sagen:
"Mir zittern die Knie, aber
ich muss Dir sagen, dass Du für immer verloren sein kannst, wenn Du Dich nicht
heute für den Herrn Jesus entscheidest!" Die Frau, eine sehr selbstbewußte Dame,
wurde bleich. Ich wünschte schon, das nie gesagt zu haben. Doch sie antwortete:
"Vielen Dank, dass Sie mir das so offen gesagt haben!" An diesem Abend erlebte
sie eine grundlegende Bekehrung. Gar nicht mal bei mir. Ich war nicht mehr
wichtig, meine Aufgabe war nur, ein paar Worte zu sagen. Sie ist noch heute
dabei, nach vielen Jahren und hat später mich im Glauben sehr gestärkt.
Gott kann vorbereiten in
einer Art und Weise, die uns verschlossen bleibt.
Ich weiß nicht, ob der Fall
Ninive einzigartig ist, aber mir fällt nichts ein, wo eine Bußbewegung von
solcher Tragweite und Größe je wieder stattfand innerhalb einer Stadt. Jona
predigte und eine es bekehren sich 120 000 Menschen. Sodom wiederholt sich, doch
diesmal mit glücklichem Ausgang. Gott hatte in dieser Stadt ein großes Volk.
Das zeigt uns immer wieder,
dass Gott in manchen Gegenden, Städten und Orten so herrlich Frucht schaffen
kann, das es eine Freude ist. Und in andren Gegenden ist steinharter Boden. Das
allerdings tröstet auch all diejenigen, die so selten Bekhrungen erleben und
sich ein Leben lang abmühen. Und das mindert den Ruhm derjenigen, die solches
ständig erleben. Denn an Jona wird deutlich, dass es nicht die Macht der
Rhetorik, nicht die Geistlichkeit des Menschen ist, sondern allein Gottes Wille
und Ratschluss. Der eine sät, der andere erntet. Und das Säen und Ernten
geschieht im kleinen Kreis wie im Großen.
Ninive tut Buße. Kehrt um.
Kehrt sich zu Gott hin und kehrt ab von den falschen ethischen Wegen. Wie bei
Johannes dem Täufer - an die diese Situation am ehesten erinnert, geschieht eine
Welle der Buße, von der auch die Tiere nicht ausgenommen werden.
Doch bei alledem leben sie
in der Ungewissheit, ob Gott ihnen verzeihen würde (Vers 9). Da ist Gott, der
ihnen vergeben will und wird (Vers 10), da ist Jona, der will, dass sie
untergehen mit Mann und Maus (K.4, 1ff) und da ist Ninive dazwischen. Jona
wußte, dass Gott gnädig und barmherzig ist, aber er sagt es den Menschen nicht.
Sie hätten darin eine Hoffnung gehabt, aber es bleibt ihnen versagt. Sie erleben
ein "Tiefenerlebnis", wie es Jona im Fisch erfahren mußte. Sie machten die Hölle
durch, weil sie riefen, fasteten, sich in Asche wälzten und doch nicht wußten,
ob Gott ihnen gnädig sein wollte.
Und wieder wird das
"verborgene Evangelium" im Buch Jona deutlich:
·
Gottes Güte, die sich schon auf die
Heiden richtet, und das im 8 Jahrhundert v.Chr.!wirft einen Schatten auf Gottes
Absicht, dass Israel seinen Messias erkennt und das Heil aller Welt bringt.
·
Es wird deutlich, was Paulus später
sagen wird: ...Ich gehe zu den Heiden...! Oder wenn der Herr zu den Pharisäer
sagt, Gott könne aus den Steinen dem Abraham Kinder erwecken. Israel verweigert
sich dem Messias, will seine Sonderstellung behalten und geizt mit der Liebe
Gottes
·
Deutlich auch, wie Jona als eine Art
alttestamentlicher Johannes der Täufer die Buße predigt, wenn auch mit einer
ganz anderen Haltung wie Johannes.
·
Und über allem die überaus große Liebe Gottes zu
den Menschen und Tieren. Wenn jemand Zweifel hat, ob Gott ihn liebt, der möge
Jona lesen. Er liebt die heidnischen Assyrer, er liebt die Tiere, er liebt und
kämpft um 120 000 Menschen. Und in noch größerer Weise kümmert sich dieser große
Gott um einen einzigen, störrischen Propheten. So liebevoll und einfühlsam, wie
es in Kapitel 4 zum Ausdruck kommen wird.